Branche, Top-Story, Trend: 22.07.2015

Bessere Bewegtbilder für alle: HDR und Dolby Vision

Mehr Auflösung, mehr Dynamik- und Kontrastumfang, größere Farbräume: Das alles ist in der Bewegtbildproduktion schon länger ein Thema — und moderne Technik hat hier auf der Produktionsseite teilweise auch schon zu einer starken Qualitätsverbesserung beigetragen. Wenn man sich aber anschaut, wie wenig vom Fortschritt auf der Herstellungsseite bislang beim Zuschauer ankommt, dann kann einen das durchaus traurig stimmen. Dolby hat Ideen, wie man das ändern könnte.

Der weit überwiegende Teil unseres aktuellen Bewegtbildkonsums entspricht von der Bildqualität her schon längst nicht mehr dem, was heute technisch möglich wäre. Ein Grund dafür sind uralte technische Standards, die zu Beginn des Fernsehzeitalters auf die Unzulänglichkeiten der Bildröhre abgestimmt werden mussten, um damals überhaupt ein einigermaßen akzeptables Fernsehbild zu ermöglichen. Dieses Erbe wirkt trotz Digitalisierung und HD bis in die Gegenwart nach — und beschneidet die Qualität, die wir auf TV-Schirmen und teilweise auch im Kino sehen.

Zeit, das zu ändern: Das empfinden immer mehr Marktteilnehmer so. In der Folge manifestierte sich HDR (High Dynamic Range) etwa bei der NAB2015 als neuer Techniktrend im Videobereich (Meldung): der Dynamikumfang und der Farbraum von Videobildern rücken neben der Steigerung der Auflösung etwas weiter in den Fokus. Auch weitere Aspekte, wie das Ersetzen der auf Bildröhrencharakteristiken basierenden Gammakurve unseres TV-Systems durch neue Transferfunktionen, spielen eine Rolle.

Dolby ist bei den »Bildverbesserern« mit von der Partie und macht mit Dolby Vision einen Vorschlag, wie es gelingen könnte, die Verbesserungen auf der Produktions- und Postproduktionsseite bis zum Endkunden zu transportieren, dabei aber einen ganz harten technologischen Schnitt zu vermeiden und stattdessen einen einigermaßen weichen Übergang anzubieten.

Warum ist es sinnvoll, den Kontrastumfang des TV-Systems zu erweitern?

Ist der Kontrastumfang eines Geräts oder eines Bildsystems kleiner als der des menschlichen Auges — was bei allen derzeit üblichen TV-Systemen der Fall ist — dann weicht das wiedergegebene Bild in Bezug auf den Kontrastumfang von dem ab, was man direkt vor Ort sehen würde: Für die Bildschirmdarstellung wird der tatsächlich in der Realität vorhandene Kontrastumfang entweder insgesamt gestaucht, oder man wählt einen bestimmten Abschnitt aus, der möglichst gut dargestellt werden soll und lässt den Rest im Schwarz »absaufen« oder im Weiß »überstrahlen«.

Ein größerer Kontrastumfang bringt also realitätsnähere und auch detailreichere Bilder, so kann man etwa bei HDR-Aufnahmen in Wolken noch feine Strukturen erkennen, die bisher wegen des begrenzten Kontrastumfangs verloren gegangen wären.

Warum ist es sinnvoll, den Farbraum des TV-Systems zu erweitern?

Die Farben, die der Mensch sehen kann, kann man auf verschiedene Weise darstellen. Eine der gängigen Methoden dafür ergibt ein zungenförmiges Diagramm: Hier sind — grob gesagt — alle Farben enthalten, die der Mensch wahrnehmen kann.

Keines der derzeit existierenden Bewegtbildverfahren kann aber dieses gesamte Farbspektrum darstellen, das der Mensch sehen kann — nur in der Natur sind alle Farben vorhanden. Ein Monitor oder Projektor zeigt immer nur einen Ausschnitt aus dem Farbspektrum.

Um eine gemeinsame Basis für Vergleiche, Messungen und technische Verfahren zu haben, wurden im Lauf der Jahre verschiedene, meist dreieckige Ausschnitte aus dem Farbspektrum definiert. Sie werden Farbraum genannt und tragen Zusatzbezeichnungen wie BT.701 (auch Rec.701 genannt) oder BT.2020. Je größer diese Farbräume, um so mehr Farben und um so natürlichere Bilder können damit dargestellt werden.

