Messe: 28.04.2006

NAB2006: Red One — das Konzept einer Digital-Cinema-Kamera

Ja, es gibt sie auch während dieser NAB: Stände, an denen »Presenter«, »Experts« und »Product Specialists« alle zusammen »very excited« sind und sehr viel heiße Luft produzieren, während sie über ein Produkt schwadronieren, von dem in Wahrheit kaum mehr als erste Pläne existieren. Ob Red Digital Cinema dazugehört, darüber gehen die Ansichten auseinander. Sehr viel zeigen kann oder will die Firma von ihrer geplanten Digital-Cinema-Kamera Red One jedenfalls nicht: Es bleibt zumindest vorerst bei ein paar Charts, Slides und Modellen sowie Hochglanzbroschüren.

Es gibt bei Red Digital Cinema ein paar Fragezeichen und Ungereimtheiten zuviel, um ganz unvoreingenommen über das neue Konzept der Kamera Red One berichten zu können. Da passt es ganz gut, dass ein CMOS-Sensor namens »Mysterium« das Herz der Kamera ist.

Dieser Chip hat laut Red Digital die Abmessungen des Super-35-Bildfensters (24,4 x 13,7 mm) und weist 12 Millionen Bildpunkte auf: 4.520 x 2.540 aktive Pixel nutzt Mysterium demnach, um progressive Bilder in den Formaten 2540p, 4K, 2K, 1080p, 1080i oder 720P zu erzeugen. Bei höchster Auflösung sollen Bildraten von 1 bis 60 fps möglich sein, bei niedrigeren Auflösungen, wenn nur ein Ausschnitt des Sensors ausgelesen und für die Bildererzeugung genutzt wird, sollen sogar Bildraten bis 120 fps möglich sein — immer noch in 2K Auflösung oder in 720p.

Die Aufzeichnung soll auf eine Festplatte namens Red-Drive mit 40 bis 160 GB Kapazität erfolgen oder in einen RAM-Recorder mit 32 bis 128 GB Kapazität, der Red-Flash heißen soll.

Als Codec, um die vom Sensor ausgelesenen Bilder im Datenmode verarbeiten zu können, soll Red-Code zum Einsatz kommen, ein wavelet-basiertes Kompressionsverfahren, das mit variabler Bitrate arbeitet. Die Bilder sollen wahlweise mit 10 Bit und 4:2:2 verarbeitet werden oder mit 10 Bit log und 4:4:4. Auch verschiedene Videosignale soll die Kamera ausgeben können.

Die Kamera soll mit einem LCD-Schirm als Sucher bestückt werden, also keinen optischen Sucher aufweisen. Diverses Zubehör ist laut Red Digital Cinema ebenfalls geplant, darunter auch eigene Objektive, die mit dem Body per PL-Mount verbunden werden sowie verschiedene Metallrahmen, die die Kamera aufnehmen und an denen sich Griffe und Zubehör befestigen lassen. Optional soll die Kamera auch ein B4-Bajonett bieten.

Die Mockups und Modelle der nackten Kamera, die am Stand in verglasten Vitrinen zu sehen waren, maßen ohne Objektiv geschätzte 25 bis 30 cm in der Länge und 15 bis 20 cm im Durchmesser.

Sollte es später einen besseren Sensor als den »Mysterium« geben, lasse sich dieser austauschen, so Red Digital Cinema. Zuvor muss es die Kamera aber erst mal geben: Ein »Working Sample« soll bis Ende 2006 fertig werden, Anfang 2007 will man dann schon lieferbereit sein.

Kosten soll die Red One gerade mal schlappe 17.500 US-Dollar, ein Schnäppchen im Vergleich zu allen anderen Digital-Cinema-Kameras: Red One würde damit von den Eckdaten alles schlagen, was Panavision Genesis, Dalsa Origin, Arri D20 oder Sony NGC-23 heißt. Es gibt allerdings einen kleinen Haken: Wer zu den ersten RedOne-Kamerabesitzern gehören will, der muss schon jetzt seine Kreditkarte zücken und vorab 1.000 Dollar bezahlen. Mehr als 200 Leute sollen das während der NAB schon getan haben — Las Vegas ist eben die Stadt der Zocker und ganz sicher tun denen, die das getan haben, der Verlust von 1.000 Dollar auch nicht weh.

Doch die Frage sei erlaubt: Wieso braucht Red Digital Cinema den Vorschuss von seinen zukünftigen Kunden? Schließlich steckt hinter der Firma ein Mann, der genug finanzielle Ressourcen besitzt, um ein solches Projekt locker aus privater Tasche zu stemmen, ohne vorher um Vorschuss bitten zu müssen: Jim Jennard hat mit Oakley-Sonnbrillen ein so großes Vermögen aufgebaut, dass er auf den Listen der reichsten Amerikaner geführt wird. Er soll eine Affinität zu Kameras haben und eine riesige Sammlung besitzen. Aber ob das für die Entwicklung einer Digital-Cinema-Kamera reicht?

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