Branche, Interview, Top-Story: 20.02.2015

Amazon: Vom Online-Buchhändler zum Filmproduzenten

Amazon hat sich über die Jahre vom reinen Online-Buchhändler zum Online-Händler für nahezu alles entwickelt. Seit einigen Jahren produziert Amazon auch TV-Serien und steigt nun zusätzlich in die Produktion von Spielfilmen ein, die im Kino, aber auch bei der Streaming-Plattform Amazon Prime gezeigt werden sollen.

Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass der Online-Händler Amazon in der Filmproduktion aktiv werden würde? Vermutlich nicht viele, doch mit den technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre haben sich viele Rahmenbedingungen geändert. Und nun hat Amazon mit Amazon Prime eine Plattform entwickelt, über die der Kunde per Internet-Anschluss Serien und Spielfilme abrufen kann.

Amazon Prime feierte Anfang Februar 10jährigen Geburtstag und hat eine interessante Geschichte: Ursprünglich war das eine Art kostenpflichtiges Liefer-Abo, mit dem sich Kunden die extraschnelle Lieferung der bestellten Produkte sichern konnten. Diesen Service baute Amazon dann in den vergangenen beiden Jahren deutlich aus: Amazon-Prime-Kunden können mit ihrem Abo nun auch per Streaming-Service auf Filme und Serien zugreifen und diese auf unterschiedlichsten Endgeräten ansehen. Damit tritt Amazon in Konkurrenz zu anderen Video-on-Demand-Anbietern wie etwa Netflix oder Watchever.

Streaming mit Amazon

Amazon selbst gibt an, dass das Unternehmen im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden US-Dollar in die Amazon-Prime-Videoplattform investiert und das Streaming-Angebot auf Tausende verfügbare Filmtitel vergrößert habe. Das Unternehmen schweigt sich zwar darüber aus, wie viele Kunden sich tatsächlich für dieses Abo entschieden haben, aber die 1,3 Milliarden Investitionssumme sprechen dafür, dass Amazon zumindest hohe Erwartungen an die Streaming-Plattform hat.

Neue Wege: Content-Produktion

Amazon konzentriert sich aber längst nicht mehr nur auf die Distribution von Inhalten, sondern produziert auch eigenen Content. So gibt es bereits seit 2010 die Amazon Studios, die den Anspruch haben, Filme und Serien auf neue Art und Weise zu entwickeln und auch zu produzieren.

Dr. Christoph Schneider, Ge­­schäfts­führer bei Amazon Instant Video Germany, sagt dazu: »Jeder kann sein Drehbuch online einreichen und wird dann innerhalb von 45 Tagen benachrichtigt, ob es für eine mögliche Realisierung in Frage kommt. Amazon Studios liest und bewertet alle Einsendungen; diejenigen, die ihre Projekte öffentlich einreichen, erhalten auch Feedback von Amazon-Studios-Mitgliedern. Die vielversprechendsten Projekte werden zu Pilotfolgen, auf welche Amazon-Kunden in den USA, Großbritannien und Deutschland Feedback geben können. Die Kunden­bewertungen sind ein wichtiger Teil der Entscheidung, welche Pilotfolgen schließlich zu ganzen Serien werden.«

Dr. Christoph Schneider erläutert: »Amazon Studios ging bereits 2010 an den Start und seitdem haben von tausenden eingereichten Drehbüchern und Filmprojekten bereits etliche Amazon Originals Serien grünes Licht für die Produktion erhalten wie etwa »Transparent«, »Alpha House«, »Mozart in The Jungle«, »Bosch« oder »Hand of God«.«

Amazon überraschte im Januar mit einer weiteren Ankündigung: So will das Unternehmen 2015 nicht nur Serien, sondern auch Spielfilme für die Auswertung in Kinos und bei Amazon Prime produzieren. Für 2015 plant der Anbieter die Produktion von zwölf Spielfilmen.

