Branche, Top-Story: 26.09.2007

Erfolgreich: Workshop »Hands on HD« 2007

Gemeinsam mit Band Pro lud Nordmedia in diesem Jahr bereits zum fünften Mal zum Workshop »Hands on HD« nach Hannover ein. Dort konnten sich 120 Teilnehmer in verschiedenen Klassen mit aktueller HD-Technik und -Gestaltung auseinandersetzen.

Nordmedia und Band Pro konnten sich in diesem Jahr über deutlich mehr Teilnehmer am Workshop »Hands on HD« freuen: 120 Kamera- und Postproduktions-Experten besuchten die Veranstaltung, im Vorjahr waren es noch 80 gewesen. Ein Teil dieser größeren Sogwirkung ist sicher Michael Ballhaus (hier finden Sie ein Ballhaus-Interview zum Thema digitale Produktion). Zur Master-Class waren nur Teilnehmer zugelassen, die schon HD-Erfahrung mitbrachten. Neben der Master-Class gab es je eine Viper-, DVCPROHD-, HDCAM-, D20-, sowie Postproduktions- und Ton-Klasse. Insgesamt standen 25 HD-, 40 HDV-Kameras, 14 Postproduktionssysteme mit sieben MAZen sowie umfangreiches Licht- und Ton-Equipment zur Verfügung. Betreut wurden die Teilnehmer von 45 HD-Experten aus Deutschland und anderen Teilen Europas.

Die fünfte Ausgabe von »Hands on HD« präsentierte sich im Vergleich zu den Vorjahren noch internationaler: Teilnehmer aus Österreich, Schweiz, Italien, Belgien, Türkei und Russland hatten sich in Hannover eingefunden und so wurde — zumindest in einigen Veranstaltungen — englisch gesprochen.

Workshop

Die Woche begann mit Theorie, wobei die Menüs der Kameras als Leitfaden im Vordergrund standen. Mit praktischen Übungen wurde jeweils verdeutlicht, was zuvor theoretisch behandelt worden war. Trotz solcher Exkurse stand bei »Hands on HD« immer auch die Gestaltung von Szenen unter verschiedenen Bedingungen im Vordergrund. Antworten auf Fragen wie »Welche Kamera für welche Situation?« oder »Wo liegen die jeweiligen Stärken und Schwächen?« zu finden, das interessierte alle Teilnehmer. Anhand eines stattlichen Geräteparks war es möglich, diese Antworten im Lauf der Woche zu finden. Zur Verfügung standen unterschiedlichste Kameras, angefangen bei Arris D20 über Sonys F23 und F900 bis hin zu Panasonics HVX200 und Canons XH G1. Die Kameras sollten zeigen, was sie in verschiedenen Licht- und Drehsituationen können und wie gut sie sich bedienen lassen.

