Branche, Interview, Top-Story: 19.01.2013

Arri: Wohin geht die Reise?

Die meisten in der Branche denken an Kameras, wenn das Stichwort Arri fällt — auch wenn die Arri-Unternehmensgruppe schon seit Jahrzehnten neben den Kameras etliche andere Produktbereiche und verschiedenste Dienstleistungen im Portfolio hat. Gerade im für die Marke Arri zentralen Bereich Kameratechnik, hätte das Unternehmen vor ein paar Jahren fast den Anschluss verpasst. Aber dann hat Arri mit der Alexa-Baureihe digitaler Kameras nicht nur die Kurve gekriegt, sondern sich in vielen Aspekten wieder erfolgreich an die Spitze der Kameratechnik gesetzt. Aber die Branche unterliegt einem permanenten, sich beschleunigenden Wandel. Wie geht es von hier aus weiter — mit den Kameras und mit dem Unternehmen insgesamt? film-tv-video.de sprach darüber mit Franz Kraus, dem Technikvorstand der Arri AG.

Es gibt eine Frage, die sich mit Blick auf die Alexa von Arri aufdrängt: Wann kommt die 4K-Alexa. Darauf aber will Franz Kraus derzeit keine klare Antwort geben, also versuchen wir es mal selbst: Vielleicht kommt die 4K-Alexa niemals — sondern gleich eine 6K- oder eine 8K-Alexa. Wie gesagt: Darauf gibt es derzeit keine Antwort von Arri — und zwar aus gutem Grund, wie Arri-Vorstand Franz Kraus erläutert: »Die Bildgüte einer Kamera ist nicht in K zu messen. Es gehören viel mehr Aspekte dazu, ein gutes Bild zu erzeugen. Die ganze K-Diskussion steht für eine verkürzte Sichtweise, die dem Thema absolut nicht gerecht wird.«

Natürlich kann man sich dennoch absolut sicher sein, dass sich in den Entwicklungslabors von Arri die kommende Generation der Alexa — oder wie auch immer die nächste Arri-Kamera heißen wird — schon in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befindet. Und wahrscheinlich wird sie auch mehr K bieten als die bisherigen 2,8 K des aktuellen Alexa-Sensors. Alles andere wäre sehr überraschend und letztlich — zumindest aus Marketing-Aspekten betrachtet — auch sehr schlecht für Arri, denn die Konkurrenz schläft ja nicht: Red präsentiert 4K- und 6K-Kameras, Sony hat mit der F65 eine 8K-Kamera am Start.

Es braucht mehr, als nur mehr K

Arri-Vorstand Franz Kraus spricht derweil momentan lieber über die Vorzüge der Alexa in ihrer bisherigen Form: »Zwei große Pluspunkte der Alexa — das sagen uns praktisch alle Anwender, sowohl Kameraleute, wie Techniker — liegen in der Kontrastübertragung und in der Farbaufbereitung. Diese beiden Faktoren sind auch aus meiner Sicht mindestens ebenso wichtig für die Qualität eines Bildes, wie die Auflösung. Nur die Auflösung hochzutreiben, geht letztlich an der Realität vorbei und bringt nicht viel: Solange die Zuschauer im Kino lieber hinten sitzen, kommen 2K oder 4K gar nicht bei ihnen an, selbst wenn es die Quelle hergäbe. Also sind auch vom Kinoerlebnis her betrachtet andere Aspekte viel wichtiger.«

Aus der Sicht von Franz Kraus ist ein weiterer Zugewinn an Kontrastumfang im Kino wichtig und wünschenswert — und natürlich muss im Umkehrschluss am Anfang der Kette, also in der Kamera, dafür die Grundlage gelegt werden.

Aber auch in der Vorführung selbst steckt noch viel Potenzial: »Im Kino liegt der Kontrastumfang teilweise nur in Bereichen um 500:1. Mit modernen Displays kann man hingegen 5.000:1 erreichen«, erklärt Franz Kraus. Um wie viel höher aber die subjektiv empfundene Bildqualität dank Hochkontrastwiedergabe ausfallen kann, könne man etwa bei der Wiedergabe von Material auf den neuesten Dolby-Monitoren sehen, deren Displays 600 cd/m2 bieten, so Kraus. »Das ist wirklich sehr eindrucksvoll und zeigt, in welche Richtung wir uns bewegen sollten, wenn wir die Bildgüte im Kino verbessern wollen. Meine große Hoffnung ist, dass ein Zugewinn an Kontrast im Kino und auch zuhause am Fernseher stattfinden wird. Die Technologie dazu gibt es schon heute und viele Firmen arbeiten daran, das umzusetzen.«

