Festival, Top-Story: 05.05.2021

Filmtipps fürs 36. Dokfest München 2021

Das Dokfest München 2021 startete am 5. Mai sein 18 Tage langes Online-Festivalprogramm. Die Filme stehen bis zum 23. Mai online zur Verfügung, es gibt Einzeltickets und einen Festivalpass.





COSAS QUE NO HACEMOS / THINGS WE DARE NOT DO
[Mexico, Transgender]
Mexiko 2020 / 75 Minuten

Viele Filme versuchen mit ihren Anfängen die Zuschauer zu überraschen und in das Thema hineinzuziehen. Hier gelingt es dem Filmemacher in ganz besonderer Weise.

Cosas Que No Hacemos / Things we Dare not to Do

Nach Flugaufnahmen einer Landschaft sieht man Füße in roten Pantoffeln in einem Ultralightflieger, dann von hinten eine Person im Santa-Claus-Kostüm, die im Flieger über einem Dorf kreist und etwas herabwirft, was sich am Boden bei den Kindern als Süßigkeiten herausstellt. Eine extrem bewegliche Kamera folgt den Kindern beim Aufsammeln und endet auf dem Dorfplatz bei einem älteren Jungen, der mit einer Kinder-Gruppe eine Choreographie einübt. Es ist Nono, der als Transgender bei den Kindern im Dorf beliebt ist, aber bei Erwachsenen auch Anfeindung erfährt. Mit dem Filmemacher verbindet ihn ein freundschaftliches Verhältnis, und schließlich konfrontiert er seine Eltern mit der Realität und seinem Wunsch, Frauenkleider zu tragen. Schließlich findet er in der Provinzstadt eine Stelle als Verkäufer in einem Kleidergeschäft.
Sehenswert: *****

DER GERAUBTE WALD
[Raubbau an der Natur]
DE, AT, RO 2020 / 97 Minuten

Beim Namen Schweighofer kreischen nicht nur die Motorsägen, sondern schrillen alle Alarmglocken. Diese Firma des vermeintlichen österreichischen Saubermanns ist in Rumänien wiederholt in illegalen Holzraub verwickelt gewesen.

Der geraubte Wald

Alle Vorwürfe werden penetrant zurückgewiesen, und da Schweighofer nur geschlagene Bäume ankauft, glaubt man sich schuldlos. Immerhin hat man die Firma in HS Timbergroup umbenannt, vielleicht, um den anrüchigen Namen abzuschütteln. Alexander von Bismark ist für seine NGO Environmental Investigation Agency unterwegs, den Holzraub zu dokumentieren, als vermeintlicher Verkäufer, verkabelt mit einer versteckten Videokamera. Der Film begleitet die Aktionen der Umweltschützer in China, Rumänien und Südamerika, und überall sind die Muster die gleichen.
Sehenswert: ****

SILENCE OF THE TIDES – DER ATEM DES MEERES
[Beobachtungen, Wattenmeer]
NL, DE 2020 / 90 Minuten

Das Wattenmeer ist ungefähr 9.000 Quadratkilometer groß und erstreckt sich von den Niederlanden bis nach Dänemark. Alles ist einem Rhythmus unterworfen, Flut und Ebbe, die Lebewesen unter und über Wasser und auch die Menschen, die rund um das Wattenmeer wohnen und von ihm leben. Der Film vermittelt 90 Minuten lang mit gewaltigen Bildern die verschiedensten Einblicke in den Lebensraum des Wattenmeers, ohne dabei eine spezielle Geschichte zu erzählen oder einer absehbaren Dramaturgie zu folgen.
Sehenswert: *****

Silence of the tides / Atem des Meeres

ERWIN OLAF – THE LEGACY
[Fotografie, Lebensgeschichte, Vermächtnis]
Niederlande 2020 / 76 Minuten

Der niederländische Fotograf Erwin Olaf hat viel in der Werbung gearbeitet und in den vergangenen Jahren eine eigene Ausdrucksweise mit großen filmmäßig komponierten Bildern gefunden.

