Postproduction, Technology, Top-Story, VFX: 19.11.2019

Understanding VFX — Teil 3

In der mehrteiligen Artikelreihe »Understanding VFX« stellt Juan García ein weites Spektrum an VFX-Fachwissen vor. Dieses Mal geht es um die Frage: Was kostet das alles?

Understanding VFX, Logo
Die zweite Folge der mehrteiligen Artikelreihe »Understanding VFX«.

Filmbudgets werden in der Regel nicht veröffentlicht. Es ist also schwierig, hierüber exakte und verlässliche Daten zu bekommen. Vieles basiert auf Hörensagen und auf Schätzungen. Es existieren zwar diverse Listen zu Filmbudgets, die aber sicherlich mit Vorsicht zu betrachten sind.

Beispiele von Filmbudget-Charts:

The Numbers Giga Inside Kino
Turn On USA Today Cheatsheet

Allgemein wird kolportiert, dass ein durchschnittlicher Hollywood-Feature-Film ein Budget von 100 bis 150 Millionen US-Dollar hat. Die Fachzeitschrift »Hollywood Reporter«, taxiert einen durchschnittlichen Spielfilm in Nordamerika auf ein Budget irgendwo zwischen 50 und 70 Millionen US-Dollar. Es gibt auch Listen, nach denen in den vergangenen rund 15 Jahren bislang etwa 70 Kinofilme schon mehr als 200 Millionen US-Dollar gekostet haben und rund 350 Filme zwischen 100 und 200 Millionen zu veranschlagen sind.

In der Regel werden VFX-lastige Produktionen als deutlich teurer dargestellt als Filme, die nur wenig VFX enthalten. Das VFX-Budget selbst wird in den USA meist als 20 bis 50 % des Gesamtbudgets benannt.

Tatort, Vorspann, Montage
Ein Fernsehfilm, wie beispielsweise ein 90-minütiger »Tatort«, wird im Normalfall bei rund 1,35 Millionen Euro landen.

In Deutschland kann man, auch wegen der Filmförderungsregularien, die Budgets etwas genauer und sicherer schätzen: Hier kann man die meisten Kinospielfilme zwischen 1,5 und 10 Millionen Euro Kosten einsortieren. Internationale Ko-Produktionen liegen im Normalfall etwas höher. Ein Fernsehfilm, beispielsweise ein 90-minütiger »Tatort«, wird im Normalfall bei rund 1,35 Millionen Euro landen.

Selbst wenn es sich bei all diesen Zahlen nur um grobe Schätzungen handeln würde, wäre klar: Budgets, die hierzulande gängig sind, machen nur einen Bruchteil dessen aus, was in einem Hollywood-Film allein schon die VFX kosten.

HBO beweist aber mit der Serie »Game of Thrones«, dass man auch mit weniger auskommen kann als mit einem fetten Hollywood-Budget und trotzdem hohe VFX-Qualität erreichen kann: 6 bis 8 Millionen US-Dollar pro Folge und 10 Millionen pro Folge in der letzten Staffel sind also kein Hindernis für High-Quality-VFX.


Breakdown einiger Szenen von »Game of Thrones«, Season 8, Weta Digital.
Ang Lee,
Ang Lee bei einem Podiumsgespräch während der NAB2016.
VFX sind teuer? Oder doch nicht?

Regisseur Ang Lee sagte während und nach der Produktion von »Life of Pi« (Artikel) immer wieder: VFX sind zu teuer. Und fast jeder in Hollywood, aber auch in Deutschland, sagt das seither immer noch.

Teilweise wurde mangelnde Transparenz der VFX-Dienstleister beklagt und dass es keine ausreichende Konkurrenz zwischen großen Anbietern gebe, was die Preise nach oben treibe.

Still, »Life of Pi, © Twentieth Century Fox
Regisseur Ang Lee sagte während und nach der Produktion von »Life of Pi« immer wieder: VFX sind zu teuer.

Aber stimmt das heute noch? Schließlich wurde »Life of Pi« schon 2012 veröffentlicht, und die Player in diesem Markt sind teilweise schon ganz andere. Ein erfahrener VFX-Producer kann heutzutage zudem im Vorhinein schon eine ziemlich realistische Kostenabschätzung abgeben. Wenn es sich um einen unabhängigen VFX-Producer handelt, kann er auch die richtigen Dienstleister für den richtigen Job finden und Alternativen aufzeigen.

Dass Effekt-Häuser die Preise diktieren könnten, ist mindestens in der aktuellen Marktsituation ein klarer Irrtum. Es gibt auf dem VFX-Markt extrem viel Konkurrenz, und man muss ihn als globalen, digitalisierten Markt betrachten. Letztlich spielt es keine Rolle mehr, ob die Effekte in den USA, England, Deutschland oder Indien generiert werden. Heutzutage ist es eher die Regel als die Ausnahme,  wenn diverse Arbeitspakete über den ganzen Globus verteilt werden.

