Festival, Top-Story: 05.05.2022

Infos und Filmtipps für das 37. Internationale Dokfest München

Das Dokfest München 2022 startet in Münchener Kinos und per Streaming sein Festivalprogramm mit 124 Filmen aus 55 Ländern. Hier gibt es dazu Infos und Filmtipps.



Kurzkritiken von 18 Filmen des Dokfilmfest 2022
© Dokfest München
»Nawalny«
Nawalny

[Politik]
Canada / 100 Minuten / Eröffnungsfilm des Dokfest München 2022

Der russische Oppositionspolitiker Alexei Anatoljewitsch Nawalny (Jahrgang 1976) dürfte vielen Deutschen bekannt sein, vor allem seit er 2020 in der Berliner Charité behandelt wurde. Im August 2020 war er nach einem Giftanschlag auf dem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau an einer Kontaminierung mit dem Nervengift Nowitschok erkrankt und auf einem Zwischenstopp in ein Omsker Krankenhaus geschafft worden. Der Film behandelt hauptsächlich diesen Vorfall.

Highlight des Films ist ein Telefongespräch. Das Recherchenetzwerk Bellingcat hatte vier Agenten des Geheimdienstes FSB ausmachen können, die gleichzeitig nach Tomsk gereist waren. Der genesene Nawalny ruft sie vor laufender Kamera nacheinander an. Er gibt sich als Sekretär des russischen Sicherheitsrates aus und befragt den Agenten, warum das Attentat schief gegangen sei.

© Dokfest München
»Nawalny«

Den Machern ist mit einem Insiderblick in das Nawalny-Team ein emotionaler, packender Film gelungen, der Empörungspotenzial beim Zuschauer freisetzt. Ob das in der politischen Auseinandersetzung hilft, ist offen. Auch für das Genre des Dokumentarfilms stellt sich die grundsätzlich die Frage: ist das thrillermäßig aufgemachte, musikalisch dramatisierte, unreflektierte Dabeisein wichtiger als eine vielleicht dröge, nüchterne Betrachtung der Fakten?

Sehenswert: **

 

© Dokfest München
»Eine Frau«
Eine Frau

[Mutter-Tochter Film / Frauenschicksal / Portrait]
Deutschland 2021 / 104 Minuten / OmeU)

Es ist einer dieser Mutter-Tochter-Filme, die Autoren machen, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben und zurückschauen. Die erste Einstellung des Films zeigt ein Prachtexemplar von einem Laubbaum in einem eingezäunten Park, schwenkt dann auf das Wurzelwerk, das gigantische Ausmaße einnimmt, ein Verweis auf die sich anschließende Suche nach den eigenen Wurzeln. Es geht um die Mutter Marie Louise Chatelaine, genannt Malou, geboren in der französischen Provinz, aufgezogen von der Tante und dann verheiratet mit einem gut situierten jüdischen Geschäftsmann. Vor den Nazis gelingt ihnen die Flucht über Amsterdam nach Argentinien. Die Ehe mit zwei Kindern zerbricht, die Mutter gerät in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zu Beginn des Films breitet die Regisseurin die Hinterlassenschaft der verstorbenen Mutter aus. Dabei sind viele Fotos und auch 8mm-Filme, Relikte eines Hobbys der wohlhabenderen Mittelschicht.

© Dokfest München
»Eine Frau«

Die Regisseurin versucht, die in den Fotos erscheinenden Orte wiederzufinden. Ganz unspektakulär hält sie dann die Bilder von einst in die Szene von Heute, wobei sie angenehmerweise höchst selten mal selbst im Bild auftritt. Alles wird aus dem Off von ihr kommentiert. Über die persönliche Geschichte hinaus zeigt der Film das Schicksal einer nicht ganz angepassten Frau in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen der 40er und 50er Jahre.

