Messe, Top-Story: 07.07.2005

Digitale Cinematographie

Während des Filmfests München fand im Forum im Deutschen Museum zum dritten Mal die Veranstaltung »Digitale Cinematographie« statt. Vorträge, Screenings, Workshops und eine Ausstellung informierten über aktuelle Trends in der digitalen Produktion für Kino und Fernsehen. (PDF-Download am Ende des Textes.)

Den Veranstaltern Ludwig Kameraverleih, Band Pro und MKMedia Production, die sich zum High Definition Center zusammengeschlossen haben, ist es auch im dritten Jahr der Veranstaltung gelungen, ein interessantes Programm zusammenzustellen: In zahlreichen Screenings konnten die Besucher aktuelle Digital-Produktion begutachten, sich in Workshops über Themen rund um Produktion und Postproduktion informieren und in einer Ausstellung Produkte und Dienstleistungen von 26 ausstellenden Firmen begutachten.
Die meisten Teilnehmer, mit denen die Redaktion von www.film-tv-video.de Kontakt hatte, äußerten sich zufrieden über die Veranstaltung, wobei die Aussteller und Besucher aus dem Bereich Produktion die »Digitale Cinematographie« insgesamt positiver beurteilten als die aus der Postproduktion.
681 Besucher hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung angemeldet, rund 600 waren laut Veranstalter tatsächlich vor Ort. Aufgrund dieses Zuwachses gegenüber dem Vorjahr und wegen des positiven Feedbacks, das die Veranstalter erhalten haben, soll die Digitale Cinematographie auch im kommenden Jahr wieder als Teil des Filmfests München stattfinden. Dann wegen der Fußball-WM etwas später, nämlich im Zeitraum zwischen dem 15. und 22. Juli.

Screenings
Umfangreicher bestückt und aufwändiger in Szene gesetzt als in den Vorjahren, waren die Screenings in diesem Jahr sehr gut besucht – auch wenn man teilweise einen anderen Eindruck gewinnen konnte: Das große, steile Imax-Kino, in dem die Screenings in diesem Jahr stattfanden, wirkte auch mit rund 150 Zuschauern noch nicht besonders voll. Und diese stattliche Zahl wurde zumindest in den Vorstellungen überschritten, die auch Mitglieder der Redaktion besucht hatten. Die riesige Leinwand bot einen besonderen Reiz, forderte Material und Projektion und gab den Besuchern Gelegenheit, unterschiedlichste Formate und Looks zu beurteilen.
Die Bandbreite der Screenings reichte von DV– und HDV-Aufnahmen über HDCAM– und Varicam-Produktionen bis hin zur Präsentation von Material, das mit der Viper-Filmstream-Kamera und mit der Arri D20 aufgezeichnet wurde.
Die Arri-Präsentation stieß dabei auf besonderes Interesse, schließlich gab es bislang noch nicht sehr viele Gelegenheiten, Material zu sehen, das mit der Arri-Digital-Kamera aufgenommen wurde – und schon gar nicht auf einer so großen Leinwand wie im ehemaligen Münchener Imax-Kino.
Wie breit die Einsatzbereiche digitaler Filmaufzeichnung mittlerweile sind, machten die Screenings auf eindrückliche Weise deutlich: Produktionsbeispiele aus Kino-Dokumentationen (etwa »Gallipoli«, über den es bei www.film-tv-video.de einen Produktionsreport gibt) fanden sich ebenso im Programm wie die Aufzeichnung eines Jazz-Konzerts, diverse Trailer, Kurzfilme und Werbung. Aber auch Highspeed-Aufnahmen, die nach der digitalen Produktion wieder auf 35-mm-Film ausbelichtet wurden, gab es zu sehen. Sich selbst ein Bild zu machen, diese Möglichkeit nutzten viele Teilnehmer – und auch etliche »alte Hasen« konnten dabei neue Erkenntnisse gewinnen.
Die Präsentation auf der großen Leinwand im Imax-Kino benannten viele Besucher als Highlight der Veranstaltung, auch weil die große Projektionsfläche die Qualitätsunterschiede der einzelnen Formate und Produktionsprozesse gnadenlos aufdeckte. Während etwa HDV auf einer kleinen Leinwand noch recht beeindruckende Bilder liefert, konnten im Imax-Kino auch HDV-Fans die Artefakte unmöglich übersehen und klein reden. Er-staunlich war es dennoch, dass selbst ein günstiges Einsteigerformat wie HDV Bilder liefert, die man — mit Einschränkungen — auch größer projizieren kann. Überdeutlich sichtbar wurde etwa der massive Unterschied zu DV, das ja ebenfalls schon verschiedentlich den Weg ins Kino gefunden hat.
Im Direktvergleich zahlreicher Produktionen wurde auch die doch enorme Bandbreite der Verfahren klar vor Augen geführt: Auch technophobe Zeitgenossen konnten hier deutlich sehen, dass »digital ist digital« eben doch ein Vorurteil bleibt — im positiven wie im negativen Sinn.
Anhand von ganz unterschiedlichem Material zu sehen, was mit HDCAM und HDCAM SR oder mit den unkomprimiert arbeitenden digitalen Verfahren im Kino möglich ist, was die digitale Projektion heute leiten kann, das erweiterte durchaus den Horizont.

