Editorial, Kommentar, Top-Story: 18.06.2009

Der falsche Schlitz?

Apple ist immer für eine Überraschung gut. Das hat der derzeit wegen Krankheit verhinderte Mitgründer und Spiritus Rector des Unternehmens Steve Jobs in seine wohl inszenierten Auftritte sogar als Stilmittel eingebaut: Mit der Phrase »There is one more thing« leitet er üblicherweise die Vorstellung einer größeren Überraschung im Produktbereich ein.

Dass Überraschungen auch ohne Steve Jobs möglich sind, zeigte die jüngste Entwicklerkonferenz des Unternehmens: Künftig wird der Hersteller die Mehrzahl seiner Laptops des Typs Macbook Pro mit SD-Kartenslots bestücken und auf den Expresscard134-Slot verzichten. Lediglich die 17-Zoll-Ausführungen des Macbook Pro sollen noch einen Expresscard-Slot bieten. Insider halten es aber für absehbar, dass auch diese Maschine bald ohne Expresscard-Slot daher kommen wird.

Schlecht ist das für alle, die bei ihren bandlosen Workflows auf den Expresscard-Slot setzen: Wer über diese Schnittstelle Material in Final Cut Pro einspielen und schneiden will, muss künftig das unhandlichere und teurere 17-Zoll-Macbook kaufen. Das trifft Profis aus dem SxS-, wie aus dem P2-Lager: Die einen konnten ihre SxS-Cards bisher problemlos direkt zur Bearbeitung mit dem Schnittprogramm Final Cut in ihr Macbook Pro einspielen. Die anderen nutzten zum gleichen Zweck für ihre P2-Karten Adapter von PCMCIA auf Expresscard. Spätestens beim nächsten Kauf eines Apple-Laptops können die meisten diesen Workflow in die Tonne treten.

Wieso sortiert Apple den Expresscard-Slot aus und setzt auf die SD-Karte? SD-Kartenslots sind eben billiger als ExpressCard-Slots, und der aktuelle Marktanteil der SD-Speicherkarten am Verkaufsvolumen der Festspeichermedien wird von verschiedenen Quellen auf rund 80 % beziffert, liegt also deutlich vor allen konkurrierenden Speicherkarten wie etwa CompactFlash (CF). SxS und P2 können bei den Stückzahlen dieser Medien, die durch Consumer-Geräte getrieben werden, sowieso bei weitem nicht mithalten. Gleichgültig welches Erklärungsmodell man nutzt: Letztlich glaubt man bei Apple, das Macbook Pro werde mit SD-Slot künftig mehr Erfolg im Markt haben.

An Apples Entscheidung kann man erkennen, wie schnell sich die Zeiten wandeln: Vor zwei Jahren hatte Sony mit dem XDCAM EX-Camcorder EX1 die Profiwelt ordentlich aufgemischt und die SxS-Speicherkarte, die in den Expresscard-Slot passt, als Speichermedium der Zukunft deklariert. Die P2-Karte von Panasonic setze im Unterschied zu SxS auf einen veralteten Standard, war damals eines der Argumente von Sony: PCMCIA — der Schnittstellenstandard der P2-Karte — sei bei PCs letztlich ein Auslaufmodell. Kaum zwei Jahre später kommt nun Apple daher und kickt den Expresscard-Slot aus den gebräuchlichsten seiner Macbook-Pro-Rechner. Ist die SxS-Card nun ebenfalls veraltet?

Die Apple-Entscheidung führt damit der professionellen Videowelt einmal mehr vor, wie fragil das Häuschen der Profis in der schönen Apple-Wohnanlage gebaut ist: Ein kleiner Windstoß genügt, schon fällt der Gartenzaun um und man kommt nicht mehr in die Garageneinfahrt.

Die Zubehör-Hersteller werden wohl auch dieses Problem zu lösen wissen. De facto gibt es aber kaum mehr Investitionssicherheit im Profilager — das wird den Kunden mit solchen Aktionen deutlich vor Augen geführt.

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