Die 21 Teilnehmer wurden zu diesem Zweck in 3er-Gruppen aufgeteilt, die sich an den verschiedenen Kameras abwechseln konnten. Um besser vergleichen zu können, sollten möglichst viele Einstellungen mit verschiedenen Kameras gedreht werden. Zur Unterstützung standen Gerhard Baier als Kamera-Supervisor und zwei Beleuchter mit reichlich Licht ebenso zur Verfügung, wie drei Schauspieler. Mit ihnen sollten kleine Szenen zu einem vorgegebenen Themenbereich realisiert werden: Die verflossene Freundin des Mannes versucht, mit diesem wieder Kontakt aufzunehmen. Das macht die neue Freundin eifersüchtig. Ein Thema in drei Variationen, das in verschiedenen Szenen bearbeitet werden sollte. Szene Nummer 1 spielte sehr früh am Morgen in einem Schlaf- und einem Badezimmer. Glücklicherweise befand sich ein geeigneter Raum samt Badezimmer gleich in der Nähe des »Klassenraums«. Unglücklicherweise war der Raum allerdings nicht besonders groß, so dass es nach dem Aufbau der Technik nicht ausreichend Platz für alle Kurs-Teilnehmer gab. Das Problem wurde gelöst, indem eine HD-SDI-Leitung vom Set zum Klassenraum gelegt wurde und der dort vorhandene HD-Projektor das Kamerabild darstellte. Dank ebenfalls angeschlossenem Waveform/Vektorscope und einer zusätzlichen HDV-Kamera, die das gesamte Geschehen vom Set übertrug, konnten auch die gerade nicht aktiven Teilnehmer alles gut mitverfolgen. Die Bilder des am Set verwendeten Monitors und das des Projektors unterschieden sich allerdings deutlich und dadurch wurde ein weiteres mal klar, dass nur mit richtig kalibriertem Monitor und einem Messgerät gedreht werden sollte, um den knappen Belichtungsspielraum richtig ausnutzen zu können. So lernten die Teilnehmer, dass dunkle Szenen lieber zu hell gedreht werden sollten, als umgekehrt: In der Postproduktion ist es einfacher, bei einem zu hellen Bild die Helligkeit zu reduzieren, als ein dunkles Bild heller zu machen, weil letzteres in der Regel zu verrauschten Bildern führt. Die richtige Belichtung ist um so wichtiger, je mehr das Signal zur Aufzeichnung komprimiert wird, wie etwa bei HDCAM. Nicht ganz so problematisch ist hingegen eine milde Kompression oder die gänzlich unkomprimierte Aufzeichnung auf HDCAM SR-Band beziehungsweise Festplatten- und Flashspeicher.

Für die Schlafzimmerszene gab Michael Ballhaus ein Beleuchtungskonzept für folgende Szene vor: Es sollte dunkel sein, nur wenig Licht von außen einfallen. Wenn das Handy klingelt, sollte der Mann die Nachttischlampe einschalten und die Tür zum Badezimmer öffnen, wobei helles Licht einfallen sollte. Also ein Ablauf mit großem Kontrastumfang, der den Kameras alles abverlangte, was sie unter diesem Aspekt zu bieten haben. Nach der Arri D20, die wegen des größeren Sensors und der Single-Chip-Konstruktion eine geringere Schärfentiefe erlaubt als die anderen Digitalkameras, kam Sonys neue F23-Digitalkamera aufs Stativ. Sie sollte zeigen, wie gut der S-Log arbeitet, eine spezielle Gammakurve, die auch das Arbeiten außerhalb des ITU-709-Farbraumes erlaubt und laut Hersteller einen Kontrastumfang von deutlich mehr als 12 Blendenstufen bietet. Das Bild wirkte zunächst recht flach, was aber von Coloristen so gewünscht werde, so die Workshop-Leiter, denn aus solchem Material lasse sich in der Farbkorrektur nahezu alles machen.

Zurück zum Dreh in der Master-Class: Die alte Freundin ruft also an und der Mann geht mit dem Handy ins Bad. Ein enger Drehort, also kam hier der Panasonic-Camcorder HVX200 zum Einsatz. Die ehemalige Freundin am andere Ende der Leitung wurde mit Arris D20 und parallel mit einer Sony HDW-750 gedreht.

Währenddessen beschäftigten sich die Teilnehmer der anderen Kamera-Klassen intensiv mit den Grundlagen und Menüs der verschiedenen Kameras. Zu den Grundlagen gehören auch Messtechnik, Monitoring und Filterkunde. Nur wer die Basics beherrsche, könne in den teilweise äußert komplexen Menüs die richtigen Einstellungen vornehmen, um dann im Zusammenspiel mit Licht und Filtern die gewünschte Bildwirkung zu erzielen, so das Credo der Workshop-Leitung. Die Wirkung von Eingriffen in den Bereichen Matrix, Gamma, Hypergamma und weiteren Parametern konnten an den aufgebauten Sets ausprobiert werden. Vier Sets waren hierfür aufgebaut: »Beauty«, »White«, »Black« und »Green-Screen«. Außerdem wurde draußen gedreht, wenn das Wetter es erlaubte. Ein Stundenplan legte fest, wer wann wo drehen konnte, so dass auch jeder tatsächlich mit unterschiedlichem Equipment arbeiten konnte. Am Außenset konnte beispielsweise bei einer Szene mit einem fahrenden Motorrad ein automatischer Follow-Fokus ausprobiert werden.

