Messe: 19.04.2007

NAB2007: Neue Formate und neue Codecs für Profis?

Seit Jahren vergeht keine NAB mehr, ohne dass irgendwelche neuen Aufnahme- und File-Formate sowie neue Codecs vorgestellt werden. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders. Sonys »XDCAM MPEG HD 422« hat dabei den unhandlichsten Namen, aber es gibt noch etliche andere Vorschläge, womit Profis künftig arbeiten sollen.

Auch wenn der Hersteller das anders sieht und darauf beharrt, dass es sich bei XDCAM in seinen verschiedenen Geschmacksrichtungen gar nicht um eigene Formate handle, wird das von vielen Endkunden (und auch von der Redaktion von www.film-tv-video.de) anders gesehen. Letztlich ist das aber nur ohnehin nur ein akademischer Disput um Worte: Was ist schon ein Format, was ein System und was ein Standard? In einem ständig wachsenden Wald aus Software-Wrappern, File-Formaten und Speichermedien sind das fließende Begriffe, die sich kaum noch greifen und sicher zuordnen lassen. Dieses Chaos sprachlich abgrenzen und ordnen zu wollen, das ist vergebliche Liebesmühe. Letztlich stellen sich ganz einfache Fragen: Wie sieht das Material aus? Wie kann man es verarbeiten? Lässt es sich wie gewünscht auswerten? Hierbei machen die Hersteller immer wieder neue Vorschlage — so auch zur NAB2007.

Sony zeigt XDCAM HD 422 und Dual-Layer-Disc

Sony stellt zur NAB2007 neben XDCAM EX (siehe separate Meldung) auch noch eine weitere neue Variante von XDCAM vor: XDCAM MPEG HD 422, das in diesem Artikel im folgenden etwas einfacher XDCAM HD 422 heißen soll. Es gibt noch keine voll funktionsfähigen Geräte in diesem Format, Sony zeigte lediglich in einer Vitrine erste Designmuster. Die offizielle Markteinführung von XDCAM HD 422 soll zur IBC2007 erfolgen, erste Geräte will Sony dann 2008 ausliefern. Der Camcorder soll dann zu einem Netto-Listenpreis von rund 30.000 US-Dollar angeboten werden, der Recorder soll bei 25.000 Dollar liegen.

XDCAM HD 422 soll mit einer höheren Datenrate als XDCAM HD arbeiten und 4:2:2-Signalverarbeitung bieten, was zusammen in eine höhere Bildqualität münden soll. Das spiegelt sich auch in den Geräten wieder, die Sony in diesem Format anbieten will: Der Camcorder soll mit 2/3-Zoll-Sensoren bestückt sein und vom Kamerateil her der HD-Kamera HDC-1500 ähneln. Das bedeutet auch, dass die Sensoren nicht wie bei XDCAM HD mit einem reduzierten Raster von 1440 x 1080 Bildpunkten arbeiten, sondern mit vollen 1920 x 1080. Außerdem arbeitet der Camcorder, wie der Name des neuen Formats schon deutlich macht, mit 4:2:2 statt wie XDCAM HD mit 4:2:0. Die Qualitätspyramide der HD-Formate von Sony soll also künftig so aussehen: HDV ganz unten, darüber XDCAM HD, gefolgt von XDCAM HD 422, dann HDCAM, HDCAM SR und schließlich HDCAM SR in RGB4:4:4.

Sonys offizielle Erklärung für die Notwendigkeit von XDCAM HD 422 ist, dass dieses Format mit einer Datenrate von 50 Mbps optimal in die Infrastrukturen all jener Anwender passe, die mit IMX arbeiten — das sind etwa auch etliche deutsche Broadcaster. Die inoffizielle Erklärung könnte auch so lauten: Vielen Anwendern reicht offenbar die mit XDCAM HD erreichbare Qualität nicht aus, sie wollen eine höhere Datenrate und 4:2:2-Signalverarbeitung.

Somit gibt es bei den bandlosen Systemen von Sony nun mit XDCAM HD 422 ein neues Topformat. Die Qualität von XDCAM HD 422 soll aber wohl nicht ganz an die des bandbasierten HDCAM-Formats herankommen, was dem Band weiterhin die Spitzenpositionen innerhalb von Sonys Portfolio überlässt.