Workshops
Avid bot in Zusammenarbeit mit Videocation einen besonderen Service und realisierte zwei Hands-on-Workshops an mehreren Nitris- und Xpress-Studio-Systemen. Jeweils 90 Minuten lang konnten sich die Besucher intensiv mit den Systemen beschäftigen und gemeinsam mit den Referenten Torsten Heinz, Michael Radeck und Dirk Weinrich die Besonderheiten der Systeme in mehreren Sessions selbst in Augenschein nehmen.
In zahlreichen weiteren Workshops behandelten die Referenten Fragen, die sich in der digitalen Produktion ergeben: Was ist beim Arbeiten mit SD– und HD-Objektiven zu beachten? Wie werden große, internationale Filmprojekte nachbearbeitet? Wie können Workflows bei digitalen TV-Produktionen aussehen? Was gilt es zu beachten, wenn das Material digital nachbearbeitet und in unterschiedlichen Formaten ausgewertet werden soll?
Insgesamt waren aber doch auch zahlreiche Stimmen zu vernehmen, die ein gegenüber dem Vorjahr schwächeres Interesse an diesem Bereich der Veranstaltung konstatierten. Die Gründe dafür könnten ganz zweifellos auch in der Vielzahl von Roadshows und Open-House-Veranstaltungen zu suchen sein, die in der Brande im Verlauf der vergangenen Monaten stattgefunden haben.