»Dass Imax-Filme so eindrucksvoll auf den Zuschauer wirken, das liegt unter anderem auch daran, dass  diese aufgrund der technischen Gegebenheiten beim Large-Format-Film ein enorm hohes Kontrastverhältnis aufweisen«, ergänzt Franz Kraus zu diesem Thema. »Dazu muss man wissen, dass der Mensch kontrastreichere Bilder auch als schärfer empfindet: Der subjektiv wahrgenommene Schärfeeindruck hängt also keineswegs nur von der spatialen Auflösung ab.«

Als weiteren wichtigen Faktor sieht Franz Kraus, wie derzeit auch etliche andere in der Kinobranche, die Bildwiederholfrequenz: »24 Bilder pro Sekunde reichen für eine hohe Detailauflösung nicht aus. 48 sind schon viel besser, aber es gibt Experten, die sogar bis zu 120 Bilder pro Sekunde empfehlen«, so Franz Kraus (siehe auch: HFR). »Formate wie etwa Super Hi-Vision, greifen diesen Aspekt schon auf und arbeiten ebenfalls mit einer Bildrate von 120 fps in Kombination mit der hohen 8K-Auflösung.«

Mit diesen Beispielen untermauert der Arri-Vorstand sein Plädoyer dafür, bei der Entwicklung neuer Kameras keineswegs nur eindimensional in Richtung höherer Auflösung — in Form von immer noch mehr K — zu denken, sondern eben auch die anderen Parameter zu verbessern. Kraus zweifelt letztlich auch an, dass die Übertragung von echten 4K-Bildern bis zum Zuschauer zuhause in naher Zukunft auf breiter Basis umgesetzt werden kann. Für ihn ein weiterer Grund, nicht ausschließlich auf eine höhere Auflösung zu setzen, sondern auch die anderen bildverbessernden Maßnahmen voranzutreiben.

»Wir haben heute sogar zum ersten Mal seit langem die Chance, mit neuen Technologien in eine wirklich neue Dimension der Bewegtbildpräsentation zu springen. Wenn es gelänge, sich für einen harten Schnitt zu entscheiden und sich gegen die ewig bremsenden Abwärtskompatibilitätsforderungen durchzusetzen, dann könnten wir schon bald Vorführungen mit größeren Farbräumen, 120 fps, 8K und einem Kontrastverhältnis von 10.000:1 genießen«, glaubt Franz Kraus und ergänzt: »Solche Visionen umzusetzen, das schafft aber kein einzelnes Unternehmen, sondern es erfordert gemeinsame Anstrengungen verschiedener Partner.«

Kann die Branche aber gleichzeitig Auflösung, höhere Framerate, größeren Kontrastumfang sowie erweiterte Farbwiedergabe in Angriff nehmen? »Bis wir soweit sind, all diese Parameter zufriedenstellend zu erfüllen, sollten wir uns einige Zwischenstufen erlauben«, sagt Franz Kraus: »Aber das Ziel sollte klar umrissen sein.«

ProRes, Raw: Eine Frage der Aufzeichnung

Wenn man in die nähere Zukunft der konkreten Produkte blickt, stellt sich natürlich auch die Frage, wie zukünftige Kameras aufzeichnen werden. In Bezug auf die Alexa bedeutet das konkret: Wird es in puncto On-Board-Aufzeichnung bei SxS und der Auswahl zwischen ProRes und DNxHD als Codecs bleiben? Schließlich kommen ja zunehmend andere Medien und Codecs in den Markt: So etwa Sonys neues AXSM-Medium und der XAVC-Codec sowie Panasonics AVC-Ultra und MicroP2.

Franz Kraus betrachtet ProRes als zukunftssicheren und leistungsfähigen Codec, bei dem es auch eine 4K-Implementierung geben werde. »ProRes war für die Alexa ein Erfolgsfaktor, denn ProRes ist ein sehr hochwertiges und einfach zu beherrschendes Datenformat, das sehr gängig ist und viele Vorteile bietet.« Auf der anderen Seite gebe es natürlich mehr und mehr Raw-Produktionen — gerade auf internationaler Ebene sieht Kraus hier Wachstum. Auch hier arbeite Arri an innovativen, zukunftsgerichteten Lösungen, so Kraus.

