Artificial Intelligence, Postproduction, Technology, Top-Story: 15.06.2023

KI in der Postproduktion – ein Erfahrungsbericht

Welche KI-Tools kann man in der Postproduktion jetzt schon nutzen?





EVS, Innovation-Lab, © Nonkonform
Im Innovation-Lab von EVS wurde schon 2018 mit einer Live-Fußball-Regie-KI experimentiert.
Live-Produktionen

Schon vor etlichen Jahren zeigte EVS, dass man auch in der Live-Produktion mit KI bestimmte Arbeitsschritte automatisieren kann.

In einem Pilotprojekt wurde dieses Thema auf die Spitze getrieben. Per Deep Learning wurde eine KI darauf trainiert, das Programmsignal von Live-Fußballspielen zu analysieren. Dann wurde der Bildschnitt eines hochrangigen Fußballspiels von der KI selbst umgesetzt — parallel zur Produktion eines menschlichen Teams.

Die Ergebnisse waren so gut, dass normale TV-Zuschauer nicht mehr sicher erkennen konnten, welches Programmsignal das menschliche Team produziert hatte und welches die KI.

Besonders bei solchen Produktionen, wo immer wieder die gleichen Abläufe nötig sind — etwa Pass, Tor, Zeitlupenwiederholung — können zumindest große Teile der Live-Produktion automatisiert werden.

Sportproduktionen sind hier natürlich prädestiniert, aber auch Konferenzen, Aktionärsversammlungen und Ähnliches könnten in Zukunft ganz oder teilweise automatisiert werden — oder zumindest mit wesentlich weniger Personal umgesetzt werden.

Qibb, CHatGPT, © Nonkonform
ChatGPT in einen Redaktions-Videoworkflow integriert.
Archivierung

Wenn es darum geht, Inhalte zu archivieren und in ein Redaktionssystem einzupflegen, sind KI, Face Recognition und Speech-to-Text natürlich ein Dreamteam.

Das wird auch schon genutzt: Es gibt Redaktionssysteme, die erkennen, wer in einem Video gezeigt wird, die das Ganze dann mit Metadaten wie Ort und Zeit verknüpfen, sowie eine Kurzzusammenfassung und Verschlagwortung anbieten — zumindest unterstützend für einen Menschen, der im Archiv arbeitet.

Das beschleunigt diese unkreative Arbeit und hilft, dass das Archiv zu einem lebenden, gut nutzbaren Arbeitsmittel in der Redaktionsarbeit wird.

© Pixabay, Susan Cipriano
So wird der Editor der Zukunft sicher nicht aussehen: Er wird vollkommen gesichtslos bleiben.
Muss ich Angst um meinen Job haben?

In der Praxis habe ich bis jetzt in zwei Fällen die KI für Audiobereinigung genutzt, bei denen ich sonst wahrscheinlich jemanden hätte engagieren müssen.

Aber natürlich muss man ganz sicher in vielen Bereichen davon ausgehen, dass in Zukunft nicht nur repetitive, stumpfe Jobs durch KI ersetzt werden können, sondern durchaus auch hochwertigere Tätigkeiten.

Schon jetzt wird etwa darüber gesprochen, dass nicht nur ein Teil der Radiologen ersetzt werden könnte, die Röntgenaufnahmen analysieren, sondern auch Gehirnchirurgen, weil möglicherweise in Zukunft ein Roboter genauer und präziser allein einen Tumor entfernen kann, als unter Mitwirkung eines Menschen.

Warum sollte das in bestimmten Bereichen der Medienbranche anders ablaufen als in bestimmten Bereichen der Medizin?

© Pixabay, neo-tam
Wird alles im Endeffekt konformistisch aussehen, weil jede Handwerkskunst und jede Kunst dadurch entwertet wird, dass jeder es kann?
Fazit

Weiß man um die Stärken und Schwächen, lässt sich die KI in vielen Fällen schon jetzt als sinnvoller Helfer einsetzen. Besonders bei der Suche nach einem schnellen Workaround, bei dem es vielleicht nicht bis in die letzten Details in puncto Qualität oder Kreativität ankommt, ist Künstliche Intelligenz hilfreich.

Im Audiobereich hat sie mich jedenfalls schon sehr überzeugt — wobei man dennoch natürlich immer das Ergebnis kontrollieren sollte. Gerade wenn man die frühere Schall- und Rauschreduzierungen in Premiere oder Audition mit den aktuellen KIs vergleicht, merkt man einen großen qualitativen Sprung. Anders im Bildbereich: Beim Maskieren, Objekte erkennen, Greenscreen und Ähnlichem sind mir die aktuellen KI-Tools derzeit noch zu ungenau. Wahrlich habe ich versucht, sie aus Zeitersparnis einzusetzen, war aber jedes Mal bei einer Kontrolle in 200%-Ansicht sehr unzufrieden.

Ein weiteres Problem stellt noch die Reproduzierbarkeit dar: Man bekommt nicht jedes Mal dasselbe, reproduzierbare Ergebnis, das gilt etwa bei Text-zu-Bild-Generatoren. Alles in allem ist KI natürlich ein sehr interessantes Gebiet, auf dem noch viel kommen wird. Auch auf der Kameraseite in Form von noch besserem Fokus-Tracking und weiteren interessanten Hilfsfunktionen.

© Rackwitz, gemeinfrei
Der sogenannte Schachtürke: 1769 hatte der österreichisch-ungarische Hofbeamte und Mechaniker Wolfgang von Kempelen diesen angeblich autonomen »Schachroboter« konstruiert, in dessen Innerem aber ein Mensch versteckt war.

Das, was wir uns durch Filme und Bücher unter Künstlicher Intelligenz vorstellen, ist aber noch lange nicht erreicht. Und wenn man hinter die Kulissen von so einigen »Neuerungen« blickt, wird man oft an den »Schachtürken« erinnert und man wird wieder auf den nüchternen Boden der Tatsachen zurückgeholt — denn hinter vielen der angeblich neuen, selbstdenkenden Robotergehirne sitzt immer noch ein Mensch und steuert ihn.

KI hat allerdings im Zeitalter der Digitalisierung von allen Neuerungen die kürzeste Zeit benötigt, um beginnend von den ersten Versuchen erste nutzbare Lösungen zu erreichen — auch wenn derzeit natürlich sehr vieles aufgebauscht wird.

Wird Künstliche Intelligenz also bald fest in unseren Arbeitsalltag integriert sein? Die Antwort darauf steckt in der Aufforderung selbst: frag ChatGPT.

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