Was wird im Videobereich unter HDR verstanden?

Wählt man eine vergleichsweise enge, klare Definition, dann geht es bei HDR um eine Vergrößerung des Dynamikbereichs oder Kontrastumfangs eines Bildsignals. Umgangssprachlich könnte man sagen, der Bereich zwischen dem schwärzesten Schwarz und dem weißesten Weiß innerhalb eines Bildes soll möglichst groß und weit gefasst sein. Man will also einen möglichsten großen Bereich zwischen dem hellsten und dem dunkelsten Punkt eines Bildes differenziert und fein abgestuft darstellen können.

Wissenschaftlich exakte Beschreibungen von Sachverhalten eignen sich meist nicht besonders gut, um Produkte an Endkunden zu verkaufen. Deshalb denken sich Menschen, die sich mit Marketing und Werbung befassen, einfachere, eingängigere Definitionen und Slogans aus. Das führt manchmal unabsichtlich und manchmal auch absichtlich zu Ungenauigkeiten, Unschärfen und Verschleifungen bei den Begrifflichkeiten.

In der Praxis hat daher schon eine Vermischung der eingangs erwähnten, relativ klaren Definition des Kontrastumfangs mit dem weiter oben schon erläuterten Farbraumthema begonnen. So verstehen manche unter HDR auch die gleichzeitige Ausdehnung des Farbraums. Eigentlich ist es ein weiteres, getrenntes Thema, die Zahl der realistisch darstellbaren Farben zu vergrößern — und es wird dafür teilweise auch das Kürzel WCG verwendet, was für Wide Color Gamut steht. Aber natürlich ist es ebenfalls sinnvoll, den Farbraum zu vergrößern wenn man einen realitätsnäheren Bildeindruck erzielen will.

In der Praxis wird wohl ohnehin beides parallel stattfinden, also fassen manche in der Branche auch beides gleich unter dem Kürzel EDR (Enhanced Dynamic Range) zusammen oder verwenden HDR als Oberbegriff für beide Aspekte — letzteres vielleicht auch deshalb, weil dieser Begriff in der Fotografie schon in den Markt getragen wurde. So kommt es zur folgenden Definition: Mehr Farben und einen größeren Helligkeitsbereich differenziert und fein abgestuft darstellen zu können, als das mit den bisher üblichen Videosystemen möglich ist, das ist HDR.

Wie wird HDR in den Markt getragen?

Hierbei haben verschiedene Hersteller verschiedene Interessen: Manche sehen HDR unabhängig vom aktuellen Trend hin zu UHD oder 4K und denken über die Einführung im HD-Bereich nach. Andere haben vorrangig das Kino im Auge. Firmen wie Amazon und Netflix sehen in HDR eine Möglichkeit, ihre Streaming-Angebote von anderen Inhalten abzuheben. Display-Hersteller wollen aktuell am liebsten »normale« UHD-Monitore in den Markt schieben und dann erst im nächsten Schritt mit HDR den nächsten Kaufanreiz setzen.

Schwer zu sagen, was sich in diesem Kuddelmuddel an Interessen letztlich im Markt durchsetzen wird.

Was Dolby sich mit »Dolby Vision« überlegt hat, ist eine Methode, wie man — unabhängig von der Auflösung — die Vergrößerung von Farbraum und Kontrastumfang zu den Endkunden bringen und dabei dafür sorgen kann, dass die Bilder auf dem jeweils vorhandenen Display optimal dargestellt werden, ohne sie gegenüber den künstlerischen Intentionen ihrer Macher zu verfälschen.

Wie viel Dynamikumfang braucht es denn?

Die menschliche Wahrnehmung ist letztlich das Maß aller Dinge für die Bewegtbildwiedergabe. Wenn man dem Auge etwas Zeit gibt, kann es sich auf eine enorme Spanne zwischen dunkel/schwarz und hell/weiß einstellen. Dazu wird die Pupillengröße verändert und es finden biochemische Anpassungen auf der Netzhaut statt. Änderungen in der Verarbeitung der ankommenden Reize im Gehirn ergänzen diese Prozesse. Das Auge und die Wahrnehmung insgesamt passen sich also jeweils an die Umgebung an, ob im hellen Wohnzimmer oder im dunklen Kino. Ein weiterer Aspekt ist die Leuchtdichte, die das Auge maximal verarbeiten kann und die bei 20.000 cd/m2 (Nits) liegt. Was heller ist, kann vom Auge nicht mehr differenziert erfasst werden und führt zu Schädigungen der Netzhaut.