Markt, Fortschritt und Bildqualität

Der professionelle Kamerabereich im engeren Sinn birgt heute zahlreiche Herausforderungen für die Anbieterseite, so etwa die immer schneller wechselnden Trends und Modeerscheinungen im Markt.

Zusätzlich kommen aber aus der Sicht von Franz Kraus auch noch wachsende Einflüsse von außerhalb des professionellen Kamerabereichs hinzu, die ebenfalls auf diesen Markt einwirken: »Wenn Ihnen vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass Sie mit einem handlich kleinen Smartphone Videos in HD-Qualität ansehen und sogar aufzeichnen können, obwohl sie auch schon ihre ganze Musiksammlung darauf kopiert haben, dann hätten Sie diese Person vermutlich für verrückt gehalten. Das zeigt, wie rasant die technologische Entwicklung heute in manchen Bereichen voranschreitet. Das macht es für die Herstellerseite nicht leicht, Produkte mit einer längeren Lebensdauer zu konzipieren und jeweils auf das richtige Pferd zu setzen.«

Ein anderes Beispiel für die Kräfte des Marktes sieht Franz Kraus etwa in den GoPro-Kameras: »Vor ein paar Jahren war die Sichtweise weit verbreitet, das sei eine Produktkategorie für ein paar wenige, wilde Sportler, die damit ihre Heldentaten dokumentieren und Filmchen auf 8-mm-Niveau machen wollen«, so Kraus. »Aber das wurde gehörig unterschätzt: Wenn der Point-of-View wichtig ist, reicht auch die Qualität einer GoPro aus. Wenn dadurch aber gleichzeitig immer weiter unterlaufen wird, was die Qualität eines Bildes ausmacht, wenn sozusagen die Referenz fließend wird, wird es kritisch. So mögen GoPro oder iPhone in ihrem jeweiligen Kontext gute Ergebnisse liefern, können aber aus meiner Sicht nicht als Referenz für die Bildgüte gelten. Davon muss sich der professionelle Bereich abheben — und heute besteht die große Chance, das professionelle Bewegtbild neu zu definieren, denn man ist nicht mehr abhängig von Filmpigmenten und Emulsionen oder von den Kontrastverhältnissen in der Filmprojektion. Diese Chance sollten wir nutzen.«

Auswirkungen der digitalen Revolution

Wie kann man den Markt dafür sensibilisieren, dass Bildqualität eine mehrdimensionale Angelegenheit ist, dass letztlich mehr nötig ist, als immer höhere Auflösung? »Durch Aufklärung«, sagt Franz Kraus: »Bilder sagen mehr als 1.000 Worte«. Wenn man etwa Hochkontrastaufnahmen vorführe, seien auch Zuschauer ohne technischen Hintergrund von der höheren Qualität dieser Bilder spontan überzeugt; viele glauben ein 4K-Bild zu sehen, so Kraus. Aus seiner Sicht wäre es daher sinnvoll, wenn Sendeanstalten in einer nächsten Evolutionsstufe Hochkontrast auf HD-Basis implementieren würden, denn immer mehr Displays geben das her. »Wenn sie stattdessen 4K ohne Hochkontrast implementieren, wäre das ein großer Fehler«, so Kraus.

Es gebe durchaus schon etliche Initiativen, die Bildqualität umfassender zu definieren: Regisseur und VFX-Legende Douglas Trumbull etwa realisiert derzeit ein Projekt, das mit 120 Bildern pro Sekunde arbeitet — also mit sehr hoher Bildrate. Zum Vergleich: Peter Jacksons »Der Hobbit« wurde in Stereo-3D mit 48 fps umgesetzt.

Eine andere Entwicklung, die Franz Kraus beobachtet, bezieht sich auf den Filmlook: Ein Thema, das sich aus seiner Sicht letztlich überholt hat: »Es ist doch erstaunlich, dass Kameraleute, die im Grunde ihr Leben lang mit Film und Filmkorn gearbeitet haben und darin ein artistisch nutzbares, ästhetisches Attribut gesehen haben, sehr schnell auf das Filmkorn zu verzichten lernten. Auf Branchentreffs wie dem Camerimage wird überhaupt nicht mehr übers Filmkorn gesprochen: Das interessiert nicht mehr.«

Letztlich hat den Abschied vom Korn zweifellos auch die Tatsache erleichtert, dass das Filmkorn bei allen Kompressionsverfahren zu Artefakten führte, die »eine Katastrophe waren«, wie Franz Kraus meint. »Vielen Filmfans ist es im digitalen Zeitalter vielleicht auch gerade deshalb sehr leicht gefallen, sich vom Filmkorn zu verabschieden. Ich kenne viele Kameraleute, die das Filmkorn sehr geschätzt haben, aber angesichts der Digitaltechnik alles unternahmen, um es bei ihren Projekten herauszurechnen«, berichtet Franz Kraus.

