Kommentar, Top-Story: 26.11.2004

Sie sehen: Standardauflösung in 4:3

Die Fußball-WM im eigenen Land wird in HD produziert, das hat die vom Veranstalter Fifa mit der technischen Abwicklung der TV-Übertragungen beauftragte HBS so entschieden. So wie es derzeit aussieht, werden aber die Deutschen die WM nicht in HD sehen können. Dabei ist nicht nur die breite Masse der Zuschauer von der besseren Bildqualität abgeschnitten, sondern auch die Enthusiasten, die prinzipiell schon HDTV empfangen können, werden keine Möglichkeit haben. In den USA, in Korea und Japan wird man die Bilder aus Deutschland in voller Qualität genießen können, hierzulande nicht.

Wenn es nach den öffentlich-rechtlichen Sendern geht, wird das auch nach der WM noch eine ganze Weile so bleiben. Die offizielle Sprachregelung bei der ARD lautet: HDTV wird nicht vor dem Jahr 2010 realisiert. Bis dahin, so die Offiziellen, werde man die bestehenden Signalwege optimieren, um mehr von der jetzt schon möglichen PAL-Qualität bis in die Wohnzimmer der Endkunden zu bringen.

Das kann man durchaus einigermaßen schockierend finden: Vieles deutet darauf hin, dass durchaus auch politische Gründe im Zusammenhang mit dem Kampf um Gebührenerhöhungen, die aktuelle Haltung der öffentlich-rechtlichen TV-Anbieter motivieren. Wenn jetzt also die Qualität innerhalb des bestehenden Systems optimiert werden soll, stellt sich doch die Frage, weshalb das nicht längst geschehen ist? Entweder wird nun Zeit und Geld in das alte TV-System investiert, anstatt das neue in Angriff zu nehmen, oder es bedeutet, dass die Zuschauer mit minderwertiger Qualität abgespeist wurden, obwohl man ihnen hätte Besseres bieten können. Wenn die Bemühungen zur Bildverbesserung fruchten, dann bedeutet das aber auch, dass der Unterschied zu HD kleiner wird. Das wiederum dürfte kaum den Wunsch der Endkunden beflügeln, auf HD umsteigen zu wollen. Auch im Jahr 2010 nicht.

Die ARD-Position versetzt all den hoffnungsvollen HD-Pflänzchen einen empfindlichen Wachstumsschock. Glücklicherweise gibt es aber doch noch feine Unterschiede zwischen der offiziellen Sprachregelung und der Realität bei den Sendern: Dort steht nämlich schon längst HD-Equipment, wenngleich in kleinen Stückzahlen und zum Teil bei Tochterfirmen versteckt. Redaktionen mit Weitsicht und hohem Anspruch an die Bildqualität experimentieren, produzieren und archivieren schon jetzt mit der höheren Auflösung. Wie sonst soll der Umstieg auf HD gelingen: In den Archiven muss es schließlich hochauflösendes Material geben, wenn man den Wechsel vollziehen will.

Im Großen denkt man zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Sendern aber immer noch in SD – und im Bildformat 4:3. Es kommt nämlich noch besser: Noch ist sogar offen, ob die Bilder der WM in 4:3 oder 16:9 auf die heimischen Schirme der Zuschauer kommen. Es werde zwar in 16:9 produziert, aber alles Wichtige werde man auch in einem daraus generierten 4:3-Ausschnitt sehen, heißt es da. Wer das wirklich glaubt, der muss ziemlich naiv sein. Es ist doch recht unrealistisch, dass die Kameraleute es schaffen können, gleichzeitig optimale 16:9- und 4:3-Bilder mit der HD-Kamera zu produzieren, bei der sie gleichzeitig der Schärfe wesentlich mehr Aufmerksamkeit widmen müssen, als bei SD.

Das 16:9-Format könne man der Mehrzahl der Zuschauer, die eben 4:3-Empfänger besitzen, nicht zumuten, ist vor allem von den Programmverantwortlichen zu hören. Der Zuschauer besitze keine 16:9-Fernseher, wünsche dieses Format nicht und lehne es im Gegenteil sogar ab. Das würde aber bedeuten, dass in Deutschland niemals HDTV kommen könnte, das gibt es nun mal nur in 16:9. Polemisch gefragt: Muss ganz Deutschland warten, bis auch bei Lieschen Müller ein 16:9-Gerät steht? Das wird ganz sicher auch im Jahr 2010 noch nicht der Fall sein.

Sicher ist: Trotz aller nachvollziehbaren Bedenken beim Wechsel zu HD hätten gerade die öffentlich-rechtlichen Sender die Größe und auch den Einfluss, mit zu helfen, Deutschland nicht zum HD-Entwicklungsland verkommen zu lassen. Haben sich die Zuschauer DVB gewünscht? Ganz sicher nicht, aber das kommt, wird vorangetrieben und hierfür wird bei den Sendern kräftig Geld ausgegeben. Modernste Sendetechnik für einen schrumpfenden Anteil von Zuschauern, der terrestrisch TV-Programme empfängt, dafür SD auf allen Kanälen, und das auf unbestimmte Zeit. Kann das der richtige Weg sein?

»Sollen sich Sender wie Premiere erst Mal vorwagen, wenn’s bei denen läuft, kann man früher einsteigen, wenn nicht, verbrennt man sich nicht die Finger.« Ist das die Position, in der sich die öffentlich-rechtlichen Sender wohl fühlen sollten?

Wer sich in Deutschland auf HD freuen will, dem können derzeit fast nur die Entwicklungen Hoffnung geben, die aus dem Consumer-Lager kommen: Wer die eindrucksvollen Bilder der ersten verfügbaren HDV-Camcorder, von HD-DVD und Blu-ray Disc sieht, der weiß, dass HDV abheben wird, und damit die Nachfrage nach Displays, die diese Signale darstellen können. Spätestens dann müssen auch die Sender reagieren, wenn Ihnen die Relevanz bei den Endkunden nicht völlig gleichgültig ist. Und das könnte, zum Glück, schneller der Fall sein, als manchem Bremser lieb ist.

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