Kommentar, Top-Story: 28.07.2000

Das Kino wird digital

Das galt bisher schon zunehmend in der Postproduktion von Kinofilmen. Nun hält HD-Video auch Einzug in die Produktion von Kinofilmen, wie der jüngst fertiggestellte erste 1080/24p-Kinofilm »Gone Underground« zeigt, über den www.film-tv-video.de berichtete.

Nun gibt es konkrete Pläne, auch die Vorführung auf breiter Basis von der Filmrolle auf Bits und Bytes, vom ratternden Filmprojektor auf Hochleistungs-Videoprojektoren umzustellen. Allenthalben finden derzeit Demo-Veranstaltungen statt, die zeigen sollen, dass das geht. So präsentierte Sony zur Berlinale einen Vergleich von 35-mm-Film und HD-Projektion mit 1080/24P am Beispiel des Wim-Wenders-Films »Million Dollar Hotel« und des zugehörigen Musikvideos für die Band U2.

Ebenfalls in Berlin zeigten Texas Instruments und Disney vor wenigen Tagen im Rahmen einer Demo-Veranstaltung, dass Digital Cinema keine Zukunftsvision mehr ist: Dort lief die Disney-Produktion »Fantasia 2000« über einen Hochleistungs-Videoprojektor. Bei dieser Filmproduktion handelt es sich um das Remake des gleichnamigen Animations-Klassikers aus dem Jahr 1940. Symbolischer kann ein Unternehmen wie Disney wohl kaum seine Haltung zu diesem Thema zeigen.

Auch bei der Premiere von »Gone Underground« am 21/07/2000 wurde nacheinander eine HD-Video- und eine 35-mm-Filmprojektion dieses Kurzfilms gezeigt. Während die Fachleute anschließend heftig das Pro und Contra diskutierten und sich im Detail über die Unterschiede stritten, die einen begeistert, die anderen skeptisch waren, brauchte man nur mit einigen der ebenfalls anwesenden Nicht-Technik-Experten zu reden, um festzustellen: Normale Kinobesucher finden die Bildqualitäts-Diskussion beim momentanen Stand der Technik eher akademisch. Sie messen, soweit sie überhaupt einen Unterschied bemerkten, diesem keine Bedeutung zu.

Vielleicht waren die Bedingungen der Vergleichs-Projektion für die Film- und die Videoversion nicht zu 100 % gleich und ganz sicher war die ganze Premierenfeier nicht auf Objektivität angelegt: Schließlich verfolgte die Media!AG, die für dieses Event einen großen Rahmen schuf und zusammen mit anderen Unternehmen etliches Geld und Ressourcen in das Projekt steckte, auch bestimmte Ziele mit dieser Veranstaltung. Und ganz sicher war auch die von der Redaktion durchgeführte, kurze Umfrage unter »Normalverbrauchern« nicht repräsentativ. Aber eines ist klar: Letztlich entscheidet die Akzeptanz des Publikums über den Erfolg des Digital Cinema; Pixel hin oder her. Kostenerwägungen sprechen ohnehin bei der Produktion bestimmter Filme genauso wie bei der Vorführung im Kino über kurz oder lang für die Datenvariante des Kinoerlebnisses.

Neue Technologien haben einen Qualitätssprung in der Videoprojektion ermöglicht, der den Einsatz von Video auf der großen Leinwand jetzt definitiv möglich macht. Über die einen oder anderen Abstriche kann man diskutieren, aber auch darüber, wie wichtig sie sind.

Besser heute als morgen, scheint also vielen die Zeit reif, die Kinoprojektionstechnik zu revolutionieren. Wohin die Reise gehen wird, war eigentlich schon länger klar. Dass es schneller gehen könnte, als viele erwarteten, wurde spätestens dann deutlich, als der im US-Kinomarkt dominierende Filmprojektoren-Spezialist Christie die Videoprojektoren-Firma Electrohome aufkaufte.

Nun ziehen also erstmals die Projektoren-Hersteller und einige Vorreiter unter den Produzenten, Filmverleihen und Kinobetreibern an einem Strang: Das digitale Kino soll jetzt Realität werden. Sie werden sehen.