Broadcast, Top-Story: 13.04.2004

Digital, vernetzt und bandlos auf Sendung

AZ Media produziert mit einer digitalen Newsroom-Lösung von Pinnacle die RTL-Regionalprogramme für den norddeutschen Raum. www.film-tv-video.de hat das neue Sendezentrum in Hamburg besucht.

»Seit dem 2. Februar dieses Jahres sind wir bei AZ Media auf Sendung. Sie können mir glauben, dass dieses Datum in meinem bisherigen Reporterleben einen ganz besonderen Stellenwert hat.« Wenn AZ-Media-Chef Andre Zalbertus das sagt, ist nicht zu überhören, dass auch er selbst immer noch nicht ganz glauben kann, was ihm und seinem Team gelungen ist: In nur zwei Monaten aus einer Baustelle in Hamburg Falkenried ein digitales, vernetztes und bandloses Sendezentrum auf zu bauen, das nun erfolgreich RTL-Regionalprogramme sendet.

Was macht denn die Installation bei AZ Media so besonders? AZ Media hat das Band weit gehend aus dem Sendezentrum verbannt, die Arbeitsabläufe radikal an die bandlose Produktion angepasst und dabei jedem einzelnen Mitarbeiter effektive Arbeitswerkzeuge in die Hand gegeben, aber auch mehr Verantwortung übertragen.
Dass es in der extrem kurzen Bauphase und im Vorfeld, bei der Konzeption des Sendezentrums, manches Hindernis zu überwinden galt, versteht sich von selbst. Andre Zalbertus spricht offen aus, dass AZ Media bei diesem Projekt mit viel Skepsis von verschiedenen Seiten zu kämpfen hatte: »Viele hätten uns gerne scheitern gesehen, das war ein harter Weg. Aber jetzt läuft alles, und zwar gut.«

Thomas Müller, Geschäftsbereichsleiter Broadcast bei AZ Media, fasst das Erreichte so zusammen: »RTL Nord ist für uns der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Wir haben zusammen mit unseren Partnern das Fernsehen der Zukunft konzipiert. Das war nur möglich, weil in der AZ Media Redakteure, Broadcast-Experten und IT-Ingenieure gemeinsam Pionierarbeit geleistet haben.«

Die technischen Säulen des neuen Sendezentrums der AZ Media bilden das Pinnacle-Newsroom-System Vortex mit Palladium-Speicher- und -Netzwerk, vier Liquid-Editing-Systemen und fünf Deko1000-Schriftgeneratoren, sowie eine Sendeautomation von Pebble Beach. Der Gesamtwert der Systemkomponenten liegt bei rund 1,8 Millionen Euro – und blieb damit um ein Vielfaches unterhalb der Summe, die bei der Verwendung klassischer, SDI-basierender Broadcast-Komponenten zusammen gekommen wäre. Realisiert wurde das Projekt auch im Zusammenspiel mit T-Systems. Die Telekom-Tochter war für die schlüsselfertige Implementierung der Systemkomponenten verantwortlich.

ABLÄUFE BEI AZ MEDIA

Gedrehtes Material, das im Sendezentrum in Hamburg-Falkenried eingeht, wird zunächst über das Vortex-System eingespielt und im zentralen Palladium5000-Store gespeichert. Der Großteil des Materials, das im Ingest ankommt, ist DV-basierend. Bei AZ Media stehen aber auch Player der Formate DVCAM, DVCPRO und IMX zur Verfügung.
Schon während des Einspielens des Materials auf den Palladium-Speicher wird eine MPEG-1-Kopie in geringer Auflösung erzeugt. Auf diese Proxy-Kopie können die Redakteure von ihren Arbeitsplätze aus zugreifen und mit Hilfe des Vortex-Software-Moduls DeskEdit ihre Beiträge schneiden.

