Report, Top-Story: 19.02.2002

HD-Produktionen in 24 und 25P

Der Fernsehfilm »Die Datsche«, Reisereportagen für das Arte-Magazin »Voyages, Voyages«, der Experimental-Spielfilm »Waterloo«, Werbespots für »maxblue« und »Flyer«, der Kurzfilm »Schlorkbabies an der Raststätte« und ein Messefilm für Opel markieren die Bandbreite der jüngsten HD-Produktionen, die unter deutscher Beteiligung entstanden sind.

Der Dreh des Fernsehfilms »Die Datsche« bedeutete für Regisseur Carsten Fiebeler und DoP Erik Krambeck auf technischem Gebiet Neuland: Für beide war es die erste Produktion mit hochauflösendem Video und 25 Vollbildern pro Sekunde (1080/25P). Die Produktionsfirma Equinox holte sich aber mit Koppfilm einen Partner ins Boot, der nicht nur über reichlich Erfahrung mit der HD-Produktion verfügt, sondern auch eigenes HDCAM-Equipment besitzt. DoP Krambeck: »Ich war sehr froh über die Entscheidung, mit 25P zu drehen und neugierig darauf, mich auf die neue Technik einzulassen. (…) HD ist eindeutig ein Strang des zukünftigen Kinos, an dem man nicht vorbeikommt.« Interessant ist, dass Krambeck die umfangreichen Eingriffsmöglichkeiten ins Signal-Processing des Sony-Camcorders HDW-F900 gar nicht für ein individuelles Set-Up nutzte, sondern mit einem der sechs Factory-Presets arbeitete und auch sonst alle anderen Werte wie Gamma und Schwarzwert in der Grundeinstellung ließ. Filmischer Look und entsättigte Farbwiedergabe, zwei Wünsche der Gestalter Krambeck und Fiebeler, wurden aus deren Sicht auch ohne Eingriffe ins SetUp erreicht. Ohnehin wollte Krambeck »den visuellen Look über das Licht beeinflussen« und erläutert: »Die gesamte Farbbearbeitung erfolgt erst hinterher beim Color Matching.« So soll etwa eine Nachtszene, die im Mondlicht gedreht wurde, in der Postproduktion noch einmal stark entsättigt werden. Beim Dreh nutzte Krambeck neben einem HD-Video- auch einen Waveform-Monitor, den er quasi als Belichtungsmesser einsetzte, um schon beim Dreh Pegelverhältnisse zu schaffen, die auch bei der TV-Ausstrahlung noch den gewünschten Look erreichen.

Der Sender Arte arbeitet bei seinem Reisemagazin »Voyages, Voyages« im Digital-Betacam-Format. Dennoch vergab der MDR, der neben anderen Sendern Beiträge für das Arte-Magazin zuliefert, an die Produktionsfirma Ottonia Media den Auftrag, in HD mit 25 Bildern pro Sekunde zu produzieren. »Trotz der Down-Konvertierung für die Sendung, ist das Ergebnis erheblich besser, als wenn direkt auf Digital Betacam gedreht worden wäre«, erläutert Producer Hans R. Boecking von Ottonia. Gemeinsam mit dem MDR bietet Ottonia Media die Reisefilme auch international an, wobei das HD-Format laut Ottonia-Geschäftsführerin Dr. Susanne Dönitz auf positive Resonanz trifft und die Vermarktung begünstigt: »Insbesondere in den USA und Asien stehen wir in konkreten Verhandlungen.«

Einen ganzen Spielfilm in einer einzigen Einstellung mit einem Steadicam-System zu drehen, das ist mit Film unmöglich. Nicht nur, dass es derzeit keine Filmkamera und kein Magazin gibt, mit denen das möglich wäre, kein Kamerastabilisierungssystem und kein Operator könnten die dadurch entstehende Traglast bewältigen. So verwundert es nicht, dass der Spielfilm »Waterloo – The Russian Ark« mit HD-Video gedreht wurde. Der Steadicam-Operator und DoP Tilman Büttner schnallte also eine HDW-F900 auf das Steadicam-System und drehte den Film mit 90 Minuten Länge am Stück in einer einzigen Einstellung (einen ähnlich langen Steadicam-Einsatz realisierte Hans Albrecht Lusznat für einen Dokumantarfilm). Die extrem aufwändige Produktion von »Waterloo« in der Sankt Petersburger Eremitage enthält Spielszenen aus drei Jahrhunderten, die von 2.000 Statisten und Schauspielern, einem Balett und drei Orchestern belebt werden. Dementsprechend hoch war auch der technische und organisatorische Aufwand. »Allein von der technischen Seite war dieses Projekt eine Herausforderung, der sich so zuvor noch niemand gestellt hatte,« fasst Karsten Stöter von der Produktionsfirma Egoli Tossell AG zusammen, einer der drei Producer. 1,8 Kilometer legte Tilman Büttner mit dem montierten HD-Camcorder zurück und trug dabei rund 35 kg Equipment am Körper: »Es war nicht nur in künstlerischer Hinsicht eine Herausforderung. (…) Es bestand zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, sich auch nur für eine Sekunde körperlich oder gedanklich zu entspannen.« Das Bildmaterial wurde aber gar nicht mit dem Camcorder auf Band aufgezeichnet, sondern direkt auf den Festplattenrecorder HD-Reel von Director“s Friend, weil der Camcorder in Ermangelung einer solchen Kassette, keine 90 Minuten am Stück im HDCAM-Format aufzeichnen kann. Begleitet wurde der DoP auf seinem anstrengenden Fußmarsch von drei Assistenten für Schärfe, Blende und Recording. Zudem im Schlepptau des DoP: Regisseur Alexander Sokurov, Übersetzer, Beleuchter, Grip, Continuity. Dreimal musste abgebrochen werden, im vierten Anlauf war die Einstellung und damit das gesamte Rohmaterial für den Film im Kasten. (Mehr zu dieser Produktion in Kürze bei www.film-tv-video.de.) Produziert wird »Waterloo – The Russian Ark« von Koppfilm, Martin Scorseses Cappa Productions und The Hermitage Bridge Studio.

