Branche, Top-Story: 12.11.2008

Am Ende bleibt das Fragezeichen

Das dritte Forum von »HD at Work« stand unter dem Thema »Endlich angekommen – Video in Kinoqualität?«. Die sehr gut besuchte Veranstaltung der Medien-Bildungsgesellschaft Babelsberg kombinierte im Babelsberger FX.Center Workshop, Screenings mehrerer Projekte und eine kommentierte Filmaufführung.

Die Vorteile des Films sind unübersehbar — zumindest aus der Sicht von Prof. Dietrich Sauter, der in seinem Vortrag im Schnelldurchlauf die Unterschiede von Film und HD-Video erläuterte und insbesondere den Blendenumfang als Unterscheidungskriterium hervorhob. Als Beispiel führte er die Filmmaterialien Vision 2 HD Color Scan Film 5299 und 7299 von Kodak an, mit denen sich ein Umfang von 16 Blenden realisieren lasse, was den bis zu 11 Blenden einer HD-Kamera haushoch überlegen sei. Der digitale Workflow bleibe weiter ein offenes Geheimnis, meinte Claudia Meglin (Band Pro Munich). Die Produzenten hätten vielfach kaum ausreichende Hilfestellung, um die neuen Prozesse und deren Rückwirkungen auf Personal- und Mitteleinsatz und die Zeitabläufe oder Kostenverschiebungen zwischen Produktion, Postproduktion und Distribution zu erkennen. Und so lautet auch das Resümee der freien Produktionsberaterin sehr allgemein: »Es bleibt jedem überlassen, seine Prioritäten zu setzen.«

Produzent Jörg Schulze (Cine Plus) sieht im Drehverhältnis und im Budget die Schlüssel — zumindest für das gerade abgedrehte Berlin-Porträt von Michael Ballhaus und Ciro Cappellari (siehe Meldung). Auf Film wären 120 bis 130 Stunden Rohmaterial für den interviewlastigen Dokumentarfilm nicht finanzierbar gewesen. Mit dem kleinen bandlosen Sony-Camcorder EX1 »konnten wir die 20 Protagonisten sehr nahe und intensiv verfolgen«, erläuterte Regisseur Cappellari. Für Stadtansichten wurde eine F23 von Sony gebucht. Das Ergebnis sei — auch aus Sicht des Budgets — für »diese Art von Dokumentarfilm das Beste«, ergänzte Ballhaus.

Ähnliche Konstellationen und weitaus höheren Materialanfall kalkulierte Regisseur Volker Heise für das TV-Projekt »24h Berlin« (siehe Videoreport), das den Screening-Teil einleitete. Da begann »die Arbeit mit der Materialverwaltung lange vor dem Dreh«. Zwei Monate nach dem Dreh habe man bisher rund 60 % des Materials umformatiert. Man dürfe nicht »der Illusion erliegen, dass digitale Postproduktion schneller geht« — nicht nur wegen des Berliner Bilderbergs. Auf die Zeitschiene wirke unter anderem die bislang fehlende Möglichkeit zur nativen Übernahme des XDCAM HD 422-Materials ins Avid-System. Die clip-basierte Datenstruktur der Camcorder PMW-EX1 und PDW-700 habe sich für dieses Projekt letztlich als ungeeignet erwiesen: »Wir hängen jetzt Clips zu Sequenzen zusammen«, so Heise. Die digitale Technik ebne jedoch den Weg für neue Erzählformen: Das werden aus Sicht des Grimme-Preisträgers aber »keine Filme und kein Buch, sondern eine Fernsehserie« sein.

Unterschiedliche, vorwiegend dokumentarische Projekte wurden bei den weiteren Arbeitsberichten vorgestellt. So sah sich Produzent Daniel Petry (Context TV) in der Situation, innerhalb von 24 Stunden einen aufwändigen Dreh mit hohem Unterwasser-Anteil zu organisieren. Für »The Ghost Fleet of Bikini Atoll« wurden eilends die eigenen Ikegami-Editcams eingeflogen. In einem Tauchboot und Unterwasser-Robotern, die Teil der Spezialausrüstung der von Microsoft-Mitgründer Paul Allen zur Verfügung gestellten Forschungsyacht waren, fand Petry Sony-Geräte unterschiedlicher Leistung vor. Ausfälle waren nach seinen Angaben beim Dreh nicht festzustellen. Gespeichert wurde auf 500-GB-Festplatten. Eine schöne Aufgabe für die Post …

Für den Dokumentarfilm »Bartoks Requiem«, gedreht von Kameramann Peter Badel mit HDCAM (10 Bit, unkomprimiert), berichtete Produzent Olaf Jacobs (Hoferichter & Jacobs) weniger Erfreuliches. Pixelfehler konnten während der Dreharbeiten in Rumänien aufgrund der Arbeitssituation nicht erkannt werden. Neben Problemen beim Rendering gab es im Übergang vom Offline- zum Online-Schnitt Abweichungen um zwei bis drei Frames.

Dass die frühzeitige Planung des gesamten Workflows essenziell ist, musste Kameramann Volker Langhoff erfahren. Bei der Bearbeitung von D20-Material (HDCAM SR, HQ-Modus) mit Adobe Premiere für einen 30sekündigen Kinowerbespot traten Farb- und Kontraständerungen auf, der Timecode musste nachgearbeitet werden. Gleichwohl äußerte sich Langhoff versöhnlich: »Unter kontrollierten Studio-Bedingungen, wenn ich das Kontrastverhältnis beeinflussen kann«, ist HD aus seiner Sicht ein ein gutes Werkzeug — und in Verbindung mit digitalen Effekten sicher besser als Film.

Eher abträglich, aber der Budgetsituation geschuldet, erwiesen sich 16-Millimeter-Optiken vor der Red One, berichtete Kamerastudent Tom Akinleminu über den Regie-Diplomfilm der DFFB »Ich hole meine Cousins«. Er berichtete weiter auch von Kamera-Aussetzern, als er beim Handeinsatz mit dem Körper an eine Wand anstieß.

Dass beim HD-Dreh fast alles »Einstellungssache« ist, illustrierten Kameramann Kaspar Köpcke und Postproduction-Mann Gunter Puszkar (PostFactory). Für den gerade im Kino gestarteten Dokumentarfilm »Gerdas Schweigen« wurde das Gamma des HDW-F900/3 flach gehalten, nur für wenige Nachtszenen wurden die Einstellungen geändert. Probleme gab es weniger mit der Integration von Archivszenen die auf U-matic, Betacam SP und anderen SD-Medien vorlagen, als mit vorab von einem anderen Kameramann mit voll aufgedrehtem Detail gedrehten Bildern, die Unterschiede konnten in der Post nicht ausgeglichen werden.

Auf die Veranstaltungsfrage »Endlich angekommen – Video in Kinoqualität?« gibt es also letztlich viele unterschiedliche Antworten und noch mehr neue Fragen. »Ich glaube, dass wir am Ende des Tages das Fragezeichen nicht löschen können« resümiert Prof. Dietrich Sauter. Die Themen für weitere Events dieser Art dürften so schnell nicht ausgehen.