Sehenswert: ****

 

© Dokfest München
»Dear Memories«
Dear Memories – Eine Reise mit dem Magnum-Fotografen Thomas Hoepker

[Fotografie / Potrait / Alzheimer]
Deutschland, Schweiz 2021 / 95 Minuten)

Thomas Höpker, Jahrgang 1936, gehört zu den wichtigsten deutschen Nachkriegsfotografen. In den 60er-Jahren hat er für den »Stern« eine lange Reise durch das ländliche Amerika unternommen. Jetzt ist er an Alzheimer erkrankt und startet mit seiner jüngeren Ehefrau Christine noch einmal im Wohnmobil zu einem Roadtrip von ihrem Haus nahe New York nach San Francisco. Fotografenfilme sind ein dankbares Sujet, denn man kann alles mit Fotos unterfüttern — und davon hat Höpker im Laufe seines Lebens viele hervorragende geschaffen.

© Dokfest München
»Dear Memories«

Der Umgang mit der Kamera ist bei ihm ins Unterbewusstsein übergegangen. Die fortschreitende Krankheit kann seiner Sicherheit in der Bildgestaltung nichts anhaben, während ihm das Sprechen in größeren Zusammenhängen bisweilen schwer fällt. Weil er sich immer wieder schriftlich und in Interviews zur Fotografie geäußert hat, kann der Film auf ältere Aussagen zurückgreifen.

Sehenswert: ***

 

© Dokfest München
»Trenches«
Trenches

[Ukraine Krieg]
Frankreich 2021 / 85 Minuten / OmeU

Seit acht Jahren gibt es Krieg im Donbass. Ukrainische Soldaten auf der einen Seite, von Russland unterstützte Separatisten auf der anderen. Die Kriegsparteien haben sich in der flachen Landschaft in Schützengräben verschanzt und belauern sich gegenseitig. Hin und wieder gibt es Feuerwechsel mit Gewehren und Granaten. Der Film beobachtet über einen längeren Zeitraum eine Gruppe ukrainischer Soldaten in ihren Gräben und Unterständen.

© Dokfest München
»Trenches«

Die Aufnahmen sind im 4:3-Format gedreht und in einfachem Schwarz/Weiß gehalten. Der Alltag im Schützengraben wird beobachtet: Langeweile und Daueranspannung. Man beobachtet den Feind, verpflegt sich, baut die Stellungen aus, und hin und wieder wird der Gegner beschossen. Alltag pur, dokumentarisch beobachtet, hin und wieder ein Gespräch mit einer Soldatin oder einem Soldaten. Als es Urlaub für die Gruppe gibt und sie auf Panzern sitzend ins ukrainische Hinterland zurückkehren, werden die Bilder plötzlich farbig. Entspannung, Disco – und dann beginnt alles wieder von vorne.

Sehenswert: ***

 

© Dokfest München
»How to save a dead friend«
How to Save a Dead Friend

[Russland / Langzeitbeobachtung / Drogen / Jugend]
Deutschland, Frankreich, Norwegen, Schweden 2022 / 90 Minuten / OmeU)

Die 16jährige Marusya steckt in einem depressiven Vorstadtsumpf, als sie Kimi trifft und beide ihre Liebe zueinander entdecken. Es ist ein Erwachsenwerden im Russland der Jahrhundertwende. Jelzin übergibt die Amtsgeschäfte an Putin. Mit Marusyas Kamera fangen sie an, sich gegenseitig zu filmen, und sie setzt es dann die nächsten 15 Jahre fort. Es wird ein Erwachsenwerden vor einem zunehmend repressiven und wenig optimistischen Hintergrund mit lauter Musik, Drogenexzessen und depressiven Phasen. Kimis Drogenkonsum ufert aus, Klinikaufenthalte reihen sich aneinander, und sein physischer Verfall wird immer offensichtlicher, bis er schließlich im November 2016 stirbt.

© Dokfest München
»How to save a dead friend«

Der Film gibt einen unverstellten Einblick in den Alltag russischer Jugendlicher dieser Zeit und kann das auch rückwirkend umfassend bewerkstelligen, weil umfangreiches Film- und Fotomaterial aus früher Zeit vorhanden ist und Marusya stur an ihrem Filmprojekt festgehalten hat.

