360-Grad-VR, Report, Top-Story: 02.09.2016

»Mythos Wolfskind«: Terra X-Doku in 4K und mit 360°-Angebot

Die neue »Terra X«-Dokumentation geht dem Phänomen »Wolfskind« nach. Die Doku wurde vollständig in 4K produziert. Die Fernsehausstrahlung wird in HD erfolgen, in 4K steht die Dokumentation als Download und über HbbTV bereit.

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Kann ein Kind außerhalb der Zivilisation überleben? Ohne elterliche Zuwendung, ganz auf sich gestellt oder in Gesellschaft von Tieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Terra-X-Dokumentation »Mythos Wolfskind«. Sie wurde vollständig in 4K produziert. Da die Fernsehausstrahlung in 4K bisher in Deutschland nicht flächendeckend möglich ist, stellt das ZDF die Dokumentation sowohl als Download, aber auch über das HbbTV-Portal bereit. Im Netz finden sich darüber hinaus auch 360°-Bilder.

In diesem Beitrag beleuchten die Beteiligten der ersten 4K-Eigenproduktion des ZDF unterschiedliche Aspekte der Produktion.

Ein Assistent am Set sicherte nur Daten

Regisseur und ZDF-Redakteur Jens Monath über die Herausforderungen einer 4K-Produktion:

»Why now?« Das ist die Standardfrage auf internationalen Messen, wenn es um Koproduktionen, Presales oder eine andere Art der Lizenzierung von Filmen geht. Dabei bezieht sich diese Frage meist auf den Inhalt – aber manchmal eben auch auf Format und technische Umsetzung. »Why now?« lässt sich im Fall von 4K gut begründen. Und für »Terra X« sowieso.

Heute gibt es kaum noch eine internationale »Blue-Chip-« oder »High-End-Produktion«, die von den großen Anbietern nur in HD angeboten wird. Gerade bei Naturfilmen ist 4K mittlerweile Standard, selbst wenn es nur wenige Sender schon distribuieren können. Aber es geht eben nicht nur um den unmittelbaren Nutzen: 4K, da sind sich alle einig, wird in einigen Jahren der technische Standard der meisten Fernsehanstalten sein (der japanische Sender NHK will ab 2020 sogar in 8K senden). Deshalb produziert man schon heute in 4K, um gewissermaßen für die Zukunft gewappnet zu sein. Denn wenn man schon in Länder fährt, die »ein wenig ab vom Schuss« liegen, Wochen damit verbringt, Tiere zu drehen oder Expeditionen in schwer zugängliche Regionen zu unternehmen, warum sollte man sie denn nicht in einem technischen Standard filmen, der eine Mindesthaltbarkeitsdauer von 10-20 Jahren hat – aus heutiger Sicht gesehen?

Das reine Kameraequipment in 4K kostet – wenn überhaupt – nur wenig mehr als ein HD-Equipment. Mehrkosten gibt es am Set, weil man sehr gute Focus Puller braucht, denn 4K verzeiht – anders als HD – keine kleinen Unschärfen. Durch die hohe Pixelzahl macht die kleinste Unschärfe das Bild sehr weich, was bei sonst gestochen scharfen Bildern sofort ins Auge fällt. Vor allem auch, weil 4K-Fernseher gerne mit einem großen Bildschirm gekauft werden, sodass sich diese Unschärfe im Bild optisch vervielfacht. Ein weiterer Kostenpunkt ist zurzeit noch, dass am Set ein zusätzlicher Assistent beschäftigt werden muss, der nur Daten sichert. Denn beim Dreh fallen enorme Datenmengen an, die im Fall von szenischen Bildern oft dreimal auf verschiedenen Festplatten gesichert werden müssen.

Doch lohnt sich dieser Mehraufwand: Landschaften in stimmungsvollem Morgen- oder Abendlicht und Tiere in Nahaufnahmen in 4K sind eine Augenweide. Nuancen werden erkennbar, weil der Farbumfang und vor allem der Kontrastumfang sehr viel größer ist als bei bisherigen Standards. Nimmt man dann noch eine sogenannte HDR-Farbkorrektur des fertigen Films vor, erhält man ein Bild, das das Fernsehen (fast) neu erfindet. Sieht man auf einem HD-Fernseher um die vier bis fünf Blenden, zeigen gute 4K-Monitore einen Umfang von bis zu 14 Blenden. Da das menschliche Auge ungefähr 24 Blenden bei 4,3 K sieht, kommt der neue Standard unserem natürlichen Sehen sehr nahe.

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4K zeigt seine Stärken unter anderem in großen Landschaftsaufnahmen mit diffusem Licht.

