Festival, Top-Story: 05.05.2022

Infos und Filmtipps für das 37. Internationale Dokfest München

Das Dokfest München 2022 startet in Münchener Kinos und per Streaming sein Festivalprogramm mit 124 Filmen aus 55 Ländern. Hier gibt es dazu Infos und Filmtipps.



Hans-Albrecht Lusznat mit Filmtipps fürs Dokfest 2022.
Trends 2022

Der Doku-Kameramann Hans-Albrecht Lusznat hat etliche Filme aus dem Programm des 37. Internationale Dokfest München schon gesehen und gibt hier seine ganz persönlichen Tipps ab. Ganz am Ende dieses Artikels sind Kurzkritiken/Bewertungen dieser Filme aufgelistet, die er vorab sehen konnte.

In diesen Filmen registrierte Lusznat aber durchaus auch einige Gemeinsamkeiten und Trends, die breitere Zeitströmungen zeigen, dabei bemerkte es besonders, ob es in aktuellen Dokumentarfilmen Veränderungen in den Erzählformen und den visuellen Mitteln gibt, die breiter um sich greifen — und diese sind hier vorab erläutert.

»Wenn man mit etwas Abstand zu den gesehenen Filmen dieses 37. Dokfests die Beiträge bewertet, dann ist es erstaunlich, dass die persönlich als eindrucksvoll empfundenen Filme sich nicht wesentlich von den 40 Jahre alten Dokumentarfilm-Highlights der 80er Jahre unterscheiden. Und deren Qualitäten sind genaues Hinschauen, Zeit nehmen, Abwarten, und das Präsentieren eines Realitätsausschnitts, zudem sich der Zuschauer positionieren kann, der ihn nicht in eine Richtung drängt und ihm nur eine Zustimmung abfordert«, fasst Lusznat zusammen.

»Ein wichtiger Aspekt des Dokumentarischen ist die viel beschworene Authentizität, die heute jeder Influencer als verkaufsfördernd erkannt hat und bewusst herbeizuführen sucht. Dabeisein mit der Kamera ist heute kein Kriterium mehr, denn eine Kamera ist inzwischen überall dabei. Dabeisein ist oft ein aufgeregter Rummel, der nichts mehr sagt und keine Erkenntnis bringt. Dabeisein und nichts begreifen, so kann man die Aufgeregtheit oft beschreiben, wenn der dokumentarische Blick fehlt und nur ein Spektakel aufgeführt wird«, konstatiert Hans-Albrecht Lusznat.

© Flare Film, Privatarchiv Familie Decker
»Anima – Die Kleider meines Vaters«

Während die Lust am Beobachten scheinbar abhandenkommt, nimmt die Tendenz zur Selbstbeobachtung zu — etwa in »Anima – Die Kleider meines Vaters«, »Mein Wenn und Aber«, »How to Save a Dead Friend«, »Four Journeys« — und wenn man im Festival schon so viele Reihen und Kategorien eingeführt hat, dass man eigentlich den Überblick verliert, dann fehlt ganz bestimmt die Reihe »Das dokumentarische Selfie«.

© Dokfest München
»Four Journeys«

Sehr oft sind die Filmemacher Bestandteil der Handlung. Das birgt natürlich die Chance, einen tiefen Einblick in Familien zu bekommen, birgt aber die Gefahr, dass aus dem Filmemacher ein Influencer in eigener Sache wird.

Große gestalterische Neuheiten und Besonderheiten gibt es derzeit aus Sicht von Lusznat nicht: »Die meisten Filme sind in 16:9 gedreht, einige wenige in Cinemascope, und immer, wenn 4:3 ins Spiel kommt, handelt es sich meist um Archivmaterial.«

© Salzgeber
»Pornfluencer«

Formal interessant ist »Pornfluencer«, weil dieser Film wie eine Webseite aufgebaut ist, in der man vor- und zurückspult und andere Inhalte wie Inserts aufruft. Bei »Anima – Die Kleider meines Vaters« hat die Regisseurin einen interessanten Weg gefunden, mit animierten Foto- und Grafikelementen den Teil der Geschichte zu erzählen, der sich nicht in dokumentarischen Fotos und Filmausschnitten zeigen lässt.

© Dokfest München
»Geschlossene Gesellschaft«

Gerne läuft die Kamera hinter Protagonisten her  — »If You are a Man«, »Volksvertreter«, »Trenches«, »Geschlossene Gesellschaft«. Unter den hier vorgestellten Filmen sind gleich drei Eltern-Kind-Filme; Filme, in denen die Töchter oder Söhne die Mutter oder den Vater befragen und vorstellen, wobei die ins Allgemein reichende Tiefe der Erzählung recht unterschiedlich ist: »Jane by Charlotte«, »Eine Frau,  Anima – Die Kleider meines Vaters«.

© Dokfest München
»If you are a Man«

Es gibt auffallend viele Filme über Pubertierende und Jugendliche: »If you are a Man«, »Girl Gang«, »Children of the Mist«, »How to Save a Dead Friend«. Social Media ist nicht nur Bestandteil des Alltags in den Filmen, sondern ein Thema oder das Hauptthema – und wird immer wichtiger. Überall wird fotografiert und gepostet: in »Nawalny«, »Volksvertreter«, »Girl Gang«, »Pornfluencer«. 

© Alex Pritz, Amazon Land Documentary
»The Territory«

Viele Filme sind über einen langen Zeitraum hinweg entstanden: »How to Save a Dead Friend«, »Territory«, »Volksvertreter«, »Children of the Mist«, »Four Journeys«, »Mein Wenn und Aber«.

 

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