Messe, Top-Story: 08.06.2004

NAB2004: Nachfolger für MPEG-2 gesucht

»Go beyond. The next level is at NAB.« Das diesjährige Motto der Messe in Las Vegas trifft ganz besonders auf ein Thema zu, das bei den konkreten, verfügbaren Produkten noch keine ganz große Rolle spielt, aber auf der Technologie-Ebene intensiv diskutiert wird: neue Kompressionsverfahren.

Der Hauptfokus der meisten Besucher lag während der NAB 2004 auf den konkreten Produkten: Hier spielt die Musik, hier wird Geld verdient, hier liegt die aktuell größte Praxisbedeutung. Oberhalb dieser Produktebene liegt aber während der NAB, wie auch bei anderen Messen, eine zweite Ebene: In Vorträgen und Workshops, aber auch bei vielen inoffiziellen Treffen, werden Themen diskutiert, die erst in den kommenden Jahren Auswirkungen in der Produktebene haben werden.

In diesem Jahr ganz oben auf der Agenda in der Technologieebene: Kompressionsverfahren. Kaum hat sich die Produktebene mit MPEG-2 angefreundet, sind die Standards so langsam etabliert, hat man gelernt, sich mit Files zu befassen und diese unter Geräten verschiedener Hersteller aus zu tauschen, stellt man sich in der Technologieebene schon die Frage, was danach kommen soll.

Es geht, so zu sagen, um den Nachfolger von MPEG-2, mit derzeitigem Fokus auf die Distribution, also die Verteilung von Programmen zum Endkunden. Momentan befasst sich diese Diskussion also eher mit niedrigen Datenraten unterhalb von 10 Mbps. So etwas kann sich aber schnell ändern und ausweiten, wie man bei MPEG-2 ja ebenfalls schon gesehen hat, das ursprünglich auch für die Distribution konzipiert worden war. Außerdem kommen nun auch verstärkt HD-Kompressionsverfahren für die Postproduktion ins Gespräch.

Zwei konkurrierende Verfahren werden derzeit für die Distribution am heißesten diskutiert und wurden von verschiedenen Gremien, Verbänden und Allianzen in die engere Wahl genommen: Das ist zum einen Windows Media 9, ein von Microsoft entwickeltes Verfahren, das auch als VC9 bezeichnet wird, was firmenneutraler klingt und für Video Codec 9 steht. Zum anderen MPEG-4 und zwar in der Variante MPEG-4 Part 10 (Advanced Video Codec) kurz MPEG-4 AVC genannt. Weil dieses Verfahren im Kern einem Standard ähnelt, den die ITU für den Bereich Telekommunikation unter der Bezeichnung H.264 verwendet, liest und hört man als Bezeichnung hierfür auch AVC/H.264 oder MPEG-4 AVC/H264 und ähnliche Kombinationen.

Beide Verfahren, also MPEG-4 AVC H.264 einerseits und VC9/WM9 andererseits, sind nicht direkt mit MPEG-2 kompatibel, sondern es muss umkodiert werden, wenn man Inhalte vom einen ins andere Format übertragen will. MPEG-4 nutzt aber die gleichen Transport- und Steuer-Protokolle, liegt also in diesem Aspekt näher an MPEG-2. WM9 soll dagegen billiger sein, was die Lizenzgebühren und die Umsetzung in Kodier-Chips betrifft.

Wieso braucht man überhaupt ein neues Kompressionsverfahren? Kurz gesagt: Weil MPEG-2 aus technologischer Sicht schon ein alter Hut ist, weil die beiden neuen Verfahren effektiver komprimieren, also bessere Bildqualität bei gleicher oder niedrigerer File-Größe bieten. Das wird mit den größeren Datenmengen, die HD mit sich bringt, immer wichtiger.

Noch ist hier vieles im Fluß, kein klares Ende absehbar und es wird viel diskutiert. Vielleicht kommen auch wieder andere, derzeit bei der Mehrheit abgemeldete Kompressionsverfahren in die Diskussion, vielleicht setzt sich auch weder das eine noch das andere Verfahren wirklich durch, vielleicht ergibt sich sogar eine einigermaßen friedliche Koexistenz.

Ansätze gibt es wie immer auch aus mehreren Richtungen: So kommen aus dem Postproduktionslager verschiedene Konzepte, die für die Anforderungen der Nachbearbeitung optimiert sind. Sie visieren als Ziel immer noch deutlich höhere Datenraten an als H.264 und WM9, aber mit DNxHD von Avid und den Verfahren von Media100 und Canopus (mehr dazu in der PDF-Version dieses Artikels), ist auch hier Bewegung im Markt.

Und manchmal schafft schließlich die Produktebene ganz andere Fakten, als die Technologieebene plante oder absehen konnte. So arbeiten etwa HD-DVD und HDV, die in ersten Ansätzen schon verfügbaren, als nächstes kommenden Consumer-Formate mit MPEG-2-Kodierung. Wer wollte ausschließen, dass von hier wesentliche Impulse kommen?

DNxHD VON AVID
DNxHD ist ein Kompressionsverfahren mit dem sich laut Avid HD-Signale so effektiv komprimieren lassen, dass man in vielen Fällen keinen Unterschied zu unkomprimierten Signalen sieht, aber auf Datenraten kommt, die nur wenig über denen von unkomprimierten SD-Videodatenströmen liegen.

DNxHD ist laut Avid ein DCT-basierter Codec, der ausschließlich I-Frames produziert. Es handelt sich nicht um ein MPEG-Verfahren.

Zunächst will Avid drei Qualitätsstufen anbieten: DNxHD 220 mit 10 und 8 Bit, sowie DNxHD 145 mit 8 Bit. Die Zahl nennt dabei die jeweils maximal mögliche Datenrate, die real verwendete Datenrate kann davon aber nach unten abweichen, je nach zugespieltem Format und Bildrate. Zwei Beispiele verdeutlichen das: Arbeitet man mit 1920 x1080i und einer Bildrate von 59.95 dann generiert DNxHD 220 eine Datenrate von 220 Mbps. Werden HD-Signale mit 1280 x 720p und einer Bildrate von 23.976 mit DNxHD 220 komprimiert entstehen dagegen nur 87 Mbps.

Einen wichtigen Unterschied des eigenen Codecs zu anderen HD-Kompressionsverfahren sieht man bei Avid auch darin, dass DNxHD das jeweilige HD-Raster vollständig nativ unterstütze, während das bei anderen Verfahren nicht immer der Fall sei. Im Klartext: Einige der gängigen HD-Verfahren arbeiten nicht mit der ursprünglichen Pixelzahl, sondern reduzieren die Auflösung per Down-Sampling. Dadurch geht Auflösung verloren, während Avid für DNxHD reklamiert, dass das volle Raster erhalten bleibe und jedes verfügbare Pixel des aktiven Videosignals verarbeitet werde.

Downloads zum Artikel:

T_NAB04_Kompression.pdf

Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller
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