Für den Regisseur bedeutet das, dass er die Bilder auf diese Technik hin schreiben sollte. 4K zeigt seine Stärken in großen Landschaftsaufnahmen mit diffusem Licht, bei Tier- und Menschenporträts in großer Nähe, so dass man einzelne Haare, Hautstrukturen und viele Details erkennen kann. Dabei ist Ruhe angesagt. Bilder, die in schneller Fahrt aufgenommen werden, verlieren viel von dem Reiz, der 4K eigen ist: Die große Bewegungsunschärfe lässt von 4K nicht mehr viel übrig. Dennoch lebt jeder Film von Rhythmuswechsel, vom Nebeneinander langer farbenprächtiger Landschaftspanoramen und schneller Bewegungen. 4K ist eine Technik, die den Bildeindruck erheblich verbessert, die Story aber muss sich wie immer selbst tragen, sie muss einfach gut sein. Und genau so verstehen wir 4K bei »Terra X«: als Unterstützung ohnehin schon starker Geschichten, die durch den überragenden bildlichen Eindruck zusätzlich an Attraktivität gewinnen.

Mit der Umsetzung neuer Technik hat die »Terra X«-Redaktion schon Erfahrung: Bereits 2006 führte »Terra X« als erste ZDF-Redaktion HD als Standardformat ein, genauso wie zuvor schon den Bildausschnitt 16:9, und vor fünf Jahren setzten wir mit den »Huberbuam« die erste 3D-Eigenproduktion des ZDF um.

Das Mittel der Eigenproduktion ist bewusst gewählt: So lassen sich für alle Gewerke des Hauses Erkenntnisse gewinnen, die dann später, wenn 4K einmal Regel-Sendeformat sein sollte, zum Einsatz kommen könnten. Zu diesem Zweck wurde im Haus ein Schneideraum 4K-tauglich umgerüstet, die Farbkorrektur aufgerüstet und das Kamerateam ausgerüstet mit 4K-Equipment. Alle Beteiligten waren ZDF-Mitarbeiter, die mit großer Motivation und Leidenschaft dabei waren. Unterstützung holten wir uns von Berti Kropac von Kropac-Media und Datenmanager Mickey Bühler, zwei erfahrene Kollegen vom freien Markt.

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Regisseur Jens Monath (rechts) im Gespräch mit dem Kameramann Jan Prillwitz.

Herausgekommen ist, wie wir hoffen und glauben, ein Produkt, das allerhöchsten technischen Standards entspricht, das »state-of-the-art« ist. So wie bereits HD für den Zuschauer eine Steigerung des Sehvergnügens bedeutete, ist mit 4K jetzt die nächste Stufe zu erklimmen: Noch größere Tiefenschärfe, sehr viel mehr Kontrast, »buntere« Farben – insgesamt ein schöneres Bild, das wir dem Zuschauer zu geben hoffen. Und selbst wenn er den Film nur über das übliche HD-Signal am Sonntagabend zu sehen bekommt, wird er die Qualität und Tiefe der Bilder zu schätzen wissen: Das bessere technische Bild beweist sich auch, wenn es auf ein niedrigeres Format komprimiert wurde.

Für 4K ausgerüstete Zuschauer bieten wir den 4K-Film als Download an, so kann er in allerbester Qualität am heimischen 4K-Bildschirm konsumiert werden.

Zusätzlich zu dem aufwändigen 4K-Film haben wir noch circa 30 Szenen im neuen VR– bzw. 360°-Format gedreht. Die Szenen werden mit bis zu acht Kameras aufgenommen, später im Schneideraum mit einer speziellen Software »zusammengenäht« und können dann entweder auf einem Flatscreen (Smartphone, Tablet, PC) oder mit einer speziellen VR-Brille gesehen werden. Diese Bilder geben ein unglaubliches Raumerlebnis, »immersiv« ist das Stichwort. Auch diese Bilder wurden übrigens in 4K gedreht. Wir bieten dem Zuschauer einen 12-minütigen Film, der sich aus 360°-Aufnahmen und 2D-Bildern zusammensetzt.

Seite 1: Herausforderungen einer 4K-Produktion
Seite 2: Bildgestaltung in 4K
Seite 3: Dreharbeiten in 360°
Seite 4: 4K erfordert eine andere Schnittgeschwindigkeit
Seite 5: Wie kann der Zuschauer 4K und 360° sehen?

Autor
Jens Monath, Matthias Haedecke, Uwe Kling, Frank Flick, Alexander Pfeiffer, Rainer Kirchknopf, Eckart Köberich,

Bildrechte
ZDF/Jens Monath (9), Mickey Bühler (1), Stavros Amoutzias (1), Jan Prillwitz (2)

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