Erwin Olaf – The Legacy

Museen überall auf der Welt stellen seine Werke aus. Kurz vor dem 60sten Geburtstag hat ihn eine Krankheit soweit im Griff, dass ein Ende seiner Schaffensmöglichkeiten absehbar ist. In diesem Film, der ihn bei verschiedenen Projekten begleitet, denkt er über sein Vermächtnis nach. Ab dem 14. Mai 2021 sind seine Bilder in der Münchner Hypo-Kunsthalle unter dem Titel »Unheimlich schön« zu sehen.
Sehenswert: ***

SHADOW GAME
[Flucht, EU-Grenze]
Niederlande 2021 / 89 Minuten

Die Flucht nach Europa ist immer wieder Thema. Es sind junge Männer zwischen 14 und 20 aus den Katastrophengebieten der Welt, aus Syrien, dem Irak, aus Afrika und Afghanistan, die sich zu Fuß aufmachen, in das gelobte Europa. Es gibt viele Hindernisse zu überwinden, und weil das Ganze an ein Videospiel erinnert, sehen sie selbst jeden Versuch einer Grenzüberwindung als »The Game«. Wahrscheinlich sind unter dieser Perspektive die gescheiterten Versuche leichter zu ertragen, denn immer wieder riskieren sie auch ihr Leben, werden geschlagen, misshandelt, gefangen und wieder zurückgeschickt. Es gibt welche, die nach dem 20. Versuch immer noch nicht aufgegeben haben und es wieder versuchen wollen. Der Film begleitet mehrere Protagonisten auf ihrer Flucht über mehrere Jahre. Mit ihren Handys sind die Jungen nicht nur gut vernetzt, wissen wo sie sind und können mit der Familie und untereinander kommunizieren, sie filmen sich auch selbst in den irrwitzigsten Situationen. Am Ende haben es einige geschafft. Was der Film vor allem erreicht: Er bringt die Protagonisten nahe und lässt den Zuschauer Sympathie empfinden. Tragisch ist, dass diese Jungen ihre besten Ausbildungsjahre mit einer unsinnigen Flucht vergeuden.
Sehenswert: ***

LOST BOYS
[Kambodscha, Drogenkonsum]
Finnland 2020 / 99 Minuten)

»Lost Boys« ist die Fortsetzung des Dokumentarfilms »Reindeerspotting« von 2010, der von einer Clique Drogenabhängiger um Jani handelt.

Lost Boys

Nach dem Filmerfolg setzte sich Jani mit dem Freund Antti und dem Regisseur nach Kambodscha ab, wo ihr Trip im Drogenexzess und schließlich in Janis Tod endet. Regisseur Joonas versucht mehr über den Tod von Jani herauszufinden, muss aber nach seiner Rückkehr für zweieinhalb Jahre in den Knast. Dieser Film reflektiert die Geschichte und gibt einen Einblick in die Drogenszene und den Rotlichtbereich in Kambodscha.
Sehenswert: **

MONOBLOC
[Möbel Design, Sitzkultur]
Deutschland 2021 / 90 Minuten

Monobloc ist das Synonym für den meist weißen, billigen, stapelbaren Plastikstuhl, der in einem Stück im Spritzguss hergestellt wird und schon millionenfach weltweit verkauft wurde. 55 Sekunden dauert die Fertigung — und es lässt sich noch beschleunigen. Die Filmemacher setzten sich mit den verschiedensten Aspekten des Stuhles auseinander, der weit verbreiteten Ablehnung in Deutschland und der enthusiastischen Aufnahme in Indien, wo der Stuhl die Sitzkultur veränderte, vom Bodenniveau an den Tisch. Für ihre Erzählung haben die Macher viel inszeniert und initiiert, aber sie gewähren dabei auch immer einen Blick hinter die Kulissen. Werden für die Titelsequenz am Strand beispielsweise 150 Monobloc Stühle arrangiert, dann erlebt man die ganze Aktion, um schließlich in einer Drohnenaufnahme die Buchstaben »Monobloc« zu sehen. Dieser Stuhl hält viele Überraschungen bereit.
Sehenswert:*****

 

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Seite 4: Soldaten, Eva-Maria, Heimatkunde, La Conquista de las Ruinas, Between Fire and Water, Zinder
Seite 5: Cosas Que no Hecemos, Der geraubte Wald, Silence of the Tides, Erwin Olaf, Shadow Game, Los Boys, Monobloc


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