Editorial, Kommentar, Top-Story: 23.11.2006

Wahrscheinlich niemals wieder

Vor kurzem ging eine Meldung durch die spielfilmaffinen Medien, in der es hieß, der legendäre George »Star Wars« Lucas wolle mit seiner Firma Lucasfilm keine Kinofilme mehr drehen. Die Kosten für einen Blockbuster lägen mittlerweile in der Größenordnung von 200 Millionen, und da sei es einfach »zu teuer und zu riskant«, fürs Kino zu produzieren. »Für dieselben 200 Millionen Dollar kann ich rund 50 bis 60 Zwei-Stunden-Filme fürs Fernsehen produzieren«, wurde Lucas zitiert. Außerdem soll er gesagt haben, die Zukunft gehöre digitalen Medien wie der DVD.

Nun ist George Lucas einiges an markigen Sprüchen zuzutrauen: Langjährige Nutzer von www.film-tv-video.de erinnern sich vielleicht noch an den Kernsatz seines Auftritts bei der NAB-Pressekonferenz von Sony im Jahr 2001: »I think I can safely say, that I will probably never ever shoot another film«, — lange Kunstpause — »on film.« Daran hat sich der äußerst erfolgreiche Geschäftsmann Lucas bislang gehalten.

Einiges an der eingangs zitierten, vermeintlich sensationellen Ankündigung fällt dagegen sofort wieder in sich zusammen, wenn man nur ein kleines bisschen genauer hinschaut. Zum einen arbeitet Lucas derzeit an drei Projekten: Einer Star-Wars-Trickfilmreihe fürs Fernsehen, dem Kino-Fliegerfilm »Red Tails« und an »Indiana Jones IV«. Lucas hat also jetzt schon ein aktuelles TV-Projekt laufen — ganz so, wie er eigentlich noch nie vor TV-Produktionen zurückschreckte — und wird noch mindestens zwei Filme ins Kino bringen, bevor er sich angeblich von der großen Leinwand verabschiedet.

Ein paar wirtschaftliche Fakten relativieren die Aussagen des Merchandising-Papstes Lucas weiter: So hat nach Informationen von Wirtschaftsdiensten die Starwars-Episode III »Die Rache der Sith« weltweit im Kino über 850 Millionen Dollar eingespielt. Das entspricht etwa dem Achtfachen der Produktionskosten — und die DVD-Einnahmen sind da noch gar nicht eingerechnet. Es kann sich also durchaus rechnen, das Risiko einer großen Produktion einzugehen.

Schwer zu glauben ist außerdem, dass George Lucas tatsächlich annehmen und sagen würde, der DVD gehöre die Zukunft. Jeder, der in der Branche arbeitet, weiß schließlich: Der DVD gehört (vielleicht noch) die Gegenwart, aber ganz sicher nicht die Zukunft. Wenn man an die Zukunft von »Packaged Media« denkt, dann hat das ganz sicher mit HD zu tun und heißt also HD-DVD, Blu-ray Disc oder noch ganz anders. Außerdem sind auch George Lucas ganz gewiss nicht die neuen Möglichkeiten dessen verborgen geblieben, was früher einmal Video-on-Demand genannt wurde: Der Abruf von Videoinhalten über verschiedenste Verteilwege. Vieles davon wird derzeit zweifellos noch hochgejazzt und zum Hype stilisiert, aber wenn man über die Zukunft redet, müsste man ein Narr sein, um diese Entwicklung zu ignorieren.

Übrigens: Ob George Lucas seine Ankündigung, nie wieder auf Film drehen zu wollen, einhalten kann, muss man auch erst noch abwarten. »Indiana Jones IV« plant George Lucas derzeit nämlich gemeinsam mit Steven Spielberg — und Spielberg soll vor ein paar Monaten geäußert haben, er selbst werde auch weiterhin alle seine Filme auf Film drehen…

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Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller
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