Viele Major-Studios glaubten in der Vergangenheit, sie könnten Kosten sparen und effizienter produzieren, wenn sie eigene interne VFX-Studios eröffnen. Aber das hat sich bei vielen nicht umsetzen lassen: Mittlerweile ist Sony Pictures das letzte verbleibende Major-Studio mit eigenem VFX-House — alle anderen mussten einsehen, dass das VFX-Business doch nicht ganz so einfach und profitbringend ist, wie erwartet.

Aber immer noch haftet dem Thema VFX mancherorts ein falscher Eindruck an — den man mittlerweile leicht aufklären kann.

Arbeit, Zeit und Kosten
Still, »Battleship«, Universal Studios
»Battleship« wurde von Universal Studios 2012 veröffentlicht.

Kann man einen Kinospielfilm innerhalb einer Woche mit einer Handvoll Leute drehen? Nein, natürlich nicht. Und wenn man in einem Spielfilm ganze Welten und Charaktere mithilfe von VFX erstellt und generiert, geht das eben genauso wenig. Zahllose Menschen arbeiten daran, Filme wie »Life of Pi« oder »Battleship« erst möglich zu machen — und schaffen letztlich auch die Basis für den damit verbundenen finanziellen Profit.

Es kostet also Zeit und braucht einen Haufen von Profis, um solche Dinge zu erschaffen. VFX sind ein Prozess, der letztlich dem Dreh gleicht: Es braucht Vorbereitung, Arbeitszeit und viele talentierte und erfahrene Personen. Die zugrunde liegende Formel ist simpel: Arbeitskraft x Zeit = Kosten. Was für eine Überraschung

Will man die Kosten drastisch reduzieren, wirkt sich das meist auch drastisch auf die Qualität aus: Unterdurchschnittliche Qualität der Effekte kann aber das Gesamtergebnis massiv reduzieren.

Man muss eben realistisch bleiben: Würde man das Szenenbild-Department fragen, einen Häuserblock aus dem nichts zu erschaffen — inklusive Raumeinrichtungen der Gebäude — wäre man von den Kosten kaum überrascht. Würde man dem Art-Department vorwerfen, dass Handwerker, Tischler und Maler etwas kosten? Es geht eben um eine Menge Arbeit, eine Menge Material und etliches Talent — und das hat eben einen Preis. Ganz genauso ist das eben mit VFX.

Nehmen wir das ein oder andere Filmepos der letzten 25 Jahre: Ridley Scotts »Königreich der Himmel« (2005) ebenso, wie Mel Gibsons »Braveheart« (1995). Beide wurden in mehreren Ländern gedreht, an den unterschiedlichsten Sets, mit Hunderten, ja Tausenden an Komparsen und Kostümen. Unter anderem auch deshalb, weil es 1995 noch keine überzeugende Crowd-Simulation gab, wie sie heute für Menschenmassen verwendet werden. Natürlich kosten solche Epos-Szenen viele Drehtage, mehrere Kamera-Setups und/oder ganz eigene Kamera-Units. Und genau so ist es bei einem komplexen VFX-Projekt. Dieser simple Fakt scheint aber oftmals kaum bis gar nicht präsent zu sein.


Bei »Braveheart«, der im Jahr 1995 veröffentlicht wurde, gab es noch keine überzeugende Crowd-Simulation, die Kosten entstanden also durch Unmengen von Komparsen und Kostümen.

Und nun kommt das Geheimnis, warum VFX das kosten, was sie kosten: »It takes what it takes.«

Für einen VFX-Blockbuster wie beispielsweise »Star Wars VII – Das Erwachen der Macht« (2015) bedarf es auch und vor allem in der Postproduktion zahlloser Arbeitskräfte, die zusammen über mehrere Monate hinweg arbeiten — meistens mit Überstunden, weil es oft keinen realistischen Zeitplan gab.

Es gibt aber leider keine Magie, um Zahlen oder Zeitfenster kleiner zu schrumpfen, genauso wenig wie einen Zauberspruch, um die Anzahl an benötigten Drehtagen oder die Größe der benötigten Crew kleiner zu zaubern, ohne dabei Einschränkungen oder gar Abstriche beim Ergebnis akzeptieren zu müssen. Es gibt selbst (und gerade) auch für die großen VFX-Dienstleister keinen Raum, um große Mark-Ups auf der Bank zu parken.

Natürlich sind VFX nicht günstig, die Alternativen jedoch sind in der Regel noch kostspieliger.


VFX-Breakdown einiger Szenen von »Star Wars – The Force Awakens«: High-End-VFX sind nicht günstig, aber die Alternativen sind — wenn überhaupt machbar — in der Regel eher noch kostspieliger.

