Branche, Site-Report, Top-Story, Workflow: 24.10.2002

Cinecittà Digital

Der Consultant Steve Shaw erläutert das Konzept des neu installierten Digital Lab bei Cinecittà Digital in Italien und berichtet über erste praktische Erfahrungen mit dem Digital-Intermediate-Prozess.

Originalaufnahmen der Filmstream-Kamera sehen entsättigt und flach aus.

Die Cinecittà-Filmstudios in Rom sind der Inbegriff italienischer Filmproduktion. Hier drehten Regisseure wie Fellini ihre erfolgreichen Spielfilme, Schauspieler wie Sophia Loren und Marcello Mastroianni feierten mit Cinecittà-Produktionen ihre größten Erfolge. In den 70er und 80er Jahren hatten die italienischen Vorzeige-Filmstudios allerdings zu kämpfen, und erst nach der Privatisierung in den 90er Jahren kam die erhoffte Wende. Jetzt zieht es wieder Regisseure aus aller Welt nach Rom: Cinecittà ist für manchen eine Alternative zur Produktion in Hollywood geworden, denn die Produktionskosten sind im Vergleich deutlich günstiger.

Erst nach der Korrektur im Digital-Intermediate-Prozess machen die Bilder etwas her und erreichen aus Sicht von Steve Shaw in vielen Aspekten das Niveau von 35-mm-Film.

Auch auf technischer Seite beschreitet Cinecittà neue Wege: So ist unter dem Dach von Cinecittà Digital das »Digital Lab« entstanden. Im »Digital Lab« hat Cinecittà Digital das umgesetzt, was in der Branche derzeit als Digital-Intermediate-Prozess umschrieben wird. Die Grundidee dahinter: Gedreht wird auf Film oder hoch auflösendem Video, dann wird die gesamte Nachbearbeitung digital durchgeführt und erst am Ende der Postproduktion wird wieder auf Film belichtet.

Digital Lab: Aufbau und Workflows

Das Digital Lab bei Cinecittà Digital ist in der Lage, wahlweise mit SD-, HD- aber auch mit Filmmaterial zu arbeiten. Ist Film das Ausgangsmaterial, wird das Material mit Thomsons Spirit Datacine in 2K (10-Bit, logarithmisch, RGB) gescannt, wobei sich die 2K-Scans mit einer Geschwindigkeit von 4 fps ins Netzwerk des Digital Lab übertragen lassen. Der Spirit wird bei einzelnen Effekt-Shots durch einen Genesis-Scanner von Kodak ergänzt. Ist hingegen hoch auflösendes Video das Ausgangsmaterial, belässt das Digital Lab das Material im nativen Format, das entweder von Sonys HDCAM-Camcorder, von Panasonics Varicam oder von Thomsons Viper kommt.

Steve Shaw, Quantel
Steve Shaw, Digital Workflow Consultant.

Im weiteren Verlauf der Bearbeitung im Digital Lab wird also mit Daten gearbeitet – unabhängig davon, welchen Ursprungs diese Daten sind. Herzstück des »Digital Lab« ist das Quantel Postproduktionssystem iQ. Dazu Steve Shaw, mitverantwortlich für das technische Konzept des Digital Lab bei Cinecittà Digital: »Wir haben uns deshalb für Quantels iQ entschieden, weil es mit diesem System möglich ist, digitales Material in 2K simultan und in Echtzeit einzuspielen, zu bearbeiten und wiederzugeben. Zudem verfügen wir mit dem System über nahezu vier Terabyte Random-Access-Speicher, auf den man in Echtzeit zugreifen kann. Diese Leistungsfähigkeit bietet kein anderes System.«

Im Netzwerk des Digital Lab spielen aber auch noch andere Softwares und Systeme eine Rolle: »Wir arbeiten unter anderem mit Inferno von Discreet, mit Cineon von Kodak, Shake und Final Cut Pro von Apple, Commotion von Pinnacle und Symphony von Avid, um ganz spezielle Jobs außerhalb von iQ abzuwickeln. Die einzelnen Schritte laufen dann in iQ wieder zusammen«.