Sehenswert: *****

 

© Dokfest München
»Girl Gang«
Girl Gang

[Social Media / Jugend / Familie]
(Schweiz 2022 / 98 Minuten)

Es ist eine Hysterie unter meist weiblichen Jugendlichen, wie man sie gut aus den alten Beatles-Filmen erinnert, nur dass diesmal nicht eine Popgruppe von Weltformat angehimmelt wird, sondern eine Teenie-Influencerin aus dem Berliner Osten. Die 14-jährige Leonie hat mit ihrer lockeren Art (gerne als authentisch bezeichnet) viele Social-Media-Follower gewonnen. Die Eltern erkennen ihr Potential und übernehmen hauptberuflich das Management. Bisweilen fragt sich der Zuschauer, wer beutet hier wen aus, die Eltern die pubertierende Tochter, oder die Tochter die sich kümmernden Eltern. Dann gibt es noch Melanie, eine 13 jährige Followerin von Leonie, die bisweilen 17 Stunden am Smartphone in Social Media abhängt und einen Fanklub für Leoni gegründet hat.

© Dokfest München
»Girl Gang«

Wohl weil ein Film noch mehr Aufmerksamkeit versprach hat Leoni und ihre Familie den Filmemachern Zutritt gewährt und öffnet damit den Zuschauern einen intensiven Einblick auf eine Parallelwelt, in der ziemlich viel falsch zu laufen scheint. Immerhin erkennt Fanclub Betreiberin Melanie im Laufe der Zeit ihren Irrtum.

Sehenswert: ****

 

© Dokfest München
»Volksvertreter«
Volksvertreter

[Politik / Langzeit-Beobachtung]
(Deutschland 2021 / 94 Minuten)

Nach der Bundestagswahl 2017 beziehen vier Kandidaten der AfD als frisch gewählte Abgeordnete ihre Büros im Bundestag: Armin Paul Hampel, Journalist; Götz Frömming, Lehrer; Norbert Kleinwächter, Lehrer und Enrico Komning, Jurist. Der Film beobachtet die Neuen über einen Zeitraum von drei Jahren, und die Kamera ist in diversen Situationen dabei, ohne je direkt zu interagieren.

Man hat 90 Minuten Zeit, einen Einblick in den Alltag und die Arbeit der Volksvertreter zu nehmen, wobei es weniger um das Vertreten des Volkes als das der eigenen Interessen zu gehen scheint. Ernsthafte Sacharbeit, wie man es vom Politikbetrieb erwarteten würde, findet in den Filmausschnitten kaum statt. Es wird fotografiert, gefilmt und gepostet, um Formulierungen gerungen und darüber diskutiert, wie man taktisch Entscheidungen beeinflusst.

Sehenswert: **

 

© Dokfest München
»If you are a Man«
If You are a Man

[Fremde Welten / Jugend / Bildung]
(Burkina Faso, Frankreich 2022 / 76 Minuten / OmeU)

In der ersten Einstellung folgt die Kamera in einer langen Fahrt dem 13 Jahre alten Opio durch die oberflächliche Anlage einer Goldmine in Burkina Faso, bestehend aus Hütten und immer mal wieder einen Schacht, der nur mit ein paar Sandsäcken am oberen Ring geschützt ist.

© Dokfest München
»If you are a Man«

Opio verdient sich hier mit der Bedienung des Seilzugs seinen Lebensunterhalt. Er ist eines von fünf Kindern, die sein Vater mit einer seiner zwei Frauen hat. Eigentlich möchte er zur Schule gehen und das Schweißen erlernen, aber die 35.000 Francs (umgerechnet 53 €) jährliches Schulgeld kann der Vater nicht aufbringen. Für seine Arbeit erhält er hin und wieder einen Sack mit Steinbrocken aus der Miene. Dieses Material zerkleinert er in mühsamer Arbeit und wäscht ein wenig Gold aus. Schließlich fragt er seinen Chef, ob er auch in den Schacht steigen darf, um in der Tiefe selber nach Goldgestein zu suchen.