Am wichtigsten für die Bildwiedergabe unter kontrollierten Bedingungen, wie sie in Büros oder Wohnzimmern herrschen, ist letztlich, wie groß der Helligkeitsbereich ist, den das Auge spontan verarbeiten kann. Hierfür gibt es verschiedene Messgrößen: etwa das Kontrastverhältnis von 100.000:1 oder den Kontrastumfang von 100 dB (es kursieren auch etwas niedrigere Werte in der Fachliteratur). Was auch immer man als Maß ansetzt: Die momentan für den Massenmarkt verfügbaren Systeme können am Ende der Kette nur einen kleinen Bruchteil hiervon darstellen.

Um festzustellen, wie weit man nun konkret in der technischen Entwicklung zielen sollte, hat Dolby Experimente mit unterschiedlichen Bildgrößen durchgeführt und durch Befragung von Testzuschauern ermittelt, dass ein Dynamikumfang von 22 Blenden nötig wäre, um 90 % der Betrachter zufrieden zu stellen. Ein Fernsehsystem mit einem Dynamikumfang von 0,001 bis 10.000 cd/m2 (Nits) wäre also laut Dolby-Forschung optimal, um die Zuschauer sowohl auf kleinen Displays wie denen von Tablet-PCs, wie auch auf großen Flachbildschirmen zufrieden zu stellen.

Zum Vergleich: Ein regulärer Fernseher, der den derzeit für den TV-Bereich geltenden Vorgaben von BT.1886 entspricht, deckt nur den Bereich von 0,1 bis 100 cd/m2 ab. Computer-Bildschirme erreichen als maximale Helligkeit typischerweise 200 bis 300 Nits. Kinoprojektoren schaffen 48 Nits.

Damit liegen die von Dolby ermittelten Werte eines Bereichs von 0,001 bis 10.000 Nits — die laut Dolby-Forschung das wiedergeben, was sich die Zuschauer wünschen — weit jenseits dessen, was derzeit erreicht wird. Zeit zu handeln, wenn man das Bewegtbilderlebnis verbessern will.

Stand der Gerätetechnik: Aufnahme

Moderne Kameras bieten heute bei der Aufnahme die Möglichkeit, einen größeren Dynamikumfang und einen größeren Farbraum aufzuzeichnen, als man ihn anschließend mit den etablierten TV-Systemen und den handelsüblichen Geräten darstellen kann. Von 22 Blenden Dynamikumfang ist man zwar noch ein gutes Stück entfernt, aber schon heute werden Kameras mit 15 oder 16 Blenden Dynamikumfang angeboten. Außerdem stehen mit logarithmischen Verfahren und Raw-Aufzeichnung  Möglichkeiten zur Verfügung, die hochwertigeren Bildsignale auch aufzuzeichnen.

Es wäre also schon heute eine deutliche Verbesserung, wenn man dem Endkunden überhaupt mal das zeigen könnte, was die Kameras heute schon können.

Stand der Gerätetechnik: Wiedergabe

Die beste Bildqualität, die auf der Vorführseite derzeit auf breiter Basis im Markt verfügbar ist, bietet die Blu-ray Disc. Einige wenige Early Adopter haben heute zuhause schon bessere Bildqualität, aber insgesamt stehen UHD und 4K beim Endkunden noch ganz am Anfang der Marktdurchdringung. Die Blu-ray Disc arbeitet im Farbraum Rec.701 und ist auf Displays mit 100 Nits optimiert. Die gleichen Eckwerte gelten im Grunde auch für das von den TV-Sendern ausgestrahlte HD-Fernsehprogramm. Das ist — zusammen mit einigen anderen Parametern — Teil des angesprochenen Erbes aus der Röhrenzeit.