Das Box-Office-Ergebnis von »Avengers Endgame« – ein Film, der ohne visuelle Effekte nicht möglich gewesen wäre – liegt bei 2.797.800.564 $ (weltweit). »Avatar« mit 2.789.968.301 $ (weltweit) ist finanziell zweiterfolgreichster Film aller Zeiten. Am Ende des Tages geben VFX also den Filmschaffenden die Möglichkeiten, einen Film zu realisieren, der sonst nicht möglich wäre. Und dadurch wird es wiederum in der Unterhaltungsindustrie möglich, Gewinne zu erwirtschaften, die es sonst nicht gegeben hätte.

Screenshot der Kinoeinnahme-Charts von Boxofficemojo.

Natürlich sind VFX nicht immer die günstigste Lösung, oft aber die einzige, die es gibt. Und im Endeffekt sind sie dann doch nicht so teuer, wenn man die Alternativen berücksichtigt.

Ein Blick auf die Top-10 Box-Office-Hits zeigt: Keiner dieser Titel wäre ohne den Einsatz von VFX auch nur annähernd möglich gewesen

Probleme in der VFX-Branche

Schon vor einigen Jahren haben sich Probleme und Veränderungen in der VFX-Branche gezeigt, die sich unter anderem auch in veränderter Technologie manifestierten (ein Beitrag bei film-tv-video.de dazu aus 2013: »What happened to post?«.)

VFX erfordern teilweise extrem hohen Zeitaufwand und sehr viele Arbeitskräfte. Unrealistische Pauschalen, Last-Minute-Änderungen und enge Zeitfenster können die Gewinnmargen weiter schmälern. Der Workload für die VFX-Studios fluktuiert extrem.

Wenn also alles gesagt und getan ist, haben viele der VFX-Studios am Ende des Jahres in der Realität oft nur haarbreite Profite oder sogar Schulden.

Innerhalb der letzten Jahre mussten viele VFX-Dienstleister in die Insolvenz gehen. So wurde etwa das VFX-Unternehmen Rhythm and Hues für »Life of Pi« mit einem Oscar prämiert, während schon das Insolvenzverfahren lief und zahlreiche Mitarbeiter um ihre letzten Gehälter bangen mussten. (Der »Hollywood Reporter« berichtete hier darüber.)

Fazit

Wer im Kino bis zum Ende des Abspanns sitzen bleibt, bekommt einen Eindruck davon, wie viel Personal für VFX im Einsatz ist. Das Ganze ist also eine aufwändige Sache, die eben auch Geld kostet, wenn die VFX realistisch und/oder eindrucksvoll wirken sollen.

HBO- und Netflix-Produktionen der letzten Jahre haben aber gezeigt, dass atemberaubende Effekte auch im Budgetbereich unterhalb von 10 Millionen möglich sind.

Unabhängig von den »Standardkosten« sind die größten Kostenerzeuger meistens zugleich die Unnötigsten: fahrlässige Fehleinschätzungen in Bezug auf Kosten, Realisierbarkeit und Zeit sowie unzureichende professionelle Betreuung während verschiedener Produktionsphasen.

Um atemberaubende VFX in low-budgetierten Projekten zu realisieren, braucht man eine umso bessere Vorbereitung. Nur dann kann man die Budgetspielräume optimal ausnutzen. Sonst können bereits kleine Fehler in der Vorbereitung und beim Dreh zu hohen (zusätzlichen) Kosten und Aufwänden während der Postproduktion führen.

Hier geht’s zu Understanding VFX – Teil 1,  Understanding VFX – Teil 2.

Understanding VFX, Juan García, Porträt
Juan García, VFX-Supervisor, VFX-Producer, Autor.
Zum Autor

Juan García ist unabhängiger VFX-Supervisor sowie VFX-Producer. Seit 2007 realisiert er Produktionen mit großen Anteilen an VFX.

Als VFX-Supervisor und Producer betreute er von Werbefilmen über TV-Produktionen bis hin zu namhaften Spielfilmen und Forschungsprojekten bereits zahlreiche, unterschiedlichste Arten von Produktionen. Unter dem Motto »Your one step for all VFX needs« gründete er im Jahr 2014 die Pixelgate Media GmbH mit dem Ziel, Kunden, Produktionsfirmen, Produzenten und Postproduktions- sowie VFX-Studios als unabhängiger Dienstleister zur Seite zu stehen.

García ist gelernter Fotomedienfachmann mit Fokus auf Digital Imaging, studierte Produktion für Film und Fernsehen in Kanada, arbeitete anschließend als Aufnahmeleiter bei der ARD (NDR/HR/WDR) und arbeitete bei Reallifefilm International GmbH zusammen mit dem VR- und S3D-Pionier Sönke Kirchhof (INVR GmbH/Berlin) im Rahmen eines Stipendiums im Haus der jungen Produzenten von Studio Hamburg.

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