Sehenswert: **

 

»Children of the Mist«
Children of the Mist

[Fremde Welten/ Jugend / Langzeit-Beobachtung]
(Regie: Diem Ha Le / Vietnam 2021 / 90 Minuten / OmeU)

Am Anfang des Films gibt es eine Szene, in der eine Gruppe von fünf Mädchen auf einem geschliffenem Felsen in der Bergwelt von Nordvietnam zusammen spielt, eine Brautentführung, wie sie der filmenden Person erklären. Die 13jährige Di ist die Tochter einer Bergbauernfamilie der Hmong, einer Volksguppe in Vietnam mit eigener Sprache und der Tradition, ihre Kinder früh zu verheiraten. Auch Di’s Mutter wurden entführt und früh verheiratet, was eine frühe Schwangerschaft und den Abbruch der Schulbildung zur Folge hatte. Beim Neujahrsfest im Dorf flirtet Di mit einem Jungen, was ernsthafte Konsequenzen hat.

© Dokfest München
»Children of the Mist«

Der Film beobachtet sehr genau den traditionellen Umgang der Familien miteinander und lässt den Zuschauer an Vorgängen und Auseinander- setzungen teilnehmen, die Dis Zukunft entscheiden. Näher dran kann ein Dokumentarfilm kaum sein.

Sehenswert: *****

 

© Salzgeber
»Pornfluencer«
Pornfluencer

[Sexualität / Influencer]
(Deutschland 2021 / 74 Minuten)

Influencer wollen gefallen, geben Einblick in ihr Privatleben und reichern die Botschaften an die Fangemeinde mit Werbung an, wobei oft eine erotische Komponente im Spiel ist und Erfolg verspricht. Immer noch gilt die Binsenweisheit: Sex sells. Warum nicht den eigenen Sex verkaufen und reich werden?

Nico und Jamie sind ein Paar und tun genau dieses. Sie haben im Steuerparadis Zypern ein Haus gemietet und bedienen in der Kategorie »Real Couple« ihre Follower mit hausgemachten Pornos, um schnell reich zu werden. Die Filmemacher besuchen die beiden, beobachten und befragen sie bei ihrer Arbeit, die im Bedienen von Accounts auf den diversen Social Mediaplattformen und dem Verwalten einer Homepage besteht. Sie sind in einander verliebt und verbinden nun das Nützliche mit dem Angenehmen. Beim Sex stehen drei Kameras um sie herum, die sie selber bedienen und einrichten müssen und bei der Kopulationstätigkeit muss dann auch schon mal eine Kamera in die Hand genommen werden, damit man die Details besser sieht. Dabei kommen sie ins Schwitzen und man merkt, dass es richtige Arbeit ist. Aber es gibt auch die Kundschaft, die wie überall im Showgeschäft nach abwechslungsreicher Kost verlangt, weshalb bis weilen zu dritt in wechselnder Besetzung agiert wird.

© Salzgeber
»Pornfluencer«

Der Film selbst ist visuell wie eine Homepage aufgebaut, mit einer Timeline und Fenstern, in denen mitten im Film ein Experte aufgerufen wird, der dann erklärt, wieviel Geld im Markt der Internet-Pornografie steckt. Zuweilen wird auf der Timeline zurückgespult und man knüpft an einer früheren Stelle des Geschehens an. Beide stehen für sich vor einem Spiegel und lesen sich nach einer Affirmation benannten Motivationstechnik vor, wie toll sie sich finden.