Der Röhrenfernseher ist aber mittlerweile so gut wie ausgestorben und aufgrund der technischen Weiterentwicklung sind mittlerweile Displays verfügbar, die deutlich mehr können, als in den TV-Normen definiert ist — sowohl was die Helligkeit, als auch was den Farbraum und den Kontrastumfang angeht. Das wollen die TV-Gerätehersteller ihren potenziellen Kunden natürlich auch zeigen und so wird das auf der BD vorliegende oder vom Sender ankommende Bildsignal »aufgeblasen« und mit jeweils herstellereigenen Techniken und Verfahren an die Möglichkeiten des Geräts »angepasst«. Das kann man sich im groben Überblick ansehen, wenn man mal die verschiedenen Bildmodi moderner TV-Geräte durchprobiert: Das gibt es Dinge wie einen Gaming-, einen Dynamik-, einen Cinema-, einen Sport-Modus und vieles mehr, die jeweils zu stark abweichenden Bildeindrücken führen können.

Dabei muss man sich stets klarmachen: Das ankommende Bildsignal ist immer noch dasselbe, die Qualität ist unverändert limitiert, die Fernseher stellen mit ihren eingebauten Funktionen lediglich die ankommenden Bildsignale anders dar. Eine wirkliche Verbesserung der Bildqualität hingegen erfordert, dass schon von Beginn an mehr Bildqualität zum TV-Gerät oder Projektor transportiert wird, anstatt nur das vorhandene Signal aufzumotzen und an dessen Darstellung herumzudoktern.

Was außerdem auf der Strecke bleibt, wenn irgendwelche Bildprozessoren im TV-Gerät das Bildsignal »aufbereiten«, ist die künstlerische, gestalterische Intention der Macher. Die haben möglicherweise sehr viel Zeit im Color Grading dafür verwendet, einen besonderen Look zu erzielen und so die Wirkung des Films zu unterstützen und zu verstärken. Wenn nun aber am Ende der Produktionskette, bei der Vorführung des Films, der Look durch irgendwelche Funktionen im Fernsehgerät bestimmt und damit letztlich das Bildmaterial anders dargestellt wird, als es die Macher intendieren, geht möglicherweise ein Teil der Bildwirkung und des Filmerlebnisses verloren — was letztlich weder im Sinne der Macher, noch der Zuschauer liegt.

Die Lücke schließen

Da an den beiden Enden der Produktionskette, also bei den Kameras und bei den Fernsehern, mehr möglich ist, als heute in der Praxis tatsächlich genutzt wird, liegt es eigentlich nahe, die Pipeline dazwischen aufzubohren. Nun geht es also darum, verbindliche, durchgängige Mechanismen und Prozesse zu schaffen, um das, was moderne Kameras können, auf modernen Displays in den Privathaushalten optimal darstellen zu können. Es müssen also Standards, Formate und Workflows her, die mit dem größeren Kontrastumfang und dem größeren Farbraum umgehen können.

Außerdem sind Profi-Displays nötig, die es erlauben, in der Postproduction, im und im Mastering verbindlich und in voller Qualität sehen und kontrollieren zu können, woran man arbeitet. Gleichzeitig gilt: Welchen Sinn ergäbe es, wenn man das Grading und Mastering mit Projektoren oder Monitoren realisierte, die mit dem, was später in Kinos und in Wohnzimmern verfügbar ist, nur wenig gemeinsam haben? Oder wenn man andererseits die neuesten Möglichkeiten nicht nutzen kann, weil man kompatibel zum kleinsten gemeinsamen Nenner bleiben muss?

Hier setzten verschiedene Entwicklungen von Dolby an. Das sind einerseits neue Profimonitore, die eine größere Maximalhelligkeit bieten und einen viel größeren Dynamikumfang und größere Farbräume abbilden können. Auch andere Hersteller haben schon Konzepte und Prototypen von HDR-Displays gezeigt.

Außerdem hat sich Dolby auch darum gekümmert, die Anbieter diverser Farbmanagement- und Color-Grading-Systeme ins Boot zu holen. Es gibt Plug-Ins, etwa für Grading-Systeme von Filmlight (Baselight), Blackmagic (DaVinci Resolve) Nucoda, Mistika und Digital Vision, die den Austausch und die Weiterreichung von Metadaten über Farbe und Kontrast ermöglichen.

