Messe: 20.04.2007

NAB2007: Rote Verheißung — Red Digital Cinema

Red Digital Cinema war die Überraschung der vergangenen NAB und ist seither ein »Must See« jeder Film- und Broadcast-Messe. Einem Geheimbund gleich, versammeln sich seither bei Messen die Fans der Firma zum Götzendienst im roten Zelt und huldigen der 4K-Kamera Red, von der Red Digital Cinema im kommenden Sommer die ersten Geräte ausliefern will. www.film-tv-video.de sprach mit Ted Schilowitz, einem der Mitgründer des Unternehmens.

Wenn Firmenchef Jim Jannard ruft, kommen die Jünger in Scharen um sich die 4K-Kamera anzusehen, die Red Digital Cinema derzeit entwickelt und noch in diesem Jahr ausliefern will. Die Geschichte hinter der Red-Kamera in aller Kürze: Jim Jannard, Gründer des Sonnenbrillenimperiums Oakley, gründete gemeinsam mit einigen Branchen-Veteranen vor gut eineinhalb Jahren die Firma Red Digital Cinema — mit dem Ziel, eine digitale Filmkamera zu entwickeln, die die Film- und Videowelt revolutionieren soll. Das Marketing des Unternehmens trifft ganz offenbar den Nerv vieler in der Branche: Eine lange Menschenschlange, die phasenweise einmal komplett um den Stand herumreichte, begehrte beständig Einlass in den roten Tempel, um im Vorraum funktionsfähige Prototypen der Kamera und im Allerheiligsten Demomaterial zu sehen, das laut Firmenangaben unter der Regie von Peter »Herr der Ringe« Jackson mit der Red-Kamera aufgenommen wurde.

Eckdaten

Die Kamera ist laut Hersteller mit einem CMOS-Sensor bestückt, der 4.520 x 2.540 aktive Pixel nutzt, um progressive Bilder in den Formaten 2540p, 4K, 2K, 1080p oder 720p zu erzeugen. Bei höchster Auflösung sollen Bildraten von 1 bis 60 fps möglich sein, bei niedrigeren Auflösungen, wenn nur ein Ausschnitt des Sensors ausgelesen und für die Bilderzeugung genutzt wird, sollen sogar Bildraten bis 120 fps möglich sein — immer noch in 2K Auflösung oder in 720p. Die Aufzeichnung soll auf eine Festplatte namens Red-Drive mit 40 bis 160 GB Kapazität erfolgen oder in einen RAM-Recorder mit 32 bis 128 GB Kapazität, der Red-Flash heißen soll.

Als Codec, um die vom Sensor ausgelesenen Bilder im Datenmode verarbeiten zu können, soll Red-Code zum Einsatz kommen, ein wavelet-basiertes Kompressionsverfahren, das mit variabler Bitrate arbeitet. Die Bilder sollen wahlweise mit 10 Bit und 4:2:2 verarbeitet werden oder mit 10 Bit log und 4:4:4.

Auch eine eigene Objektiv-Baureihe und einen eigenen Sucher will Red für seine Kamera anbieten.

Hintergründe

Red Digital Cinema auf diese Eckdaten zu reduzieren hieße, den interessantesten Teil der Geschichte zu unterschlagen: Selten hat eine Firma in dieser Branche für so viel Aufruhr gesorgt wie Red (siehe NAB2006-Meldung). Warum? Vielleicht, weil Red Digital Cinema unkonventionell, großspurig, provokativ und möglichst extrem auftritt. Vielleicht, weil man nicht so recht glauben kann, dass es einer zwar finanziell gut ausgestatteten, aber dennoch kleinen Firma wie Red gelingen wird, die Großen wie Sony, Panasonic oder Grass Valley und die Erfahrenen wie Arri mit einer leistungsfähigen und dennoch günstigen Kamera in den Schatten zu stellen. Und vielleicht auch deshalb, weil Red Digital Cinema ein ungewöhnliches Anzahlungs- und Reservierungsmodell für die Kamera wählte: Wer vorbestellt, muss pro bestellter Kamera 1.000 Dollar anzahlen. Zum Start der Messe lagen bei Red nach Firmenangaben schon rund 1.500 Bestellungen vor, zum Messe-Ende sollen es mehr als 1.800 gewesen sein: Eine ziemlich hohe Stückzahl für eine Digital-Film-Kamera.

Wer vorbestellt und anbezahlt hat, der erhält die Kamera für 17.500 Dollar, geliefert wird streng in der Reihenfolge des Reservierungseingangs, so Red.