Sehenswert: ****

 

© Dokfest München
»Jane by Charlotte«
Jane by Charlotte

[Mutter-Tochter Film / Prominente ]
(Frankreich 2021 / 90 Minuten / OmeU)

Die Mutter ist die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin, die Tochter nicht weniger prominent und ebenfalls Schauspielerin und Sängerin, Charlotte Gainsbourg. Der Film folgt ihnen an die verschiedensten Orte, nach China, New York oder in das Haus der Mutter in der Bretagne. Verhandelt werden eine Reihe von Themen und Erinnerungen, ohne dezidiert auf das Leben zurückzublicken. Einer der interessantesten Momente ist der Besuch beider im Pariser Haus des 1991 verstorbenen Serge Gainsbourg, Mann und Vater der Frauen.

© Dokfest München
»Jane by Charlotte«

Alles ist so geblieben wie es vor 30 Jahren war, selbst die Konservendosen in den Schränken sind noch vorhanden. Und dann spricht die Mutter über die Urängste vieler Eltern, Kinder in die Welt zu setzen, Fehler zu machen, die sich nicht mehr korrigieren lassen und die Ohnmacht in der Angst, man könnte ein Kind verlieren und nichts dagegen tun.

Sehenswert: **

 

© Alex Pritz, Amazon Land Documentary
»The Territory«
The Territory 

[Regenwald / Langzeit-Beobachtung]
(Brasilien, Dänemark, USA 2022 / 86 Minuten / OmeU)

Die Uru Eu Wau Wau sind eine indigene Volksgruppe im brasilianischen Regenwald mit einem ihnen zuerkannten Landbesitz. Illegale Siedler versuchen, ihnen ihr Gebiet Stückchen für Stückchen durch Abholzung und Brandrodung wegzunehmen und fühlen sich durch die Politik des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro bestärkt.

© Alex Pritz, Amazon Land Documentary
»The Territory«

Drei Jahre lang beobachtet der Film die Volksgruppe beim Kampf um ihr Stück Regenwald.

Sehenswert: ****

 

 

© filmfaust, Film Five
»Liebe, D-Mark und Tod«
Liebe, D-Mark und Tod

(Regie: Cem Kaya / Deutschland 2022 / 96 Minuten)

Ab Mitte der 50er Jahre wurden ausländische Arbeitskräfte organisiert an die deutsche Industrie vermittelt und allgemein als Gastarbeiter bezeichnet. Sie brachten auch ihre Lieder und Musikvorlieben mit.

© filmfaust, Film Five
»Liebe, D-Mark und Tod«

Ungeachtet der deutschen Öffentlichkeit entstand unter türkischen Gastarbeitern eine einzigartige Subkultur mit Stars und Millionen verkaufter Tonträger. Der Film führt in diese vielfältige facettenreiche Kultur vom einfachen Heimatlied bis zum aktuellen Rap.

Sehenswert: ***

 

© Dokfest München
»Escape to the Silver Globe«
Escape to the Silver Globe

[Filmgeschichte / Polen]
(Polen 2021 / 95 Minuten / OmeU)

Der polnische Regisseur Andrzej Żuławski (1940-2016) begann Mitte der 70er Jahre mit einem ambitionierten Sciencefiction-Filmprojekt: On the Silver Globe. Nach zweijährigen Dreharbeiten wurde das Projekt durch den neu ernannten Kulturminister aus politischen Gründen gestoppt, obwohl schon 80% abgedreht waren.

© Dokfest München
»Escape to the Silver Globe«

Entgegen der Anweisung, das Material zu vernichten, hatte das Filmstudio die Negative, Kostüme und Requisiten eingelagert. Mit der politischen Wende in Polen wurde 1988 eine 157 Minuten Fassung des unvollendeten Films fertig gestellt und in Cannes uraufgeführt.

Der Dokumentarfilm rollt die Situation auf und befragt Beteiligte nach den Umständen.

Sehenswert: ***

 

© Dokfest München
»Magaluf Ghost Town«
Magaluf Ghost Town

[Tourismus]
(Spanien 2021 / 80 Minuten / OmeU)

Magaluf gilt bei den britischen Touristen als Partyhauptstadt von Mallorca, wobei der Begriff »Stadt« für die Hotel-Hochhausansammlung am Strand zu hoch gegriffen ist. Bis zu einer Million Touristen kommen pro Saison, die meisten aus Großbritannien.