Außerdem konnte Dolby einige Content-Hersteller davon überzeugen, ihren Grading-Prozess zu verändern. Warner Bros. und Disney werden zumindest einige ausgewählte Produktionen nicht mehr wie bisher auf einem herkömmlichen Referenzmonitor mit 100 Nits und innerhalb der Grenzen von BT.709 graden, sondern auf einem Dolby-Display, das momentan bis zu 4.000 Nits und den DCI-P3-Farbraum darstellen kann. So können Master hergestellt werden, die eine wesentlich höhere Bildqualität in puncto Kontrastumfang und Farbwiedergabe bereitstellen und die für die Wiedergabe auf modernen Displays mit größerer Maximalhelligkeit optimiert sind.

Um die so erreichte, höhere Master-Qualität dann auch an die Endkunden weitergeben zu können, hat Dolby das Dolby-Vision-System erdacht.

Dolby Vision: Basics

Die Aufgabe von Dolby Vision lässt sich so umschreiben: Es geht darum, vom gegradeten Master aus jene Information bis zum Endgerät weiter zu reichen, die beschreiben, um welche Art von Signalen es sich handelt und wie sie dargestellt werden sollen. Ganz vereinfacht gesprochen, kodiert dieses Verfahren also die Master-Bildqualität und führt diese Information bis zum Endgerät mit, wo das Maximale an dort jeweils verfügbarer Bildqualität rausgekitzelt wird.

Im optimalen Fall beginnt der Prozess schon — wie oben beschrieben — viel früher als beim Master und es werden letztlich Metadaten vom Anfang der Produktionskette bis zum Ende mitgeführt, die Auskunft über die ursprüngliche Signalqualität und die intendierte Darstellung enthalten. Diese Metadaten werden im Grading und Mastering in einem halbautomatischen Prozess, der manuelle Eingriffe erlaubt, so fortgeschrieben, dass das Vorführgerät am Ende der Kette ein Bild darstellt, das die maximal im Gerät verfügbare Qualität in puncto Helligkeit, Kontrastwiedergabe und Farbraum ausnutzt und dennoch dem von den Machern gewollten Look möglichst nahe kommt.

Man kann also im Grading und Mastering mit der vollen Qualität des Bildmaterials in puncto Dynamikumfang und Farbraum auf den besten High-Brightness-Displays arbeiten, ohne befürchten zu müssen, dass das Endergebnis auf »normalen« Displays oder Kinoleinwänden schrecklich aussieht, sondern man hat im Gegenteil die Gewähr, dass man das Maximum aus dem jeweiligen Endgerät herausholt.

Dolby Vision setzt dann am Master an: Ein Dolby-Vision-Encoder übernimmt die zuvor erzeugten Metadaten und integriert sie in das Signal, das dann per Streaming, per klassischem Broadcasting oder auf physischen Trägern an den Endkunden ausgeliefert wird. Ist im Endgerät ein Dolby-Vision-Decoder enthalten, dann werden die Metadaten genutzt, um das Bild optimal darzustellen — unter bestmöglicher Ausnutzung der jeweiligen Endgeräteparameter und bei gleichzeitiger Einhaltung der gestalterischen, kreativen Intentionen der Macher.

Dolby Vision: Leistungsfähigkeit

Dolby Vision ist derzeit für Displays bis zu einer Helligkeit von 10.000 Nits und für den für Ultra HD definierten Farbraum BT.2020 konzipiert. Dolby Vision erlaubt damit bis zu 40 mal hellere Details und bis zu 1.000 mal mehr Kontrast als heutige Fernsehstandards — und eine bessere Farbwiedergabe.

Prinzipiell ist Dolby Vision auflösungsunabhängig, kann also mit HD und Ultra HD verwendet werden, in der Praxis dürfte es aber wohl, wenn die Display-Hersteller darauf anspringen, als Zusatztechnologie in den neuesten -Monitoren auf den Markt kommen.

Im Kinobereich kombiniert Dolby das Soundsystem Dolby Atmos mit Dolby Vision und will so unter dem Label »Dolby Cinema« ein besonderes Kinoerlebnis bieten. Umgesetzt wird das bislang gemeinsam mit der AMC-Kinokette in den USA, wo einige Premium-Kinos entsprechend ausgestattet wurden, in den Niederlanden hat die Kinokette JT Bioscopen zwei Kinos in Eindhoven und Hilversum auf Dolby Cinema aufgerüstet. Weitere sind schon geplant und werden folgen.