Für die Entwicklung des Spielfilmbereichs holte sich Amazon Ted Hope an Bord. Der war unter anderem an der Produktion von Filmen wie »Eat Drink Man Woman« oder »Hidden Dragon« beteiligt und soll den kreativen Ansatz bei Amazon herausarbeiten. Demnach wolle man Filme mit ganz besonderen Geschichten machen, an denen nicht nur angesagte, sondern auch neue, aufstrebende Talente beteiligt seien.

Auch bei der Distribution seiner Kinofilme will Amazon neue Wege gehen und schon vier bis acht Wochen nach ihrer Kinopremiere die Filme auch bei Amazon Prime Instant Video anbieten – ganz anders also, als bisher üblich, wo es bis zu einem Jahr dauert, bis Kinofilme auch online legal gesehen werden können.

4K-Content bei Amazon

Auch neue Entwicklungen wie 4K und Ultra-HD spielen bei Amazon eine wichtige Rolle. Aktuell sei die Auswahl an Ultra-HD-Titeln bei Amazon Prime zwar noch eingeschränkt, aber man arbeite daran, diese Auswahl stetig auszuweiten, um den Kunden mehr Titel in Ultra HD anbieten zu können, so Amazon.

Dr. Christoph Schneider führt aus: »Erste verfügbare Ultra-HD-Titel bei Prime Instant Video sind die zweite Staffel der beliebten Polit-Comedy-Serie »Alpha House OV« und die von Kritikern hoch gelobte Dark-Comedy-Serie »Transparent OV«. Auch die sieben neuen Pilotfolgen der Amazon Studios – »Cocked«, »Down Dog«, »Mad Dogs«, »Man in the High Castle«, »Point of Honor«, »Salem Rogers« und »The New Yorker Presents« – werden in Ultra HD angeboten.«

Flaschenhals Bandbreite

Können die Endkunden das Material überhaupt in 4K ansehen? Das hängt wie immer von der Anbindung des Zuschauers ab. Dr. Christoph Schneider erläutert: »Um Videos in Ultra-HD ansehen zu können, benötigen Kunden eine Hochgeschwindigkeits-Internet-Verbindung mit wenigstens 15 Mbps sowie ein Ultra-HD-Gerät mit der Amazon Instant Video-App. Wenn Sie aktuell nicht genügend Bandbreite für das Streamen in Ultra HD besitzen, passt sich der Amazon Instant Video-Player automatisch an die Qualität an, die Ihre Internet-Verbindung unterstützt.«

Verbreitung

Aktuell konkurrieren viele Anbieter um Kunden, die Serien und Spielfilme per Streaming empfangen. Einer der Knackpunkte für die Endkunden besteht darin, auf möglichst vielen Endgeräten empfangbar zu sein. Dieses Ziel hat auch Amazon.

Dr. Christoph Schneider sagt: »Unser Ziel ist es, Prime Instant Video auf jeder nur möglichen Plattform bereitzustellen. Wir konnten in der letzten Zeit viele neue Modelle zur Liste der kompatiblen End­geräte hinzufügen, wie etwa auch UHD-Smart-TVs von Samsung, Sony und LG. Wir arbeiten weiter daran.«

Derzeit stellt sich der Markt so dar, dass verschiedene Anbieter versuchen, die Kunden in ihre jeweiligen Systeme einzubinden. Das hat für den Kunden allerdings auch Nachteile. Vereinfacht gesagt: Wer sich für Amazon entscheidet, kann dort nicht alles sehen, was es bei Netflix gibt, und dort wiederum nicht alles, was Sky, Maxdome oder wer auch immer anbietet. Das ist so, als könnte man auf einem Blu-ray-Player von Sony nur Filme von Sony abspielen — klingt widersinnig, aber Apple hat vorgemacht, dass es möglich ist, solche Systeme im Markt zu etablieren.

Dieser Artikel ist auch als Teil eines 4K-Sonderhefts von film-tv-video.de verfügbar. Das gedruckte Heft oder das PDF können Sie hier bestellen.

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