Insgesamt gibt es bei AZ Media rund 30 Journalistenarbeitsplätze, die mit DeskEdit ausgerüstet sind. »DeskEdit ist sehr einfach zu bedienen, wir mussten die Journalisten nur zwei Tage schulen, dann konnten sie damit arbeiten,« berichtet Thomas Müller und ergänzt: »Einfache Bedienung ist in allen Bereichen eine grundlegende Anforderung an die Software-Programme, mit denen wir bei AZ Media arbeiten.«

Die mit DeskEdit von den Redakteuren geschnittenen Beiträge werden im Sendeablauf durch Trailer und Promotions ergänzt. Solche komplexeren Beiträge realisiert das AZ-Media-Team allerdings nicht mit DeskEdit, sondern mit den hierfür besser geeigneten Liquid-Editing-Systemen.

Alle Änderungen, die ein Journalist beim Schnitt mit DeskEdit am Proxy-Material vornimmt, überträgt das Vortex-System automatisch (und natürlich non-destructive) auf das Originalmaterial, so dass die in niedriger Auflösung fertig bearbeiteten Beiträge auch sofort in voller Qualität fürs Ausspielen bereit stehen. Das ermöglicht es dem leitenden Redakteur, noch während des Playouts letzte Änderungen zu realisieren

Ungewöhnlich bei der von AZ Media betriebenen Installation: Die Sendeabwicklung sitzt mitten in einem großzügigen, loftartigen Raum und besteht gerade Mal aus vier PCs, auf denen DeskEdit und die Automations-Software Pebble Beach laufen.

Stephan Brandt, Projektmanager bei AZ Media, erläutert: »Die Ablaufsteuerung ist variabel, so dass die Redakteure jederzeit noch in den aktuellen Ablauf eingreifen können. Es gibt allerdings wichtige Einschränkungen bei der Bedienung, so dass Fehler weit gehend schon im Vorfeld ausgeräumt werden. Wenn der Redakteur etwa Titel eingibt, stehen im für die einzelnen Magazine ganz bestimmte Layout-Templates zur Verfügung, in die er nur noch seinen Text eingeben muss. Am Erscheinungsbild selbst kann er also gar nichts ändern.« Somit wird ein durchgängiges On-Air-Design gewahrt und es wird verhindert, dass zu viele Köche den Brei verderben.

Das Ausspielen der Regionalprogramme erfolgt direkt vom Server und wird von der Sendeautomation gesteuert. Die Programme werden per ATM-Leitung an die jeweilige Sendezentrale übertragen.

ERSTE ERFAHRUNGEN

Dass bandlose TV-Produktion auf der Basis von IT-Komponenten zu den derzeit heißen Themen der Broadcast-Welt gehört, ist offenkundig: Sowohl bei öffentlich-rechtlichen wie auch bei privaten Sendern und deren Dienstleistern wird mit Hochdruck daran gearbeitet, neue Konzepte zu entwickeln und moderne Sendezentren zu realisieren, um damit effektiver und vor allem kostengünstiger Produzieren zu können.

Mancher Sender oder TV-Dienstleister tut sich dabei allerdings sehr schwer und kämpft mit technischen Problemen auf der einen und mit überkommenen Mitarbeiterstrukturen und einer ablehnenden Haltung verschiedener Interessensgruppen auf der anderen Seite.

Auf die Frage, was den bisherigen Erfolg der Installation bei AZ Media ausmache, antwortet Andre Zalbertus: »Viele solcher Projekte sind gescheitert, weil die Mitarbeiter nicht mitgezogen haben. Bei AZ Media haben wir die Mitarbeiter deshalb von Beginn an in die Entwicklung einbezogen und geschult. Dennoch ist der Wechsel nicht ganz leicht, die Geschäftsleitung muss bei so einem Projekt mit harter Hand, aber auch mit Verständnis agieren.«