Shaw hebt weiter hervor, dass auch fürs Color-Grading eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung stehe. Für »einfaches« Chemical-Film-Style-Grading etwa biete iQ eine Funktionalität, die alle Anforderungen erfülle. »Für komplexere Anforderungen beim Grading gibt es die Möglichkeit, iQ in Kombination mit einem Farbkorrektursystem von Pandora oder daVinci zu nutzen,« erklärt Steve Shaw weiter.

Am Ende der Bearbeitungskette ist wahlweise ein digitales Master vorgesehen, oder die Ausbelichtung auf Film mittels Arrilaser. Zudem bietet das Digital Lab die Möglichkeit, simultan HD- und SD-Kopien des Masters zu generieren, etwa für DVD-Auswertungen oder auch für Digital-Cinema-Applikationen.

Digital Lab: Erfahrungen mit Thomsons Viper Filmstream-Kamera

Thomson gelang es mit der Viper Filmstream-Kamera, eine interessante Alternative für den Dreh auf Film einzuführen. David Bush, Gründer von Cinecittà Digital, verfolgt diese Entwicklung mit großem Interesse: »Wir stellen fest, dass zunehmend elektronisch aufgezeichnet wird. Auch wir bei Cinecittà arbeiten mit einer Thomson Viper Kamera und spielen diese Footage direkt in iQ ein. Dabei wird das komplette 10-Bit-Log-File mit vollem Dynamikumfang im Dual-Stream-HD-Mode aufgezeichnet. Sehr viele Kameraleute stellen dabei fest, dass sie damit einen Belichtungsspielraum erzielen, der nahezu dem von Film entspricht. Auch gegenüber anderen HD-Formaten hat dieses Format Vorteile und bietet eine höhere Auflösung. Auf der großen Leinwand sind die Ergebnisse bei der Projektion sehr beeindruckend, und mancher Anwender spielt bereits mit dem Gedanken, bei zukünftigen Projekten das Shooting und die Nachbearbeitung gleichzeitig ab zu wickeln. In diesem Umfeld ist die Koexistenz verschiedener Auflösungen unabdingbar, und mit iQ sind wir dafür gerüstet«.

Thomsons Viper wird in Cinecittà genutzt.

Steve Shaw bestätigt diese Einschätzung und geht ebenfalls davon aus, dass sich mit der Verfügbarkeit von Thomsons Viper die Filmproduktion und –nachbearbeitung ändern wird. Mit etlichen Pilotprojekten hat sich das Digital Lab in diesem Bereich schon sehr viel Knowhow angeeignet. So wickelte Cinecittà Digital schon im vergangenen Jahr mit dem Vorläufer der Viper-Kamera komplette Filmproduktionen ab, die auf hoch auflösendem Video gedreht wurden. Die Endprodukte dieser Tests waren unter anderem bei den Festivals in Venedig und Berlin zu sehen und stießen auf große Resonanz.

In diesem Jahr setzte Cinecittà Digital diese erfolgreichen Test mit der Viper fort. Im Rahmen eines Wettbewerbs erhielten junge Filmschaffende die Möglichkeit, ein Drehbuch für einen Kurzfilm einzureichen. Drei davon wurden verfilmt, und zwar mit Thomsons Filmstream-Kamera.

Die Nachbearbeitung erfolgt mit iQ von Quantel.

Die Nachbearbeitung der Beiträge erfolgte dabei mit Quantels iQ-System. Schon im Verlauf der Produktion zeigte sich, dass durch das neue Equipment auch die Arbeitsabläufe beeinflusst werden: »Wir konnten das Material der Viper schon während des Drehs nachbearbeiten, was für die Regisseure neue Möglichkeiten eröffnete, denn das Feedback auf die Arbeit am Set war auf diese Weise direkter und unmittelbarer als je zuvor,« berichtet Steve Shaw.

Überrascht zeigt er sich von der Qualität der Aufnahmen: »Die Bildqualität ist natürlich nicht so makellos wie bei 35-mm-Film, und der Dynamikumfang reicht nicht an den von 35-mm-Film heran, aber die Ergebnisse sind dennoch sehr überzeugend. Aus meiner Sicht ist die Aufzeichnung mit Viper ein guter Kompromiss aus Film- und Videoaufzeichnung, denn man hat die Vorteile eines traditionellen Videoformats, gleichzeitig aber eine Qualität, die sehr nahe an die von 35-mm-Film herankommt. Und das ist schon eine ganze Menge«.

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