Kommentar, Top-Story: 04.12.2000

Gestern BTS, heute Philips Broadcast, morgen Thomson

Es war schon lange kein Geheimnis mehr, dass der Mutterkonzern Philips das Interesse an seiner Broadcast-Abteilung verloren hatte: Kameras, Videomischer, Filmabtaster, Kreuzschienen und alles was dazu gehört, lagen den Managern des holländischen Großkonzerns nicht mehr sonderlich am Herzen. Philips, von Spöttern gern als Großbank mit angegliedertem Glühlampenladen geschmäht, hat als Konzern eine Entwicklung genommen, in deren Zusammenhang und Maßstab das Broadcast- und Telecine-Geschäft tatsächlich nur eine kleine Randrolle spielt.

Nach der Übernahme von BTS durch Philips hatte man sich noch Synergie-Effekte erhofft, hatte den Prognosen für ein explosives Wachstum des Broadcast-Marktes Glauben geschenkt und sich erhofft, dass Entwicklungen aus dem Broadcast-Bereich sich auch im Consumer-Bereich würden verwerten lassen. Dann aber kam alles anders und mancher andere Hersteller wäre schon zufrieden gewesen, hätte er auf dem europäischen Markt nur soviel Umsatz generiert, wie Philips BTS hier an Verlusten einfuhr. Genereller Tenor kritischer Beobachter war dabei des öfteren, dass man bei Philips BTS die Veränderungen des Marktes nicht rechtzeitig erkannt und teilweise an den Bedürfnissen des Marktes vorbei entwickelt habe. Eine ebenfalls oft gehörte Formel: gute Produkte, schlechte Vermarktung.

Mittlerweile hat sich Philips Broadcast verändert, konnte sich in einigen Marktsegmenten als Marktführer etablieren und ist eigentlich aus der Sicht vieler Marktbeobachter schon einige Zeit auf einem positiven Kurs.

Dennoch verkauft nun Philips seine Telecine- und Broadcast-Abteilung an Thomson. In bestimmten Bereichen hatten Philips und Thomson ohnehin schon seit längerem Seite an Seite gekämpft, etwa als es darum ging, mit einer Anti-Dumping-Klage bei der EU der japanischen Konkurrenz im Studiokamera-Bereich entgegen zu treten. Dennoch überrascht der jüngste Schachzug, waren doch in der Vergangenheit immer wieder Informationen über ganz andere Modelle der Herauslösung einzelner Bereiche oder der kompletten Übernahme von Philips Broadcast durchgesickert. Außerdem: Thomson kauft mit der Übernahme mehr Broadcast-Produkte zu, als das Unternehmen derzeit unter eigener Flagge zu bieten hat.

Dennoch hatten etliche Insider Thomson als möglichen Käufer für Philips Broadcast immer auf der Karte. Verstärkend hierfür wirkte die oft gehörte Information, dass Thomson sehr stark an der Übernahme der Grass-Valley-Produktpalette interessiert gewesen sein soll, als Tektronix sich von dieser Division trennen wollte. Auch mit dem Kauf des Objektiv-Herstellers Angenieux hat Thomson das Engagement im Film- und TV-Produktionsmarkt verbreitert.

Noch ist der Deal nicht abgeschlossen, aber es gibt eine offizielle, gemeinsame Erklärung der Unternehmen. Damit dürften die anderen Übernahme-Spekulationen für Philips Broadcast vom Tisch sein. Spannend bleibt aber, wie die Produktpaletten der bislang noch getrennten Unternehmen in den Bereichen verschmolzen werden, in denen es Überschneidungen gibt. So kann es etwa als ziemlich unwahrscheinlich gelten, dass Thomson über längere Zeit unter dem gleichen Dach zwei ganz unterschiedliche Broadcast-Kamera-Baureihen weiterführt. www-film-tv-video.de bleibt dran und berichtet.

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