Thomas Müller, der technische Kopf hinter der AZ-Media-Installation, führt weiter aus: »Die IT-Technik spielt in der Broadcast-Technik eine zentrale Rolle, und es ist essenziell, sie bei so einem Projekt ein zu binden und auch Mitarbeiter zu haben, die bereit sind, sich damit auseinander zu setzen. Zudem war es uns auch ganz wichtig, bei dem Projekt möglichst wenig Schnittstellen zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller zu haben – denn die machen in der Praxis meist Probleme. Deshalb haben wir uns mit Pinnacle Systems für einen Hersteller entschieden, der eine sehr breite Produktpalette hat.«

Was den Erfolg der Installation bei AZ Media ganz sicher ebenfalls begünstig hat, ist das Interesse des TV-Reporters und AZ-Media-Geschäftsführers Zalbertus für die Technik: »Während meiner Zeit als Korrespondent in Moskau habe ich mit vielen Amerikanern und Engländern zusammen gearbeitet. Bei denen sind Inhalte und Technik im News-Bereich nicht so stark getrennt. In diesem Umfeld habe ich dann sehr schnell erkannt, dass es nützlich ist, etwas mehr von der Technik zu wissen, obwohl ich nur für die Inhalte zuständig war.«

In Thomas Müller hat Andre Zalbertus dann den technischen Gegenpart gefunden, der sein vorhandenes Grundinteresse für Technik verstärkte und schon früh die Möglichkeiten der bandlosen Fernsehproduktion erkannte. Vor allem aber war Thomas Müller auch in der Lage, die Möglichkeiten dessen zu vermitteln und Mitstreiter für das ehrgeizige Technikprojekt zu finden.

Andre Zalbertus und Thomas Müller denken mittlerweile schon über die nächste Stufe ihres Zukunftsfernsehens nach: »Das angekündigte HDV-Format ist durchaus interessant für uns«, sagt Thomas Müller, »denn damit ließe sich zu vernünftigen Preisen und Konditionen qualitativ hochwertiger als bisher produzieren«. Und Zalbertus ergänzt: »Ganz wichtig ist bei der Diskussion um High Definition natürlich der Preis. Doch wenn die Ankündigungen der Hersteller stimmen und HD schon in Kürze zu SD-Preisen möglich wird, ist das natürlich interessant für uns.«

INFOS ÜBER AZ MEDIA

AZ Media ist in drei verschiedenen Unternehmensbereichen aktiv:

* Als Fernsehproduzent realisiert AZ Media unterschiedlichste Inhalte, darunter Doku-Soaps, Reportagen und Magazine , aber auch Dokumentationen und Werbeclips. AZ Media konnte seit der Gründung im Jahr 1996 für seine Produktionen etliche Preise gewinnen, darunter mehrere für die vierteilige RTL-Dokumentation »Kanzler, Krisen, Koalitionen« von Peter Kloeppel und Andre Zalbertus.

* Für RTL und andere Sender betreibt AZ Media als technischer Dienstleister das Hauptstadtstudio in Berlin am Schiffbauerdamm.

* Im Jahr 2002 etablierte AZ Media gemeinsam mit dem New Yorker Unternehmensberater Michael Rosenblum eine 18-monatige Videojournalistenausbildung. Mittlerweile läuft die nächste Staffel, und AZ Media bietet zusätzlich auch weitere Schulungen an.

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Dieser Beitrag steht mit mehr Informationen und Bildern als druckfreundliches PDF zum Download bereit. Er ist rund 550 kB groß und umfasst vier DIN-A4-Seiten. Zum Abruf klicken Sie bitte unten auf dei Dateibezeichnung T_0404_AZMedia.pdf.

Zusätzlich ist von Thomas Müller, Leiter Technik Broadcast bei AZ Media, ein detailliertes PDF verfügbar, das die Abläufe und Installationen bei AZ Media in mehreren Diagrammen darstellt. Das Dokument ist acht Seiten lang und rund 1,1 MB groß. Zum Download klicken Sie bitte unten auf T_0404_AZMEdia_Ablaeufe.pdf.

Downloads zum Artikel:

T_0404_AZMedia.pdf
T_0404_AZMEdia_Ablaeufe.pdf