Am zweiten Tag begann der Workshop für die Master-Class erst am Nachmittag, denn es sollte erst in der Dämmerung gedreht werden. Vorher ging es in die Postproduktion: eine Hälfte der Gruppe besuchte eine Lustre-Suite, die andere arbeitete mit einem iQ-System von Quantel, das mit der Pablo-Farbkorrektur-Option ausgestattet war. Hier erhielten die relativ hell und kontrastarm gedrehten Schlafzimmerszenen den richtigen Look, indem neben einer primären Korrektur auch einzelne Bildteile bearbeitet wurden. Die Color Grading-Systeme erlauben es, auch einzelne Lichtquellen nachträglich zu verstärken, abzuschwächen oder auch weitere zu ergänzen. Schnell wurde klar, dass in der Postproduktion zwar fast alles möglich ist, aber eben oft nur mit großem Zeitaufwand.

In der Dämmerung sollte es dann weiter gehen mit dem geplanten Außendreh, bei dem das Paar über eine lange Fußgängerbrücke gehen sollte, an deren Ende die verflossene Freundin wartete. Die Beleuchter hatten schon Stunden vor Drehbeginn mit dem Aufbau der Scheinwerfer begonnen. Den benötigte Strom lieferte ein selbstfahrendes Stromaggregat.

Neben der F23, die Michael Ballhaus besonders wegen ihrer hohen Lichtempfindlichkeit begeisterte, war auch Thomsons Viper im Einsatz. Ihr Signal wurde auf dem Festplatten-Recorder S-Two aufgezeichnet, der mit der Viper über Dual-Link verbunden war. Sehr praktisch ist das Arbeiten mit zwei BNC-Kabeln nicht, denn sie müssen der bewegten Kamera nachgeführt werden. Dafür wurde aber im Filmstream-Mode aufgezeichnet, und der ermöglicht es, in der Postproduktion das Signal stark zu verändern, ohne sofort an die Grenzen zu stoßen.

Die Grenzen von HD waren ganz generell immer wieder Thema im Vortragsraum in der Postproduktion. Die Vorträge dort richteten sich sowohl an die Postproduktionsklasse wie auch an die Kameraklassen. Leiter Michael Radeck ließ fast keine Gelegenheit aus, um auf die Hürden bei einer HD-Produktion hinzuweisen. Sein Credo: Schlecht belichtetes Material schränkt die Bearbeitungsmöglichkeiten in der Postproduktion deutlich ein, und wer sich für den falschen Codec entscheidet, bereitet sich damit ebenfalls viele Probleme. Aus seiner Sicht sollte die Postproduktion nicht mit einem Akquisitions-Codec erfolgen, und selbst die native Verarbeitung sei in der Regel schlechter als der Umstieg auf einen der speziellen Postproduktions-Codec wie etwa DNxHD oder ProRes422. Am besten ist aus Radecks Sicht aber die unkomprimierte Verarbeitung. Zur Distribution sollte wiederum ein anderer Codec eingesetzt werden, der genau im jeweiligen Distributionskanal seine Stärken hat, meinte Radeck.

Ein weiterer Rat wurde während des gesamten Workshops nahezu gebetsmühlenartig wiederholt: Vor einer größeren Produktion muss die gesamte Produktionskette von der Aufnahme bis zum Ende einmal durchgetestet werden.