Dolby Vision: Kompatibilität durch Dual-Layer-Verfahren

Um den fließenden Übergang von den aktuellen TV-Systemen auf HDR-Bewegtbilder zu ermöglichen und die Einführung auf der Anbieter-, wie der Endkundenseite zu vereinfachen und weicher zu gestalten, hat sich Dolby neben einem zu bisherigen Geräten inkompatiblen Single- auch noch ein kompatibles Dual-Layer-Verfahren ausgedacht.

Beim Single-Layer-Verfahren wird sozusagen ein verändertes Videosignal generiert, das aber bei gleicher Datenrate wie ein Standard-Videosignal, ein besseres Bild in HDR-Qualität an das Endgerät übertragt. Der Nachteil des Single-Layer-Verfahrens besteht darin, dass man das Bildsignal auf einem normalen, älteren TV-Gerät oder Projektor nicht darstellen kann — man sieht zwar was zappeln, aber die Bilder sehen verfälscht und defekt aus, weil sie ja für ein 4.000-Nits-Display optimiert sind, mit einer adaptiven Quantisierung arbeiten und als Transferfunktion nicht die normale Gammakurve nutzen. Single-Layer-Signale kann man nur auf modernen, mit Dolby Vision ausgestatteten Geräten anschauen, dann aber eben in deutlich besserer Qualität, als ein normales TV-Gerät sie bieten kann.

Beim Dual-Layer-Verfahren hingegen wird sozusagen ein Standard-Videosignal bereitgestellt, das man mit einem regulären Endgerät ansehen kann — in der heute üblichen Qualität. Zusätzlich werden aber weitere Informationen übertragen, die von Geräten mit Dolby-Vision-Decoder erkannt und so ausgewertet werden, dass ein besseres HDR-Bild generiert und auf dem Bildschirm optimal an die Gegebenheiten des jeweiligen Geräts angepasst dargestellt wird.

Der Preis, den der Anbieter des Signals dafür bezahlen muss, besteht in einer höheren Datenrate: Dolby Vision erfordert bei Übertragung im Dual-Layer-Verfahren eine um etwa 20 % höhere Datenrate als das Single-Layer-Verfahren, wenn das HDR-Bild qualitativ gleichwertig sein soll.

Dennoch ist das Dual-Layer-Verfahren ein guter Kompromiss: Es macht die Einführung und das Handling beim Endkunden leichter. Zwar kostet es 20 % mehr Datenrate, aber das ist immer noch viel weniger, als wenn man per Simulcast ein Dolby-Vision- und zusätzlich ein normales Signal übertragen, also zwei ganze Kanäle belegen müsste.

Dolby Vision: Mögliche Hemmnisse

Natürlich agiert Dolby auch bei Dolby Vision als Wirtschaftsunternehmen und nicht als uneigennütziger Wohltäter der Menschheit: Sowohl der Dolby-Vision-Encoder, wie auch die Software-Komponenten, die auf der Herstellerseite nötig sind, erfordern zusätzliche Investitionen und müssen bei Dolby erworben werden. Referenz-Displays, wie man sie für einen vernünftigen, durchgängigen HDR-Prozess benötigt, sind um ein Vielfaches teurer als »normale« HD-Referenzmonitore — und Dolby könnte möglicherweise sogar durchsetzen, dass nur mit Dolby-Monitoren gemasterte Produktionen das Dolby-Vision-Logo tragen dürfen.

Außerdem ist Dolby bekannt für seine stramme Lizenzierungspolitik: Wer als Content-Vermarkter Dolby Vision nutzen will, der zahlt dafür in aller Regel auch eine Gebühr pro ausgelieferter Kopie. Und natürlich müssen TV-Gerätehersteller, die Dolby Vision in ihre Geräte integrieren wollen, dafür Lizenzgebühr an Dolby bezahlen.

Wenn es also andere, günstigere Möglichkeiten gibt, zu ähnlichen Ergebnissen zu kommen und HDR in den Markt einzuführen, könnten sich einige Anbieter möglicherweise hierfür entscheiden.