Ausstellung
Rund 600 Besucher hatten sich während der Veranstaltung akkreditiert und ihre Namensschilder abgeholt, so dass die 26 ausstellenden Firmen auch im Ausstellungsbereich durchaus reges Interesse verzeichnen konnten, wenn auch in Wellenbewegungen — abhängig davon, was im Imax-Kino gezeigt wurde.
Die Veranstalter Ludwig Kameraverleih, Band Pro und MKMedia Production präsentierten an einem großen, gemeinsamen Stand Beispiele aktuell verfügbaren HD-Equipments aus verschiedenen Bereichen. So gab es hier etwa Sony-HDCAM-Camcorder, ein Speedcam-System für Slomo-Aufnahmen, eine Viper-Filmstream-Kamera mit Zeiss-Objektiv und weiteres Aufnahme-Gerät zu sehen. Auch das neue Zeiss-Zoom-Objektiv mit einer Brennweite von 6 bis 24 mm wurde gezeigt.
Der Zubehör-Spezialist Chrosziel präsentierte seine jüngsten eigenen und Vertriebs-Produkte, unter anderem den Sunbird-LCD-Monitor, der auch bei direkter Sonneneinstrahlung noch ein gut erkenn- und sichtbares Bild darstellt, was ein speziell beschichteter Glasfilter ermöglicht. Der Monitor lässt sich mit Standardverbindungen mit gängigen Kamerastabilisierungssystemen nutzen, ist aber auch für die Stand-Alone-Nutzung geeignet. Weiter zeigte Chrosziel auch ein kleines, leichtes Kompendium, das sich mit dem Sony-HDV-Camcorder HVR-Z1 (Testbericht: hier klicken) nutzen lässt, sowie eine Schärfezieh-Einrichtung und eine Sonnenblende für diesen Camcorder. Diese Zubehörteile sind als HDV-Kit auch im Paket erhältlich.
Videocation präsentierte am Stand etliche aktuell verfügbare HD-Geräte verschiedener Hersteller: von HDV über DVCPROHD bis zu HDCAM. Auf besonders Interesse stieß dabei JVCs neuer HDV-Camcorder GY-HD100.
Dieser HDV-Camcorder mit Wechseloptik soll im Spätsommer in den Handel gehen und war während der Digitalen Cinematographie als funktionierendes Vorserienmodell zu sehen, das meist stark umlagert war: Ausstattungsmerkmale wie die Wechseloptik, 25P-Aufzeichnung sowie zahlreiche Funktionen, um das Bild beeinflussen zu können, kommen in der Produktionswelt offenbar gut an.
Weil Videocation auch Sony-Equipment vertreibt, konnte man am gleichen Stand auch den HVR-Z1 von Sony zusammen mit dem für diesen Camcorder verfügbaren Zubehör sehen, ebenso aktuelle Panasonic-HD-Camcorder.
Die Objektivseite der Produktion deckten neben dem Zeiss-Vertriebs Band Pro auch die Hersteller Canon und Fujinon ab. Fujinon setzte dabei auf seinen Vertriebspartner Videor Technical, Canon hatte selbst einen Stand aufgebaut. Die Objektivhersteller präsentierten jeweils einige Highlights ihrer aktuellen SD- und HD-Produktpalette .
Großen Zulauf konnte Lokalmatador Arri an seinem Stand verzeichnen. Zu sehen gab es die mit einem CMOS-Chip bestückte, digitale D20-Kamera, die Arri mittlerweile umfangreich getestet und weiter entwickelt hat. Die Digital-Kamera lehnt sich in puncto Design und Funktionalität stark an klassische Filmkameras an — wegen des Single-Sensor-Designs der Kamera ist es nicht nur möglich, 35-mm-Filmobjektive und klassisches Filmzubehör zu nutzen, sondern damit auch sehr filmähnliche Bilder zu erzeugen, etwa in puncto Schärfentiefe. Das unkomprimierte 4:4:4RGB-Signal, das die Kamera ausgeben kann, lässt sich beispielsweise mit einem HDCAM-SR-Recorder aufzeichnen, es ist aber auch möglich, die Signale auf eine Harddisk zu schreiben — etwa auch auf das Venom-Flashpak, das Grass Valley zur NAB vorgestellt hatte (das aber nicht gezeigt wurde).
Im Postproduktionsbereich zeigte DVS seinen Clipster, ein Echtzeit-Editing-System für Auflösungen von SD über HD bis 4K. Clipster verarbeitet Material unterschiedlicher Auflösungen und Farb-räume in 8, 10 oder 12 Bit im ursprünglichen Zustand. Eine vorangehende Komprimierung oder Umwandlung entfällt. Die Qualität der hochauflösenden Video-Daten bleibt erhalten.
Dreamwalks zeigte an seinem Stand das Autodesk-System Smoke in der Version 7 auf einer SGI-Tezro-Workstation, ebenso auch Flame in Version 9.5. Als besonders Highlight hatte Dreamwalks eine Coloristin von Colorfront aus Ungarn einfliegen lassen, die das Color-Grading-System Lustre präsentierte und den Fortschritt des Systems zeigte.