© Dokfest München
»Magaluf Ghost Town«

Neben dokumentarischen Beobachtungen des Massen-Partytourismus gibt der Film Einblick in das Leben Einheimischer, die mit und auch von dieser Situation leben: ein ehemaligen Zimmermädchen, ein Toilettenmann, ein jugendliches schwules Freundespaar, ein Gastronom mit Sohn und eine Immobilienmaklerin. In das Leben der Protagonisten schleichen sich Visionen und Phantasien ein, die im Zusammenhang zum Tourismus stehen und ein fiktionales Element in den Film bringen.

Sehenswert: ****

 

© Dokfest München
»Geschlossene Gesellschaft«
Geschlossene Gesellschaft

[München / Corona-Krise]
(Deutschland 2022 / 90 Minuten)

Die Veranstaltungs- branche wurde von der Corona-Krise besonders stark getroffen. Der Film versucht am Beispiel von vier Münchner Clubs — P1, Back Stage, Harry Klein und Milla Club – zu zeigen, wie sich die Corona-Krise auf das Geschäft auswirkt.

© Dokfest München
»Geschlossene Gesellschaft«

Es ist ein Wunder, wenn Unternehmen eine fast zwei Jahre währende Zwangsschließung überstehen, aber die Filmemacher schaffen es leider nicht, dem Zuschauer auch nur annähernd zu erklären, wie das funktioniert. Auch sind die Alltagsbeobachtungen in den geschlossenen Clubs wenig ambitioniert und lieblos fotografiert. Sie reichten bestenfalls für einen Magazinbeitrag und bieten keine Erkenntnisse.

Sehenswert: *

 

»Stand Up My Beauty«
Stand Up My Beauty

[Gesang / Fremde Welten / Frauenschicksal]
(Deutschland, Schweiz 2021 / 110 Minuten / OmeU)

Die Azmari-Sängerin Nardos tritt in Bars der Hauptstadt Addis Abeba auf. Azmari ist eine Tradition aus dem äthiopischen Hochland und vergleichbar mit Minnesängern.

© Dokfest München
»Stand Up My Beauty«

Nardos ist auf der Suche nach Inhalten für ihre Lieder und trifft die auf der Straße lebende Dichterin Gennet. Zusammen schaffen sie neue Lieder, die von den eigenen und auch typischen Problemen äthiopischer Frauen erzählen.

Sehenswert: ***

 

© Flare Film, Falk Schuster
»Anima – Die Kleider meines Vaters«
Anima – Die Kleider meines Vaters

[Tochter-Vater-Film / Travestie]
(Deutschland 2021 / 94 Minuten)

Am Sterbebett des Vaters erfährt die Tochter von der Mutter in der bayerischen Provinz, dass der Vater ein Transvestit war. Das Erbe des Vaters ist ein Karton mit Perücke, Schminkutensilien, hochhackigen Schuhen und ein Stoß von Tagebüchern, die nun ausgebreitet vor der Kamera daliegen. Die Filmemacherin beginnt ein Zwiegespräch mit dem Vater, das mit animierten Collagen, Fotos, Interviews und Filmausschnitten unterfüttert wird. Sie beschreibt aus ihrer Position die Beziehung, während die Gesprächsanteile des Vaters dem Tagebuch entnommen sind. Der Vater lebt seine transvestierenden Momente heimlich, aber immer unter Anspannung und Angst vor Entdeckung aus.

© Flare Film, Siri Klug
»Anima – Die Kleider meines Vaters«

Die Tochter hat in der Schulzeit einen Hang zur männlichen Seite und lebt ihre Vorstellungen im Fasching und Schultheater- aufführungen aus. Wie viel besser hätte sie sich mit dem Vater verstanden, wenn es nicht dieses Geheimnis gegeben hätte.

Sehenswert: *****

 

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