Eine der Voraussetzungen, um XDCAM HD 422 sinnvoll realisieren zu können, ist ein Speichermedium mit höherer Speicherkapazität. Das hat Sony nun zur Verfügung, denn erstmals zur NAB2007 zeigte der Hersteller die 50-GB-Variante der Professional Disc, also der optischen Disc, die Sony bei XDCAM einsetzt. Dass eine solche Disc kommen würde, hatte Sony schon früher in Aussicht gestellt, nun ist sie da. Die höhere Speicherkapazität wird mit einer zweiten Speicherschicht auf der Scheibe erreicht, einem Verfahren, das es auch bei der DVD und bei Blu-ray gibt. Die 50-GB-Scheibe ist also eine Dual-Layer-Disc. Um diese beschreiben und lesen zu können, sind Laufwerke nötig, deren Schreib/Lese-Einheit die beiden Schichten getrennt beschreiben und auslesen kann. Alle bisher ausgelieferten XDCAM-Geräte können das nicht. Die Dual-Layer-Technik und die damit verbundene höhere Speicherkapazität soll aber nicht XDCAM HD 422 vorbehalten bleiben, sondern auch in XDCAM und XDCAM HD nutzbar werden. Deshalb will Sony in Kürze überarbeitete Versionen des Camcorders PDW-F350 und des Recorders PDW-F70 anbieten, die auch die Dual-Layer-Ausführung der Professional Disc nutzen können: PDW-F355 und PDW-F75. Gegenüber den Vorgängermodellen gibt es außer der Dual-Layer-Funktionalität noch ein paar kleinere, aus der Praxis inspirierte Veränderungen, aber im wesentlichen bleiben die Geräte gleich.

Von diesen Geräten zeigte Sony zur NAB2007 schon funktionstüchtige Geräte, der Lieferstart soll zur IBC2007 erfolgen. Die geplanten Netto-Listenpreise: Camcorder PDW-F355 22.500 Euro, Recorder PDW-F75 14.000 Euro.

Panasonic setzt auf AVCHD

HDV lehnt Panasonic ab, aber man sieht bei der Matsuhita-Tochter durchaus einen wachsenden Bedarf für ultrakompakte, noch preisgünstigere Camcorder im Profibereich, als es der HVX200 (Tests hier) ist. Die Antwort von Panasonic hierauf heißt AVCHD. Zur NAB2007 stellte das Unternehmen die Profivariante eines AVCHD-Camcorders an, den das Unternehmen im Consumer-Bereich anbietet (siehe separate Meldung). Damit will auch Panasonic am unteren Ende des Profibereichs ein Long-GoP-Verfahren nutzen, obwohl das Unternehmen Long-GoP ansonsten als untauglich für Profianwendungen geißelt und mit DVCPRO, DVCPRO50, DVCPROHD und AVC-Intra auf Intraframe-Verfahren setzt.

Dass aber mit AVC-Intra und AVCHD auch bei Panasonic noch lange nicht das Ende der Fahnenstange bei den Codecs errreicht ist, das ließ ein Vorzeigekunde des Unternehmens durchblicken, den Panasonic als Redner zur seiner Pressekonferenz eingeladen hatte: Andy Setos, President of Engineering bei Fox Entertainment, gab bekannt, dass Fox im News-Bereich auf P2 setzen werde und einer der Gründe für diese Entscheidung war, dass Panasonic zugesagt habe, bei P2 in der Zukunft auch noch weiter Codecs zu unterstützen. Mehr war dazu leider nicht zu erfahren.

Apple stellt ProRes 422 vor

Mit ProRes 422 hat Apple einen Codec entwickelt, der eine ähnliche Zielsetzung hat wie DNxHD von Avid. Die grundlegende Argumentation, warum es diese Codecs braucht, geht so: Andere Codecs sind entweder für die Akquisition optimiert oder für die Distribution. Beides ist nicht optimal für die Postproduktion, hier sind andere Aspekte bei der Codierung und Kompression wichtig. Außerdem geht es darum, die hohen Datenraten von HD so weit zu reduzieren, dass sie gut über bestehende Infrastrukturen verteilt und von normalen Desktop-Systemen verarbeitet werden können.

Ganz ähnlich wie Avids DNxHD komprimiert ProRes 422 HD-Signale so, dass sie nur noch wenig mehr Speicherplatz benötigen als SD-Files und laut Anbieter dabei dennoch eine HD-ähnliche Bildqualität bieten. Dadurch spart man sich aus Sicht von Apple die Erzeugung von SD-Kopien aus dem Originalmaterial für den Offline-Schnitt, sondern kann auch mit einem normalen Desktop-System direkt in HD-Qualität schneiden. Hersteller wie Panasonic, Sony und Red Digital Cinema begrüßen die Apple-Entwicklung und vor allem die Möglichkeit, auf der File-Ebene Material ihrer eigenen Systeme in ProRes-422-Files wandeln zu können.

Weiterer neuer Codec: Red Code

Die Kamera Red One des Herstellers Red Digital Cinema ist während der NAB2007 in aller Munde (siehe separate Meldung). Einer der Aufnahme-Modi, den diese Kamera bieten soll, ist die Kompression mit einem Wavelet-Verfahren namens Red Code. Die Files, die zu Ehren des Firmengründers und Oakley-Brillen-Millionärs Jim Jennard die Endung ».jim« tragen, können laut Apple mit Final Cut Pro verarbeitet und in ProRes 422 umkodiert werden.

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