Koppfilm war auch als technischer Dienstleister in die Produktion von zwei aktuellen Werbespots für die Deutsche-Bank-Tochter »maxblue« und die Veranstaltungszeitschrift »Flyer« involviert.
»Flyer« realisierte die Hamburger Filmproduktion Final Touch und deren Producer Rainer Spix erläutert, dass »die Produktion im Vergleich zu Film schneller und kostengünstiger war, da die Abtastung wegfiel.« Und weiter: »In der Post haben wir gewohnt aufwändig gearbeitet, die Bilder entsättigt und viel Schwärze reingenommen. Nachdem wir ein künstliches Korn über die Bilder gelegt haben, sieht der Spot wirklich sehr cineastisch aus.«
»maxblue« wurde von Markenfilm realisiert und deren Producer Andreas Dahrendorf weist auf Vorteile hin, die HDCAM als Aufnahmemedium bei diesem Projekt bot. Weil in den »maxblue«-Spots Personen ohne Kameraerfahrung agieren, sollte die Atmosphäre möglichst ungestört bleiben, ohne Magazinwechsel und Klappenschlagen. »35 mm wäre deshalb nicht praktikabel gewesen, zudem hätten wir bei den vielen Takes immense Kosten für das Filmmaterial gehabt. (…) Anfangs war es nicht so einfach, die Besonderheiten der noch weitgehend unbekannten Technologie zu vermitteln. In der klassischen Werbeproduktion ist HD-25P einfach noch nicht so verbreitet. Ich bin aber sicher, dass sich das ändern wird, denn HD bietet eine wirklich gute Alternative zwischen Digital Betacam und 35-mm-Film.«

Der Kurzfilm »Schlorkbabies an der Raststätte« von Regisseurin Petra Volpe erhielt seinen Look erst durch intensive digitale Nachbearbeitung aller Szenen. Am visuellen Konzept arbeitete daher neben der Regisseurin und der Set-Designerin Angelika Wedde auch der VFX-Supervisor und Inferno-Spezialist Kai Woytke mit. Gewünscht war die Übertragung der Hochglanzoptik von Modemagazinen ins Filmische. Weil hierfür ohnehin alle Szenen intensiv nachbearbeitet werden sollten, lag es nahe, gleich in HD zu produzieren, »denn dadurch entfielen alle Zwischenschritte wie Kopie oder Digitalisierung und das gesamte Material stand sofort für die Bearbeitung und Verfremdung am Computer zur Verfügung«, erläutert Petra Volpe. Am Ende der Bearbeitung wurde dann auf 35-mm-Film belichtet »Schlorkbabies« entstand als Koproduktion der HFF Potsdam-Babelsberg und Koppfilm.

Für die Automobil-Präsentation des Opel-Concept-Cars Signum II suchte die Event-Agentur On Air Production eine besondere Form. Gemeinsam mit der Medien- und TV-Agentur Alleswirdgut entstand die Idee, drei 4:3-Bilder nebeneinander zu einem 4:1- Breitbild zu kombinieren. Üblicherweise wird als Ausgangsmaterial für solche Splits 35-mm-Film gewählt. Der wird dann entweder mehrfach auschnittsweise abgetastet, oder komplett, aber in sehr hoher Auflösung, um die Split-Bilder dann in der Postproduktion zu generieren. Beim Opel-Spot entschied sich die Agentur Alleswirdgut aber für die Produktion des Ausgangsmaterials im 24P-HD-Format. »Der große Vorteil beim Dreh bestand darin, dass wir uns im Unterschied zu 35 mm materialmäßig nicht beschränken mussten. So konnten am Set verschiedene Ideen umgesetzt werden, auch solche die spontan entstanden und im Storyboard eigentlich nicht vorgesehen waren,« erläutert Reiner Knollmüller, Geschäftsführer und Kreativdirektor von Alleswirdgut. Gedreht wurde mit Equipment von Ludwig Kameraverleih im Studio, das HDCAM-Material wurde dann mit einem Inferno-System von Discreet und mit After-Effects von Adobe bearbeitet, aufgesplittet und in PAL-Auflösung ausgespielt. »Trotz der momentanen Schwächen, die die HDCAM-Kamera bei Zeitlupe und Schärfentiefe aufweiset, war ich hinsichtlich der Bildqualität und Praktikabilität rundum begeistert. Insbesondere die große Zeitersparnis kam uns bei dem recht eng gesteckten Zeitrahmen sehr entgegen. Der HD-Monitor als Regiekontrolle erwies sich bei den teilweise komplex beleuchteten Fahrzeug-Shots als sehr wertvoll,« resümiert Knollmüller, und weiter: »Mediendesign nimmt im Event-Bereich einen immer höheren Stellenwert ein. Das resultiert seit einigen Jahren in der Suche nach neuen, aufregenderen Bildformaten: extrem breit, hochkant, diagonal, rund und so weiter. In vielen Fällen werden für solche Darstellungen mehr Bildpunkte benötigt, als klassische TV-Technologie bietet.«