Editorial, Kommentar, Top-Story: 22.03.2005

Vom Eise befreit

Während mancher noch gefangen ist zwischen Winterdepression und Frühjahrsmüdigkeit, entfaltet sich jetzt an vielen Stellen in der Natur und auch in der Medienbranche eine neue Dynamik: Die Mutter aller Broadcast-Messen, die NAB, schickt machtvolle Vorboten. Eine Flut von Vorankündigungen bestätigt, dass viele an den neuerlichen Frühling der Branche glauben. Ganz aktuell befindet sich darunter eine Meldung, mit der endgültig eines der großen Themen der diesjährigen Ausgabe der Messe in Las Vegas gesetzt ist: Avid kauft Pinnacle.

Klingt erstmal wie ein verfrühter Aprilscherz, ist aber keiner. Wenn man die Statements der beiden Firmenchefs liest, könnte man aber den Eindruck gewinnen, dass auch die ganz von Frühlingsgefühlen durchwogt sind. »Wir (…) freuen uns, Mitglied der Avid-Familie zu werden,« sagt Pinnacle-CEO Patti Hart. Und David Krall von Avid schwelgt über einen Teil der daraus entstehenden Zukunftsperspektiven: »Es ist schwierig, zwei sich besser ergänzende Geschäftsbereiche zu finden, als sie in dieser Kombination gegeben sind.«

Pinnacle, in der Vergangenheit selbst als aggressiver Akquisiteur bekannt, wird vom Erzrivalen Avid übernommen. Wenn das kein sensationeller Auftakt für den Branchenfrühling ist!

Weil der Frühling in der Luft liegt und Ostern vor der Tür steht, herrscht eine ganz spezielle Atmosphäre. Wer könnte das besser in Worte fassen, als ein echter Poet?

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück;
der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog sich in raue Berge zurück.

So sieht das Goethe und erfasst damit und im weiteren Verlauf dieses »Osterspaziergangs« eine ganze Bandbreite von Gefühlen. Frühling heißt eben auch auf vielerlei Ebenen Neuaufbruch und Abschied: Schneemänner schmelzen, warme Kleider und Wintersportgeräte verschwinden (bei den meisten) im Schrank. Und ganz sicher bedeutet auch Avids Frühling, dass etwas verschwinden wird.

Sie werden sehen.

Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller