Branche, Top-Story: 08.03.2002

Postmodern

In Hamburg öffnete Anfang März 2002 das neue Postproduction-Haus »The Posthouse« seine Pforten. Im Gespräch mit www.film-tv-video.de erläuterte Chief Technical Officer (CTO) Jürgen Kantenwein das technische Konzept der neuen Facility.

B_0302_TPH_KantenweinJürgen Kantenwein, 41, ist als Chief Technology Officer bei The Posthouse für Technologie, Research und Projektentwicklung zuständig.

? The Posthouse geht in diesem Jahr in Hamburg als komplett neu aufgesetztes Postproduktionshaus an den Start, die komplette Technik des Hauses wird also von Grund auf neu installiert. Welche Möglichkeiten ergeben sich aus einem solchen Neustart für Sie aus technischer Sicht?

JÜRGEN KANTENWEIN: Eine vollständige Auflistung der Möglichkeiten ist in der Kürze natürlich nicht möglich, aber unsere wichtigstes Ausstattungsmerkmal ist aus meiner Sicht unsere komplette HD-Infrastruktur. Wir sind komplett HD-Echtzeit und können über verschiedene Netzwerke Daten in beliebiger Auflösung zwischen allen Servicebereichen teilen.

? Gerade im IT-Bereich unterliegt die Technik einem raschen Wandel. Kann man das bei der Konzeption schon einplanen? Wie sorgt man für Flexibilität auf der technischen Seite?

JÜRGEN KANTENWEIN: Der Wandel im Investitionsgüterbereich beim High Performance Visual Supercomputing, wo ja unsere Anlagen liegen, ist planbar und kann durch die Wahl der Technologiepartner und lange Erfahrung gut konzipiert und skaliert werden. Die Partner hier agieren weltweit und die Systeme sind offen und modular aufgebaut.

? Sie setzen im FX-Bereich komplett auf Discreet-Systeme, darunter Inferno und Flame. Welche Vorteile ergeben sich für Sie daraus, was sind die Hintergründe für diese Entscheidung?

JÜRGEN KANTENWEIN: Um nur einige Vorteile zu nennen: Die Systeme bieten eine exzellente Performance, sie haben eine offene Architektur, bieten ein etabliertes Interface und werden ständig weiterentwickelt. Zudem sind sie skalierbar, was für uns sehr wichtig ist, und lassen sich gut in unseren Workflow integrieren. Wir nutzen aber natürlich auch noch Software anderer Hersteller.

? Werden Sie im Color Grading mit der Colossus-Lösung von 5D arbeiten, die Peter Doyle bei »Lord of the Rings« (LOTR) in Ihrer Niederlassung in Wellington/Neuseeland verwendet hat? (Siehe auch Bericht hierüber in der Info-Zone von www.film-tv-video.de.)

JÜRGEN KANTENWEIN: The Posthouse Ltd. verwendet nicht das Colossus System, wir haben lediglich mit Colorfront an der Entwicklung gearbeitet. Benutzt wird jedoch eine Irix-Version des Systems. Wir verwenden außerdem zusätzliche Tools für Compositing und die Jobverwaltung, die zum größten Teil selbst erstellt sind.

? Wird die bei LOTR praktizierte Arbeitsweise und die dort eingesetzte Postpro-Technik gleich oder ähnlich auch in Hamburg aufgebaut und umgesetzt?

JÜRGEN KANTENWEIN: Die Erfahrungen von LOTR waren in Hamburg wichtige Entscheidungshilfe. Systemkonfigurationen sind geplant und können für den Feature-Bereich bei Bedarf kurzfristig umgesetzt werden. Hamburg ist aber eine werbeorientierte Fullservice-Postproduction, die Workflows sind hier anders als bei großen Filmprojekten.

? Sie haben sich in der Filmabtastung für den Vialta-Filmabtaster von Sony entschieden. Was gab den Ausschlag für diese Entscheidung? Wo sehen Sie für Ihre Anwendung die Vorteile gegenüber anderen Filmabtastern?

JÜRGEN KANTENWEIN: Wir haben die Entwicklung der Filmabtaster-Technologie bei Sony seit sechs Jahren verfolgt und uns auf der NAB die jeweiligen Fortschritte angeschaut. Doch erst vorletztes Jahr begann es für uns interessant zu werden und wir fingen an, das Sony-System ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Nach der eingehenden Prüfung aller Filmabtaster sowie einem subjektiven Bildvergleich fiel dann auf der NAB 2001 die endgültige Entscheidung zugunsten der Vialta Telecine FVS-1000, da sie mit einigem Abstand zu den Wettbewerbern das beste Bild am Markt liefert. Alle von uns rund vier Monate lang getesteten Filmabtaster-Systeme beruhten auf den neuesten Entwicklungen und kamen sich qualitativ und technologisch sehr nahe, doch letztendlich waren die Abstände zwischen den jeweils erzielten Bildern recht groß. Die Qualität der digitalen Erfassung von Filmbildern bestimmt in entscheidendem Maß darüber, welche Ergebnisse bei allen nachfolgenden Prozessen erzielt werden, und deshalb haben wir uns für Sonys Vialta entschieden. Im Verbund mit dem Picasso-Color-Grading-System können wir gleichzeitig alle Vorteile eines Scanners und einer disk-basierenden Color-Grading-Suite anbieten, also Realtime mit Random Access.

? Wie beurteilen Sie die 24P-Technik und die bisher damit realisierten Projekte? Sehen Sie für dieses Format auch eine erfolgreiche Zukunft im Werbebereich? Was fehlt aus Ihrer Sicht noch?

JÜRGEN KANTENWEIN: HD-24P ist für mich eine qualitative Weiterentwicklung digitaler Bildbearbeitungsformate. Den Kontakt zu HD hatte ich bereits vor sechs Jahren. 24P ist ein lange diskutiertes internationales Masterformat. Die bisherigen Produktionen sind aus meiner Sicht vielversprechend und zeigen Stärken und Schwächen des Mediums und der Tape-Formate deutlich auf. Der Werbemarkt erkennt das neue Gestaltungsmittel und wird es – wie andere Formate zuvor – kreativ einsetzen. Wir bieten in allen unseren hochauflösenden Servicebereichen HD-24P-Abwärts-Kompatibilität. Unserer Erfahrung nach ist 35-mm-Film ein hervorragendes Ausgangsmaterial für die HD-24P Produktion.

? Stichwort Vernetzung/Workflow einerseits, Daten- und Content-Management auf der anderen Seite: Wie haben Sie dieses Thema bei The Posthouse gelöst, wie greifen die einzelnen Bereiche ineinander?

JÜRGEN KANTENWEIN: Unterstützt durch operatives Know-How, die Backdraft-Software-Lösung von Discreet und durch ein hierarchisches Speichersystem werden bei uns die Projektdaten verwaltet. Ein Logistiksystem erfasst dispositorische und projektbezogene Daten zusammen mit der Kundenspezifik. Auf diese Weise sind bei uns Auslastungs- und Controlling-Daten einfach auszuweisen und wir können insgesamt sehr effektiv arbeiten.

? Welche Speichersysteme und -architektur verwenden Sie? Gibt es einen zentralen Server, ist den einzelnen Suites/Arbeitsplätzen lokaler Speicher fest zugewiesen oder wird mit verteiltem, frei zuteilbarem Speicher gearbeitet?

JÜRGEN KANTENWEIN: Wir verwenden Fibre-Channel-Disk-Arrays verschiedener Hersteller, darunter Discreet, Ciprico und Advanced Unibyte. Alle Workstations sind zudem auch mit lokalem Speicher ausgestattet. Jeder »Speicher« ist im System allokierbar und der IBM-Server mit zweistufiger Diskstruktur und Tape-Loader dient allen Workstations als Archiv. Es wird Hippi und Gig-Ethernet verwendet, um die Workstations zu vernetzen, und die Projekte lassen sich per direktem Zugriff zwischen verschiedenen Suites übertragen.

? Was ist aus Ihrer Sicht der größte und entscheidende Unterschied von The Posthouse zu anderen Post-Facilities?

JÜRGEN KANTENWEIN: Kundennähe, Service-Innovationen und hohe Fachkompetenz in allen Bereichen sind meiner Meinung nach unsere wichtigsten USPs. Dazu kommen der zentrale Standort inmitten Hamburgs, die großzügigen Räumlichkeiten und ein entspanntes Ambiente, wobei wir allergrößten Wert auf technologische Führung in unserem Bereich legen.

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