Editorial, Kommentar, Top-Story: 12.09.2011

Auf allen Kanälen

Wenn man sich als Fernsehzuschauer beim Zappen mal in die Region der dreistelligen Programmplätze vorkämpft, wundert man sich, wie viele Sender zu abseitigen Themen und mit sonderlichen Inhalten es doch gibt. Selbst Branchen-Insider stellen sich dann mitunter die Frage, wie all diese Kanäle überhaupt existieren können und ob sich dafür tatsächlich Zuschauer finden.

Während die Zuschauerfrage im Dunklen bleiben muss, weil darauf eigentlich niemand eine belastbare Antwort geben kann, stellt sich die erste Frage offenbar gar nicht: Praktisch alle Hersteller, die Produkte für den Distributionsbereich anbieten, gehen davon aus, dass die Zahl der Sender und Programme weiter wachsen wird – und die meisten sagen sogar eine sich beschleunigende Wachstumsrate voraus: »We will see an explosion of channels« oder »exponential growth« lauten hier die Einschätzungen, die während der IBC2011 oft zu hören sind.

Irgendwie muss es sich also rechnen, dass immer mehr TV-Kanäle On Air gehen. Allerdings geben die Broadcaster und »Content Owner« auch immer weniger Geld pro Kanal aus: Die zusätzlichen Kanäle rentieren sich eben nur, wenn sie mit möglichst geringem technischem Aufwand und geringem Investitionsvolumen realisiert werden können. Deshalb kommt jetzt nach dem Trend zum »Channel in a box« die nächste Stufe: »Multichannel in a box« — vergleichsweise preisgünstige Baukasten- oder Fertigsysteme für die komplette Abwicklung mehrerer TV-Kanäle – inklusive Funktionalität für Ingest, Live-Grafik, Playout, Content-Management und Playout-Automation. Firmen wie Playbox aus Bulgarien weisen hier neben den schon länger etablierten Anbietern den Weg.

»Billigkanäle«, die trotzdem nicht nach »Offenem Kanal« oder Hobbyfernsehen aussehen, sind mittlerweile besser denn je realisierbar, denn die Zeiten, in denen TV-Sender tatsächlich nur mit großem Aufwand und teurem Equipment Programme produzieren konnten, sind längst vorbei. Es geht einerseits darum, den Content auf möglichst vielen Kanälen immer wieder auszuwerten und eben die laufenden Kosten zu minimieren.

Die nächste Aufgabe und irgendwann vielleicht auch die nächste Erlösquelle, steht den Broadcastern mit den Second-Screen-Applikationen ins Haus: Viele Hersteller zeigen schon jetzt bei der IBC2011, wie es auf technischer Ebene funktionieren kann, Tablets und Smartphones mit zusätzlichen Inhalten zu versorgen. Eine eben so große Herausforderung dürfte darin bestehen, diese Applikationen auch zu vermarkten und rentabel zu machen — denn die ausgeklügelten Werbeformen, die theoretisch auf den Second Screens laufen können, müssen erst noch entwickelt und etabliert werden.

Sie werden sehen.

Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

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