Live, Sport, Top-Story: 01.12.2022

WM in Katar: Fußball aus der Wüste

ARD und ZDF berichten umfassend über die WM aus Katar – und setzen dabei auf Remote-Konzepte und neue Technologien. Ein Überblick.






@Screenshot ARD
So sehen die Sony-FX-Bilder aus.
ARD-Technik an den Venues: Simplylive und FX9/FX3

Die ARD hat sich für ein redaktionelles Konzept entschieden, das in der Vorrunde jeweils eines von vier Spielen als »Spiel des Tages« besonders hervorhebt. Auf einen eigenen Ü-Wagen vor Ort verzichtet der Sender aber auch bei diesem Topspiel. Steffen Kretz, SWR, Technischer Leiter IBC, erläutert, dass man stattdessen mit Flightcase-Technik arbeite, die man im SWR teilweise schon einsetze.

©SWR, Thomas Koch
Die Simplylive-Box am Venue.

Für die Bildproduktion nutzt der SWR hierbei Simplylive, ein rein software-basiertes System, das mehrere Workflows in einem System mit Touch-Funktionalität in einer »ViBox« integriert und die Handhabung mehrerer Quellen, Replays, Grafikeffekte und mehr erlaubt. Das System ist beim SWR bereits seit längerem im Einsatz.

»Mischer- und Replay-Funktionen in einem System zu haben, hielten wir für die Produktion kleinerer Sport-Events für sehr interessant und hatten Simplylive dafür auch schon im Einsatz. Daraus entstand dann die Idee, mit so einem System einen Ü-Wagen in Katar zu ersetzen«, erklärt Steffen Kretz.

Steffen Kretz, SWR, Technischer Leiter IBC.

Der SWR erweiterte dafür sein vorhandenes Simplylive-System und nutzt für die Signalverteilung am Venue in Katar nun Mediornet von Riedel.

Konkret sieht der Workflow so aus: »Wir mieten von HBS eine Technikkabine, dort ist eine ‚Stagebox‘ von Riedel Mediornet installiert.

@ARD Screenshot
Der ARD-Livestream.

An diversen Positionen platzieren wir Stageboxen: einmal im CIR (Cable Interconnection Room), dem HBS-Übergaberaum am Stadion, sowie an den Positionen, an denen wir Kameras im Stadion aufbauen. Das wird am Spielfeldrand sein sowie auf der Presentation Platform und in einem TV-Studio in den Kellerräumen des Stadions. All das ist per Glasfaser miteinander verbunden – wir können die Signale also zentral per Simplylive bearbeiten.« Die dafür notwendige Glasfaserverkabelung am Venue stellt der Host bereit. Ein zweites Simplylive-System steht aus Redundanzgründen vor Ort bereit.

Das Simplylive-System kann zudem auch alle Kamerapositionen an den Venues aufzeichnen. Das hat insbesondere nach dem Spiel Vorteile, denn dann finden Interviews auch oft parallel statt. »Diese Interviews können wir nach der Aufzeichnung nach Deutschland überspielen oder zeitversetzt senden«, so Steffen Kretz.

©ZDF und Mateusz Smolka
Jochen Breyer bei Dreharbeiten im Al-Bayt-Stadion in Doha.

Eine weitere Neuheit betrifft die Kameras, denn die ARD hat in Katar von Sony drei FX9- und zwei FX3-Kameras auf Gimbals im Gepäck. Lediglich an den Flash-Interview-Positionen arbeitet die ARD noch mit einer klassischen EB-Kamera, die über eine Stagebox an das Simplylive System angebunden ist.

©SWR, Thomas Koch
Sony FX9 …

Die kompakten FX9/FX3-Kameras der Sony Cinema Line sind mit Vollformat Sensoren bestückt und können Bilder im Filmlook direkt vom Spielfeldrand liefern. Wenn Esther Sedlaczek mit Sebastian Schweinsteiger spricht, könnte es also filmreife Bilder geben …

©SWR, Thomas Koch
… und FX3 sind im Einsatz.

»Mit der FX3 soll auch etwas Bewegung in die Inszenierung kommen. Während die FX9 fest auf dem Stativ an der Pitch-Side, auf der Presentation Platform und im TV-Interview-Studio installiert wird, soll die FX3 auf dem Gimbal für etwas mehr Dynamik sorgen«, erläutert Tobias Wallentin.