Auch zur Gestaltung gab es wichtige Hinweise. HD müsse wegen der höheren Auflösung anders gedreht und geschnitten werden. Totalen müssten länger stehen, Schwenks langsamer ausgeführt werden, denn es gebe einfach sehr viel mehr Details zu sehen. Dabei spiele auch die Größe des Monitors oder der Projektion eine wichtige Rolle. Bei »Hands-on-HD« stand ein Projektor mit voller HD-Auflösung zur Verfügung, der nicht nur bei den Vorträgen eingesetzt wurde, sondern auch zum ausführlichen Sichten des Materials. Einige Teilnehmer nutzten diese Möglichkeit bis spät in die Nacht. Im nächsten Jahr sollen, wegen des großen Zuspruchs sogar zwei dieser luxuriösen Sichtungsräume eingerichtet werden.

Tagung und Forum

An den letzten beiden Workshop-Tagen fand parallel auch eine Tagung statt, zu der sich weitere 150 Teilnehmer — meist Entscheider und Technikeinkäufer — angemeldet hatten. Der Schwerpunkt der Vorträge lag hier, neben einem allgemeinen Überblick, auf der Distribution von HD-Material.

Währenddessen drehte die Master-Class mit Michael Ballhaus im nahegelegenen Trambahnhof. Auch hier trafen das Paar und die alte Freundin aufeinander. Eine Einstellung wurde im Aufzug aufgrund der Enge mit dem HDV-Camcorder XH G1 von Canon gedreht— obwohl HDV, wegen der hohen Kompression, aus Sicht der Workshop-Leiter für hochwertige szenische Produktion eher ungeeignet ist. Trotzdem war es sehr interessant zu sehen, wie sich HDV-Material mit den anderen Einstellungen kombinieren ließ. Diese wurde mit Viper und F23 gedreht. Im Anschluss daran wurden Dämmerungs- und Nachtdrehs für die anderen Kameraklassen produziert. Schon am frühen Abend waren oben auf dem Dach des Veranstaltungsorts zahllose Kameras nebeneinander aufgebaut und eingestellt worden, um für die Dämmerung bereit zu sein.

In den beiden verbleibenden Tagen wurde das von der Master-Class gedrehte Material verglichen und drei Szenen davon farbkorrigiert. Auch wenn jede der großen Kameras jeweils ihre Vor- und Nachteile zu bieten hat, war Michael Ballhaus von der Sony F23 am meisten angetan.

Die Bilder der kleineren Kameras reichten aus der Sicht der Teilnehmer in der technischen Qualität natürlich nicht an die der großen Kameras heran. Dennoch lieferten sie oft erstaunlich gute Bilder und waren so für bestimmte Situationen eine gute Ergänzung. Auch Michael Ballhaus will bei einem geplanten Dokumentarfilmprojekt mit verschiedenen Kameras arbeiten, »so wie man auch beim Film unterschiedliches Material einsetzt«.

Gegen Ende des Workshops fanden sich immer mehr Teilnehmer der Kameraklassen im Postproduktionsbereich ein und verfolgten teilweise mit Erstaunen, wie ihr Material aussah. Aber die Erfahrungen, die hier relativ stressfrei gesammelt werden konnten, ermöglichen einen sichereren Umgang mit dem für manch einen doch noch neuen Medium HD.

Wie geht’s weiter?

Projektleiter Sebastian Wolters von Nordmedia und Hendrik Vogt von Band Pro ziehen ein positives Resümee und planen schon jetzt die nächste »Hands on HD«-Veranstaltung: Sie soll im kommenden Jahr, Ende Juli 2008 stattfinden, und zwar wieder auf dem Expo-Gelände in Hannover. Wesentlich höhere Teilnehmerzahlen als in diesem Jahr wird es jedoch kaum geben können. »Vor allem in der Postproduktions- und in der Tonklasse ist noch etwas Platz«, sagt Sebastian Wolters, aber mehr als 150 oder maximal 160 Teilnehmer sollen es nicht werden, denn es soll ja ein »Hands-on«-Workshop bleiben, bei dem die Teilnehmer mindestens die Hälfte der Zeit auch tatsächlich an den Geräten arbeiten können.