Weitere Postproduktionslösungen präsentierten DieAgenten, die nunmehr auch Sony-Xpri-Händler sind, aber nach wie vor auch Editing-Lösungen von Apple vertreiben.
Ebenfalls mit Apple-Produkten und Final Cut Pro vertreten: Der auf Postproduktions- und Animationssysteme spezialisierte Händler DVE, der mit Farmer’s Wife, auch eine Scheduling- und Management-Software für Broadcast und Postproduktion im Programm hat und dafür den Abo-Sender Premiere (Creation Club) als potenten Kunden gewinnen konnte.
Yello präsentierte das HD-Editing-System Springtime HD, das sich laut Anbieter besonders durch die umfangreiche HD-Funktionalität auszeichnet und durch die Möglichkeit, SD- und HD-Material problemlos innerhalb eines Projekts zu mischen.
DVC konnte erstmals den MPEG-Encoder MovieMakerHD in Aktion zeigen, der aus Sicht des Vertriebshauses aus Herrsching als effektive Alternative zu wesentlich teureren Encoding-Lösungen interessant ist. Auf großes Publikumsinteresse stieß bei DVC das Software-Tool ScreenDisk CV, mit dem es möglich ist, zwei Bildsequenzen in SplitScreen-Darstellung zu vergleichen. Das ist besonders für Entwickler und Wissenschaftler interessant, die Testbildsequenzen generieren, abspielen und vergleichen wollen. Hierfür bietet das System viele nützliche Software-Tools, die einen umfassenden und direkten Vergleich von Bildsequenzen erlauben. Das ScreenDisk-CV-Komplettsystem bietet DVC für 15.000 Euro an. Die Software von Screen Disk CV stammt von Video Clarity, einer Firma, die aus ehemaligen Mitarbeitern von Viewgraphics hervorging.
Datim positioniert sich in jüngster Zeit als Komplett-Anbieter rund um die Themen Filmscanning, -bearbeitung, Restauration und Ausbelichtung. Das Unternehmen zeigte mit Restore sein Komplettsystem für die digitale Filmrestaurierung, dessen einzelne Elemente zwar schon bekannt sind, die es aber in dieser Kombination bislang nicht gab. Das Neue daran: Damit ist die Filmrestaurierung auf nur einem System möglich, es müssen weder unterschiedliche Softwares genutzt werden, noch Signale während der Bearbeitung zwischen verschiedenen Systemen kopiert werden.
Datim kombiniert dafür als Systemintegrator Hard- und Software von DVC, Digital Vision und Drastic. Die SD-Version des Komplettsystems soll zum Nettopreis von rund 80.000 Euro angeboten werden, der Preis für die HD-Version ist noch offen. Der Hauptunterschied zwischen dem SD- und HD-System besteht in der unterschiedlichen Digital-Vision-Hardware, die dabei eingesetzt wird. Das System erlaubt die automatisierte und die manuelle Restaurierung, die gesamte Funktionalität steht dabei in Echtzeit zur Verfügung.
Der Dienstleister DigiSite zeigte unter anderem Beispiele von HD-Encoding für E-Cinema und stellte ein Software-Tool vor, das es im Zusammenspiel mit einem Teranex-Konverter-System ermöglicht, Videobilder etwa von 1080i50 in 1080psf25 ohne Auflösungsverlust und in Realtime zu konvertieren.
PTV Professional war mit einer interessanten Produkt-Neuheit vertreten: dem digitalen Testbild-Generator Soapbox. Die kompakte Soapbox generiert Testbilder in HD, SD und 2K-Formaten, auf Wunsch mit Embedded Audio und Timecode (bei SD- und HD). PTV Professional bietet das mobile Gerät, das sich auch mit Batterie betreiben lässt, für rund 3.000 Euro an.

Fazit
Mit über 600 Besuchern war die Digitale Cinematographie auch im dritten Jahr ihres Bestehens ein Erfolg. »Einige Hersteller haben uns sogar gefragt, ob wir die Ausstellung nicht sogar auf zwei Tage ausweiten sollten«, berichtet Martin Kreitl, einer der Organisatoren.
Die Mehrzahl der Aussteller dürfte allerdings eine eintägige Veranstaltung begrüßen, weil sich damit schlichtweg der technische, logistische und finanzielle Aufwand im Rahmen halten lässt. Außerdem kann die eintägige Veranstaltung wahrscheinlich nur so auch ihren Charakter beibehalten: als spezifische, klar fokussierte Plattform für die digitale Filmproduktion.

Downloads zum Artikel:

T_0705_DigiCine.pdf