Beim Personal kalkuliert die ARD auch beim »Match of the Day« am Venue eher knapp. Im Technik-Container sitzen ein Toningenieur, eine Bildingenieurin, ein Regisseur, der auch die Kameras über die Touch-Oberfläche von Simplylive schneidet, zwei Redakteure, 1 x Kommando-Ingenieur und der Technische Leiter. Die Bildingenieurin übernimmt zudem die Zuspielungen der aufgezeichneten Interviews und überspielten Analysen aus Simplylive. Die Positionen im Stadion werden von zwei Kameraleuten und zwei Tontechnikern betreut.

Für die Kommunikation an den Venues arbeitet die ARD mit Riedel Bolero.

Für die Kommunikation an den Venues arbeitet die ARD mit Riedel Bolero, weiter ist jeweils Riedel Artist mit 32 analogen und 16 intelligenten Ports und ein Digico SD8-Mischpult im Einsatz

»Das Digico-Pult ist audioseitig das Pendant zum Simplylive-System«, erläutert Steffen Kretz.

»Das Digico-Pult ist audioseitig das Pendant zum Simplylive-System, damit realisieren wir die Tonmischung. Dank der Kreuzschienen-Funktionalität von Riedel Mediornet haben wir die Chance, von den Stageboxen die analogen und die AES-Signale etc. über eine Madi-Schnittstelle in der Technical Cabin auf das Digico-Pult zu legen«, erläutert Steffen Kretz. An jeder Stagebox finden sich auch Anschlüsse, um bis zu drei Kamerasignale anzuschließen, damit sie zu den Eingängen des Simplylive-Systems gelangen. Zudem gibt es zwei Wege in die andere Richtung, um ein Rückbild aus Deutschland und das Endbild des SimplyLive Systems am Set sehen zu können. Die Anbindung für die Drahtlosmikrofone und In-Ears sind ebenfalls in die Stageboxen verbaut.

@Nonkonform
Insgesamt gibt es elf LiveU-Teams, die für ARD und ZDF in Doha unterwegs sind.

Bei den anderen bisher bekannten beiden Spielen der ARD-Tage bedient sich der Sender aus dem HBS-Signal-Pool, arbeitet mit dem Kommentator vor Ort, zusätzlich wird es EB-Teams im Stadion geben. »Interviews vor Ort können wir bei diesen Spielen mit gebuchten Positionen von HBS realisieren oder aber mit unseren LiveU-Systemen und diese Interviews direkt nach Deutschland senden.

Insgesamt gibt es übrigens elf LiveU-Teams, die für ARD und ZDF in Doha unterwegs sind. Deren Material wird aus den Systemen direkt auf die LiveU-Server im NBC in Mainz übertragen.

Lediglich bei den Deutschland-Spielen produziert das ZDF unilaterale Signale, erläutert Florian Rathgeber.
ZDF-Technik an den Venues

Das ZDF verfolgt im Unterschied zur ARD ein anderes Redaktionskonzept und greift für seine Berichterstattung auf das Signalangebot des Hosts zu. Lediglich bei den Deutschland-Spielen wird das ZDF unilaterale Signale produzieren. In der Vorrunde war das ZDF nur für das Spiel Deutschland-Spanien verantwortlich – und arbeitete hierfür mit einem lokalen Dienstleister aus Dubai, um die unilateralen Signale zu produzieren. »Der Ü-Wagen aus Dubai kommt mit einem Audio- und Video-Guarantee und einem Technischen Leiter, die operativen Kräfte fliegen wir aus Deutschland ein«, so Florian Rathgeber.

Das ZDF setzt an den Venues etliche LiveU LU600-Systeme ein.

Kommt die deutsche Mannschaft weiter, wird das ZDF im Achtelfinale und im Halbfinale noch zwei weitere Deutschland-Spiele mit dem Dienstleister aus Dubai umsetzen. »Alle anderen Spiele statten wir mit buchbaren HBS-Positionen aus«, erläutert Florian Rathgeber.

Christopher Heintze ergänzt: »Die klassisch abgewickelten Spiele ohne unilaterale Technik ergänzen wir um LiveU-EB-Einheiten, bestehend aus ZDF-EB-Kameras und LU600 LiveU-Systemen. Damit realisieren wir beispielsweise auch die Aufsagerpositionen vor dem Stadion.«

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