Broadcast, Top-Story: 26.04.2003

Telefonieren übers Datennetz

Das ZDF sammelt seit über einem Jahr Erfahrungen mit der Sprachübertragung via Datennetz. Bei den »fliegenden Netzen« im Rahmen von Großveranstaltungen ist der Einsatz dieser Technologie am weitesten fortgeschritten.

Das ZDF nutzt zunehmend Datennetze fürs Telefonieren. Bei Großereignissen wird oft mit dieser Technologie gearbeitet. Mehr als fünfzig Redakteurs-Arbeitsplätze sind hinter den Kulissen in Betrieb, wenn Talkshow-Moderator Thomas Gottschalk bei »Wetten, dass…?« in Berlin, Böblingen oder Wien im Rampenlicht steht. Die PCs dieser Arbeitsplätze sind untereinander vernetzt und auch mit dem Local Area Network (LAN) in der ZDF-Zentrale in Mainz-Lerchenberg verbunden. Bei Veranstaltungen im Ausland wird die Datenverbindung über eine internationale Mietleitung und zwei Multiplexer für Bild, Ton und Daten hergestellt. In Deutschland erfolgt die Anbindung über eine Datendirektverbindung mit Wählbackup nach Mainz oder zu einem der nächsten ZDF-Landesstudios und von dort über das Corporate-Network des Fernsehsenders zur Zentrale in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Jeder Mitarbeiter kann so an jedem beliebigen Veranstaltungsort auf die gewohnte Netzwerkumgebung des Sendezentrums zugreifen.
»Früher mussten wir bei Großereignissen zusätzlich zum Datennetz noch eine extra Telekommunikations-Infrastruktur aufbauen«, berichtet Uwe Metzroth, Leiter des Netzwerkteams beim ZDF. Über diese gemietete Telefonanlage konnten die Mitarbeiter bei Veranstaltungen wie »Wetten, dass…?«, der CeBIT in Hannover oder bei Fußball-Live-Übertragungen von ihrem zeitweiligen Arbeitsplatz aus telefonieren. Doch seit mehr als einem Jahr gehört dieser doppelte Zeit- und Kostenaufwand der Vergangenheit an: Mit Hilfe der Sprachübertragung per Internet-Protokoll — kurz »Voice over IP« (VoIP) — muss heute nur noch ein einziges Kabel verlegt werden: Die »fliegenden Netze« auf den Großveranstaltungen dienen dabei sowohl zur Daten- wie auch zur Sprachübertragung.

KEINE DOPPELTE INFRASTRUKTUR MEHR

Neben dem verringerten Installations- und Wartungsaufwand schlägt vor allem die Kostenreduzierung bei der Übertragung positiv zu Buche. Insbesondere die häufigen Telefonate mit der Sendezentrale in Mainz sind nun völlig gebührenfrei, da sie komplett über die ohnehin existierende Dateninfrastruktur abgewickelt werden. Und da das lokale Netz am Veranstaltungsort auch an das örtliche Telefonnetz angekoppelt ist, sind darüber auch ganz normale Orts- und Ferngespräche möglich. Gleiches gilt für die Dateninfrastruktur in der ZDF-Zentrale: IP-Telefonate — egal ob sie aus dem Datennetz in Mainz oder aus dem »fliegenden Netz« bei einer Großveranstaltung kommen — können über die Telefonanlage in das öffentliche Telefonnetz weitergeleitet werden.
Der große Vorteil: Der Fernsehsender muss bei Gesprächen über diese Verbindung nicht die teuren Ferngesprächsgebühren bezahlen, sondern es fallen nur die Gebühren ab dem Standort Mainz an. Kein Wunder, dass die IP-Telefonie bei den mobilen ZDF-Mitarbeitern auf eine hohe Akzeptanz stößt. »Zumal es damit in der Praxis keinerlei technische Probleme gibt«, wie Uwe Metzroth betont. Selbst an die Bedienung der neuen IP-Phones, die sich etwas von den gewohnten Telefonen unterscheiden, haben sich die betroffenen Mitarbeiter schnell gewöhnt. Langfristig — da ist sich Metzroth sicher — werden die Sprach- und Datennetze auch beim Fernsehsender immer mehr zusammenwachsen.

BANDBREITEN-PROBLEME GELÖST

Das ZDF kann auf eine lange Netzwerktradition zurückblicken, die von einem stetig wachsenden Bedarf an Übertragungsbandbreite geprägt ist. Die rapide wachsende Zahl der Nutzer und Applikationen führte schon bald zu Engpässen. 1996 fiel deshalb die Entscheidung, ein neues Netzwerk aufzubauen. Realisiert wurde es vom Kölner Full-Service-Provider NK Networks & Services. »Im Vordergrund stand bei diesem Projekt vor allem die Lösung des akuten Bandbreitenproblems«, erklärt Systemberater Stephan Bahl. Aber auch die Chance, die vorhandenen heterogenen, nur noch schwer administrierbaren Strukturen sinnvoll zu entzerren und in ein neues Netz zu integrieren, sprach dafür. Ebenso neue Möglichkeiten beim Netzwerk-Management wie die schnelle und problemlose Zuweisung von Virtuellen Lokalen Netzen (VLANs) und die Nachführung von Anschlüssen bei Umzügen ohne Neuverkabelung.
Auch bei der Einführung von Voice over IP setzte das ZDF auf die kompetente Unterstützung der Experten von NK Networks & Services. Neben den fliegenden Netzen bei Großveranstaltungen sind die Auslandsstudios rund um den Globus ebenfalls ein Bereich im ZDF, in dem es bereits umfassende praktische Erfahrungen mit der Sprachkommunikation über die Datennetze gibt. So sind in den Büros in Tokio, Tel Aviv, Moskau, Warschau, Rom, London, Wien, Washington, New York und Brüssel jeweils ein bis zwei IP-Telefone installiert. »Diese bieten Leistungsmerkmale, die weitgehend denen eines handelsüblichen ISDN-Komforttelefons entsprechen, wie zum Beispiel Rufweiterleitung, Konferenzschaltungen oder Anzeige der Rufnummer des Anrufers«, sagt Bahl. Die dafür notwendigen Investitionen haben sich schnell bezahlt gemacht, denn die Telefonate zwischen den Auslandsstudios und der Mainzer Sendezentrale können nun über das IP-Phone gebührenfrei abgewickelt werden.

TELEFONGEBÜHREN DER AUSLANDSTUDIOS SINKEN

Einziger Nachteil: Zur Zeit gibt es noch keine Verbindung zu den Telefonanlagen in den Studios, so dass eine Weitervermittlung von Gesprächen nicht möglich ist. Die IP-Telefone sind vielmehr als Nebenstellen des Mainzer Telekommunikationssystems zu betrachten. »Wir werden aber die Zahl der IP-Endgeräte in den einzelnen Büros erhöhen und auch eine Ankopplung an die örtlichen Telefonanlangen vornehmen«, blickt Uwe Metzroth in die Zukunft. Außerdem sei die Einbeziehung weiterer Auslandsstudios in das Voice-over-IP-Konzept geplant. Der Kostenvorteil ist immens: So konnte alleine das ZDF-Studio in Tel Aviv damit seine Telefongebühren insgesamt um rund 40 Prozent senken.

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