Branche: 21.02.2011

Berlinale: Goldener Bär für mit iPhone gedrehten Kurzfilm aus Korea

Der komplett mit dem iPhone 4 gedrehte koreanische Kurzfilm »Paranmanjang« wurde bei der Berlinale 2011 mit dem Goldenen Bären als bester Kurzfilm des Festivals ausgezeichnet.

Das ist der Traum aller Berufsanfänger und Indie-Filmer: Mit dem Handy drehten die koreanischen Brüder Park Chan-wook und Park Chan-kyong einen Kurzfilm, den die Internationale Kurzfilmjury der Berlinale, besetzt mit Nan Goldin (USA), Renen Schorr (Israel) und Ibrahim Letaief (Tunesien) mit dem goldenen Bären prämierte, also der höchsten Auszeichnung dieser Festivalkategorie.

Inhalt

»Paranmanjang«, mit englischem Titel »Night Fishing«, ist ein Kunstfilm, der eine surreale, vielschichtige, mehrfach ineinander verwobene Geschichte aus drei Teilen erzählt. Der Film fängt an wie ein Musikclip für die zumindest in Europa eher unbekannte, koreanische Avantgarde-Popband »Uhuboo Project«, im Mittelteil erzählt er dann die Geschichte eines Mannes, der das im ersten Teil angespielte Lied der Band summt, als er zum nächtlichen Angeln aufbricht. Im Lauf der Nacht ertrinkt der Mann und tritt in eine fremdartige, mythisch-mystische Zwischenwelt ein — aber vielleicht ist es auch andersrum. Aus der Zwischenwelt der Untoten soll ihn schließlich ein schamanisches Ritual befreien, das seine Familie im dritten Teil des Filmes durchführen lässt.

Das klingt alles ein bisschen befremdlich, schwer verständlich und seltsam — und so ist es auch: Das hier Wiedergegebene ist ganz sicher nur eine der vielen möglichen Deutungen dieses geheimnis- und phantasievollen Werks. Vielleicht haben Park Chan-wook und Park Chan-kyong damit so etwas wie »Un chien andalou« für Korea gedreht — auch wenn er sich von diesem sehr stark unterscheidet.

Ein Trailer des 30minütigen Kurzfilms »Paranmanjang«.
Technik

Wie aber sieht ein mit dem iPhone 4 gedrehter Film aus technischer Sicht auf der Kinoleinwand aus? Natürlich gibt es einen riesigen, deutlich sichtbaren Qualitätsunterschied zu Aufnahmen, die mit Film oder hochwertigen Digitalkameras aufgenommen wurden: Wer etwas anderes behauptet, sollte dringend einen Augenarzt aufsuchen.

Aber um ehrlich zu sein: Ganz so grausam, wie man hätte befürchten können, war es dann auch wieder nicht. Vielleicht ist das iPhone 4 so etwas wie die moderne Super-8-Kamera: Im Grunde nicht fürs Kino gedacht, aber bei bestimmten Sujets durchaus auch mal auf der großen Leinwand akzeptabel. Bei »Paranmanjang«, wo auch große Teile des Films in einer Art »Nachtsichtgeräte-Look« spielen, passen die unter diesen Drehbedingungen verrauschten, entsättigten, farbstichigen Bilder ganz gut.

Nicht vergessen sollte man allerdings auch, dass »Paranmanjang« im Unterschied zu geschätzten 99,9 % aller anderen Handyfilme mit vergleichsweise großem Aufwand gedreht und auch intensiv nachbearbeitet wurde. Hier liegt ein Schlüssel dieser Produktion: Es wurde zwar das gleiche Aufnahmegerät verwendet, das heute viele Privatmenschen in den Händen halten, aber dieser Film besteht trotzdem nicht aus Schnappschüssen, sondern er wurde geplant, inszeniert und nachbearbeitet wie ein »richtiger« Film.

Der Aufwand an Personal und Technik wird im folgenden koreanischen Making-of-Video deutlich.

Ein Trailer des 30minütigen Kurzfilms »Paranmanjang«.
Damm gebrochen

Nachdem nun also der erste Handyfilm bei einem A-Festival der Kinowelt den ersten Preis in der Kurzfilmkategorie gewonnen hat — auch gegen Konkurrenz, die technisch absolut brillant war — dürfte der Damm gebrochen sein: Nun wird eine Flut von Handyfilmen neue Wege suchen, die ihnen bisher versperrt schienen.

Gleichzeitig gibt es aber auch keine Ausrede mehr: Jeder der ein Handy besitzt, das ungefähr die Bildqualität eines iPhone 4 aufweist, könnte damit nun theoretisch einen Festival-Preisträger drehen. Aber vielleicht auch nicht? Vielleicht sind eben doch Phantasie und Besessenheit wichtiger, um im Filmbereich zu reüssieren, als das richtige Handy zu besitzen?

Britisches Hintergrundvideo