Messe, Top-Story: 22.09.2004

Filmtechnik im Zentrum

Im zweijährigen Rhythmus findet in München die Messe Cinec statt, immer kurz nach der IBC, immer zum Start des Münchener Oktoberfestes. Die Messe nennt sich im Untertitel »Internationale Fachmesse für Filmtechnik, Postproduktion und Veranstaltungstechnik« und fand 2004 zum fünften Mal statt.

Ganz ehrlich und zutreffend war der Untertitel der Messe auch in diesem Jahr nicht, oder eben nicht ganz ernst gemeint. In jedem Fall klaffte eine deutliche Lücke zwischen formuliertem Anspruch und Wirklichkeit: Tatsächlich war bei der Cinec 2004 ein recht breites Spektrum an Filmtechnik vertreten, mit eindeutigem Schwerpunkt auf der Produktion – hier war die Messe recht gut sortiert. In puncto Postproduktion herrschte dagegen weitgehend Fehlanzeige: Filmabtaster, Scanner und Belichter suchte man, obwohl der Markt hier derzeit viele Neuheiten zu bieten hat, außer am Stand von Arri vergeblich. Die wichtigsten Hersteller von Bearbeitungssystemen blieben der Messe ebenfalls fern: weder Avid, noch Discreet oder Quantel, noch die anderen Player aus diesem Marktbereich waren mit eigenen Ständen vertreten, einzig Adobe hatte den Weg vom Münchener Vorort Unterschleißheim ins M,O,C nach Freimann gefunden. Mit zahlreichen Kameras an den Ständen anderer Aussteller indirekt präsent, aber jeweils ohne eigenen Stand, glänzten auch Panasonic mit Abwesenheit, lediglich Sony hatte einen kleinen Stand aufgebaut. Hinzu kommt: Ein paar fernsteuerbare Effektscheinwerfer machen aus der Cinec noch keine Veranstaltungstechnikmesse.

Nimmt man also den im Messeuntertitel vorgegebenen Anspruch als Maß, blieb die Cinec ziemlich unvollständig und enttäuschend. Ganz anders sieht es aber aus, wenn man die Zusätze mal vergisst, und die Cinec als produktionszentrierte Filmtechnik-Messe begreift: das und nichts anderes ist diese Messe nämlich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Dieser klare Fokus ist schön für Unternehmen, die damit im Grunde konform gehen: Firmen wie Kodak und Arri treffen hier genau die richtige Zielgruppe: Kameraleute, DoPs, Assistenten, technisch interessierte Filmstudenten. Auch für Kran-, Stativ- und Dolly-Hersteller ist die Cinec offenbar der richtige Marktplatz, wobei erstere natürlich ständig mit der für sie eigentlich viel zu niedrigen Deckenhöhe des M,O,C kämpfen und ihre ganz großen Hebeeinrichtungen draußen vor der Halle zeigen müssen.

Vom hoch spezialisierten Zubehör über unterschiedlichste Filmkameras bis zur neuen Cine-Optik konnte die Cinec das Herz vieler Mitglieder der Filmgemeinde erfreuen. Rund 2.000 Besucher waren nach offizieller Zählung bis Sonntagabend gekommen, im Schlussbericht nennt der Veranstalter 3.478 Fachbesucher: Man blieb unter sich, wie in den Jahren zuvor – ein Familientreffen eben. Das gilt auch für die Cinec-Awards, deren Preisträger eine Jury ermittelte, wobei es keine großen Überraschungen gab.

Nun ist gegen ein Familientreffen, ein kuscheliges Branchen-Meeting, überhaupt nichts ein zu wenden: Man kennt sich, man trifft sich, man schaut sich an, was die Aussteller in den vergangenen zwei Jahren ausgetüftelt, angeschafft oder entdeckt haben. Während der Cinec2004 freute man sich etwa über den Boom, den der 16-mm-Film derzeit erlebt, wie etliche der Besucher und Aussteller berichteten.

Familienfeiern sind aber meistens »geschlossene Gesellschaften«, die ziemlich ausschließlich mit sich selbst beschäftigt sind. Und so war auch bei der Cinec2004 wieder die Abschottungsmentalität zu spüren, die schon mal schwächer war, mit der sich nun aber wieder verstärkt die »wahren« Filmfreunde plakativ schmücken: Film ist toll, Video ist von Übel, auch in seiner HD- oder Daten-Version, Computer und Software nur neumodischer Schnickschnack.

Diese Haltung wie eine Monstranz vor sich her zu tragen, steht jedoch mittlerweile auch im krassen Widerspruch zur Realität der Branche. Das lässt sich leicht auch an den schon als Beispiel genannten, typischen Filmfirmen zeigen: Arri präsentierte eben im Rahmen der Cinec 2004 nicht nur seine neue 35-mm-Kamera 235, sondern auch die D20-Kamera, die Bilder in Datenform speichert. Bei Kodak gab es Software zu sehen, mit der sich Filmlooks visualisieren und kommunizieren lassen, bevor auch nur ein einziger Meter Film der geplanten Produktion belichtet wurde.

Das eine zu tun und das andere nicht zu lassen: Das ist vielleicht die bessere Zukunftsstrategie. Das Denken in Schubladen zu überwinden, offen zu sein in viele Richtungen, das strahlte die Cinec aber leider gar nicht aus. Stattdessen galt hier als König, wer von sich sagte: »Ich drehe nur auf 35 mm.« Bei wem das wirklich zutrifft, der gehört in Deutschland zu den von Vielen beneideten Happy Few des Filmgeschäfts. Der reduziert mit dieser Aussage aber auch seine Haltung zu einem kreativen Beruf auf eine Art und Weise, die nicht nur auf einen mechanischen Filmtransport hinweist, sondern auch auf ein mechanisches Gehirn. Sollte die Kamera, welchen Typs auch immer, nicht einfach nur ein Werkzeug sein?

Das sehen viele anders, die sich während der Cinec2004 in den Hallen des M,O,C tummelten – und das ist auch ihr gutes Recht. Nur leider wird die Cinec mit dieser Haltung niemals dort ankommen, wo sie eigentlich hin sollte und vielleicht auch hin will, sondern sie wird sich im Lauf der Jahre selbst marginalisieren, wird immer mehr an andere Veranstaltungen verlieren, an denen beileibe kein Mangel herrscht.

So bot sich in den Gesprächen, die www.film-tv-video.de während der diesjährigen Cinec führte, schon jetzt ein zweigespaltenes Bild: Die einen waren hoch zufrieden, die anderen ziemlich enttäuscht. Aber zwischen »genau unser Publikum getroffen« und »für uns die völlig falschen und viel zu wenig Leute hier«, gab es in den Gesprächen kaum ein Mittelfeld.

Was ist die Konsequenz daraus? Die Cinec wird nicht so weit wachsen, dass sie wirklich internationale Bedeutung erringen könnte, sondern sie wird im besten Fall auf dem Niveau hindümpeln, das sie nun erreicht hat. So planen laut Umfrage des Veranstalters 81 % eine erneute Teilnahme in 2006 ein. Die dieses Mal Enttäuschten bleiben wahrscheinlich beim nächsten Mal weg. Es kommen dafür ein paar andere, die es versuchen wollen und so weiter und so fort. Vielleicht soll das ja so sein?

Das Resümee ist klar: Das Konzept dieser Messe, wenn es eines gibt, stimmt nicht. Zumindest stimmt es nicht mit dem formulierten Anspruch überein. Die Cinec steht still, wo sie sich bewegen könnte – räumlich, zeitlich, thematisch.

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