Dolby Vision: Erste Implementierungen

Um die HDR-Version eines Filmes zu erzeugen, gibt es nicht nur die Möglichkeit, von vornherein entsprechend zu drehen und zu mastern. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch von schon existierenden Produktionen nachträglich noch eine HDR-Version hergestellt werden, die auch wirklich deutlich besser aussieht, als das was man heute kennt. So kann man etwa aus dem Raw-Material, das von vielen Produktionen vorliegt und das einen viel größeren Dynamikumfang aufweist, als man ihn bisher nutzen konnte, neue HDR-Versionen von schon existierenden Filmen re-mastern. Es könnten somit vergleichsweise schnell HDR-Filme in größerer Zahl zur Verfügung stehen, man muss nicht unbedingt warten, bis die Technik sich nach und nach bei neuen Produktionen durchsetzt.

Wie gut das Aufarbeiten bestehenden Materials aussehen kann, das zeigt etwa auch das ziemlich eindrucksvolle Demo-Material, das Dolby bei den Präsentationen von Dolby Vision derzeit zeigt: Es wurde zum großen Teil aus Raw-Material generiert, das mit einer Alexa von Arri aufgenommen wurde — das also mit bestehender, verfügbarer Technik produziert wurde.

Tatsächlich hat Dolby aber auch schon Vereinbarungen mit Disney über neue Filme getroffen: »Tomorrowland« war der erste Kinofilm, der in einer Dolby-Vision-Version gezeigt wurde, der Animationsfilm »Inside Out« der zweite. Erste Fernsehfilme von Warner wurden auch schon in Dolby Vision produziert.

Beim Postproduction-Unternehmen Deluxe in Burbank gibt es laut Dolby schon eine Dolby-Vision-Suite, in der derzeit schon an weiteren HDR-Produktionen gearbeitet wird.

Insider gehen davon aus, dass erste HDR-TV-Programme in den USA im Herbst 2015 an den Start gehen werden, wahrscheinlich im Streaming-Bereich. Verschiedene Streaming-Dienste haben angekündigt, dass HDR eine größere Rolle in ihren Angeboten spielen soll und es wäre sehr erstaunlich, wenn keiner davon auf Dolby Vision setzen würde (Netflix-Interview, Amazon-Interview).

Mit Vizio hat Dolby auch einen ersten TV-Gerätehersteller im Boot, der zwar in Europa weitgehend unbekannt ist, aber in den USA in einigen Marktsegmenten auf Platz 2 der Verkaufscharts liegt, nur von Samsung überflügelt. Vizio wird Dolby Vision in die beiden Top-Geräte seiner Palette mit 60- und 120-Zoll-Displays einbauen, die ab Herbst 2015 lieferbar sein sollen. Zur Internationalen Funkausstellung 2015 in Berlin könnten, schon weitere Ankündigungen von Fernsehern mit Dolby Vision folgen.

Dolby Vision: Erste Einschätzung

Auch wenn man momentan nur die erste Stufe der erweiterten Möglichkeiten sehen kann, die Dolby Vision eröffnet, ist das schon sehr beeindruckend: Jeder Laie erkennt die bessere Bildqualität des HDR-Programms — besonders im direkten Vergleich zu normalem Material.

Am eindrucksvollsten kommt das natürlich auf dem Referenz-Monitor von Dolby mit seinen 4.000 Nits zur Geltung. Bei Demo-Veranstaltungen für Dolby Vision zeigt Dolby aber auch, wie Dolby-Vision auf aktuellen, einigermaßen hochwertigen Consumer-Monitoren aussehen kann — und man muss sagen, dass auch hier der Unterschied zum Gewohnten sehr deutlich ausfällt und die Endkunden möglicherweise stärker beeindrucken wird, als der Sprung von HD zu UHD.

Entscheidend für den Markterfolg wird sein, ob es Dolby gelingt, den Marktstandard zu setzen und Verwirrung beim Endkunden zu verhindern oder aufzulösen, die entstehen würde, wenn parallel Alternativsysteme auf den Markt kommen. Außerdem wird es eine entscheidende Rolle spielen, wie sich Content-Anbieter und Endgerätehersteller verhalten, ob es ihnen etwa gelingt, klar zu kommunizieren, in welchem Verhältnis HDR, Dolby Vision, UHD und 4K zueinander stehen. Nur wenn hier die richtigen Pakete geschnürt werden, kann es zu einem raschen Markterfolg kommen — Verwirrung hat hier noch niemandem genutzt.

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