Worin auch immer der Hype um Red seine wahre Wurzel hat und wie auch immer man zu Red Digital Cinema steht: Fakt ist, dass es der Firma gelungen ist, zur NAB2007 — nur ein Jahr nach den ersten Ankündigungen — erste funktionsfähige Muster inklusive Objektiv und Zubehör, sowie eine beeindruckende Testproduktion zu zeigen. Bis zu zwei Stunden warteten während der NAB2007 täglich Hunderte von Messebesuchern, um einen Platz in dem kleinen Kinosaal am Red-Stand zu ergattern. Dort präsentierte Red mit Sonys 4K-Projektor einen Kurzfilm, den Peter Jackson nach Firmenangaben mit den ersten funktionsfähigen Red-Kameras, die das Unternehmen »Boris« und »Natascha« getauft hat, in nur zwei Tagen in 4K gedreht, geschnitten und bei Weta Digital in Neuseeland farbkorrigiert hat. Dabei setzte Jackson laut Red S4-Optiken von Cooke und Optimo-Optiken von Angénieux ein.

Aktueller Stand

Ted Schilowitz, Mitgründer von Red Digital Cinema, kündigte während der NAB2007 an, dass schon ab Mai 2007 die ersten Red-Kameras ausgeliefert würden, andere Mitarbeiter nannten auch mal Juni oder Juli als Lieferstart. So der so: Die ersten Reds werden laut Ted Shilowitz noch nicht den vollen Funktionsumfang haben. Im Verlauf der folgenden Monate will Red Digital Cinema das Leistungsspektrum der Kamera dann schrittweise aufstocken und schon diesen Sommer soll die Kamera in größeren Stückzahlen ausgeliefert werden, so Ted Schilowitz.

Beim Zubehör präsentierte Red zur NAB2007 nun einen Sucher, dessen Innenleben Insider schon kennen: Es ist der von Accuscene entwickelte Viewfinder, über den film-tv-video.de erstmals schon während der NAB2003 berichtet hatte (siehe Meldung). Diese Firma hat Red Digital Cinema gekauft und der schottische Firmengründer Mackintosh erzählt dazu die folgende Geschichte: »Jim Jannard sagte zu mir: Ich finde deinen Sucher gut. Kann ich Deine Firma kaufen?« Jetzt bietet Red den weiterentwickelten Single-Piece-Sucher für rund 3.000 Dollar an.

Weiteres Zubehör wie etwa zahlreiche Griffe, Stützen und Platten sowie Einschübe und Aufsätze für Red-Drives und Akkus zeigte Red Digital Cinema ebenfalls. Die angekündigte Objektivbaureihe gibt nach wie vor Rätsel auf, auch deshalb, weil Red Digital Cinema nicht sagt, wer die Objektive für Red baut und entwirft und weil die avisierten Preise bei etwa einem Zehntel des momentan im Markt üblichen liegen. Schilowitz sagt dazu lediglich: »It’s all red«. Red gab jedoch bekannt, dass sich die Verfügbarkeit des ursprünglich geplanten Zoomobjektivs verzögern wird. Statt dessen ist schon jetzt ein Objektiv mit dem Brennweitenbereich 18 – 50 mm und T 2.8 verfügbar, das für rund 6.500 Dollar in der Liste steht. Einen Satz mit sechs Festbrennweiten zwischen 15 und 80 mm hat Red Digital Cinema ebenfalls angekündigt.

Für die Nachbearbeitung von Material, das mit Red gedreht wurde, stehen derzeit lediglich zwei Systeme zur Verfügung: Nur Final Cut Pro von Apple und Scratch von Assimilate können nach Angaben der Hersteller direkt mit Red-Daten arbeiten. In allen anderen Fällen muss zuerst die von Assimilate entwickelte und von Red angebotene Software Red-Cine zum Einsatz kommen, die neben der Wiedergabe auch die Umwandlung von Red-Raw-Daten im Format .jim in andere Datei-Formate ermöglicht.

Und jetzt?

Die kommenden Monate werden zeigen, ob es Red Digital Cinema tatsächlich schaffen wird, die nun schon mehr als 1.800 Reservierungen für die Red-Kamera zügig abzuarbeiten und die Kamera auszuliefern. Es liegen auch einige Reservierungen aus Deutschland vor, unter anderem vom Ludwig Kameraverleih. Vielleicht liegen ja schon bald konkrete Praxiserfahrungen auf breiterer Basis vor. Die IBC in Amsterdam dürfte eine gute Gelegenheit sein, den aktuellen Entwicklungsstand abzufragen.

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