Im Zuge all dieser Veränderungen, die sich beim Bild durch die Digitaltechnik ergeben haben, sollte die Industrie im Schulterschluss mit den Sendern daran arbeiten, einen Konsens darüber zu finden, wie die nächste Stufe der Bildqualität aussehen könnte, die man erreichen will, so Kraus. Es reiche nicht, einfach nur die nächste Mode mitzumachen und nach dem mehr oder weniger missglückten und wieder auf Nischengröße geschrumpften Stereo-3D-Ausflug nun alle Hoffnungen auf 4K zu setzen. »Die Konsumenten sind intelligenter, als es ihnen viele Hersteller zutrauen, und spätestens wenn es an ihren Geldbeutel geht, entscheiden, sie, ob sie ein Produkt oder eine Technologie wirklich brauchen oder nicht«, sagt Kraus.

Mit Bezug auf die 4K-Anstrengungen einiger Hersteller ergänzt Kraus: »Wenn eine notleidende Industrie, die beklagt, dass man an Fernsehgeräten nichts mehr verdienen kann, bei der Funkausstellung in Berlin 4K-Technologien zeigt, die man derzeit weder kaufen kann noch kommerziell nutzen könnte — so man sie denn kaufen könnte — trägt das aus meiner Sicht selbstzerstörerische Züge — werden doch alle Verkaufsanreize für die hochwertigen aktuellen Geräte unterlaufen.«

Chancen und Risiken für Profiausrüster

Eine weitere Entwicklung, die Franz Kraus ausmacht, ist die zunehmende Komplexität des Marktes und auch der Produkte. »Heute bieten schon die Endgeräte der Zuschauer so viel Image Processing, dass die Geräte aus allem, was an Signal ankommt, immer etwas machen, was noch einigermaßen ordentlich aussieht. Das führt dazu, dass immer häufiger auch weniger Mühe in die Akquisition der Bilder gesteckt wird.«

Braucht es dann überhaupt noch hochwertige, teurere Kameras? Gibt es dafür einen Markt? »Es gibt Gründe, weshalb sich der professionelle Handwerker lieber eine teure Hilti-Bohrmaschine zulegt, als einen Billigbohrhammer aus dem Baumarkt. Das kann man in gewisser Weise auch auf unsere Kameras übertragen: Wir betrachten unsere Kameras als Werkzeuge für Profis in der Bildgestaltung und deshalb legen wir Wert auf Ergonomie, Robustheit, Zuverlässigkeit, eine gute, gleichbleibende Abbildungsqualität unter allen Bedingungen und auch auf die Erfüllung aller optomechanischen Anforderungen. All das kann man nun mal nicht zu Discount-Preisen bieten.«

In diesem Aspekt spielt der Drang zu immer höheren Auflösungen Herstellern wie Arri sogar in die Hände. »Je mehr K man erreichen will, also je höher die spatiale Auflösung sein soll, um so höhere Präzision ist in der Fertigung und Kombination der einzelnen Komponenten erforderlich — und hier liegt eine unserer Stärken. Aber natürlich muss es für zusätzliche Anstrengungen in diesem Bereich auch einen Nutzen geben.«

»Unsere Kunden sind überwiegend Leihparks und für die ist das Business immer schwieriger geworden, weil sich hohe Investitionen aufgrund des Preisverfalls und der kurzen Produktlebenszyklen nicht mehr rechnen«, sagt Franz Kraus und ergänzt, dass diese Entwicklung nicht endlos weitergehen könne: Schließlich müsse man berücksichtigen, dass im Gerätepreis einer Kamera nicht nur die Entwicklung und Technologie, sondern auch Beratung und Service eingepreist seien. »Wenn die Kameraverkaufs- und -mietpreise unter ein bestimmtes Niveau gehen, kann und wird es diesen Service nicht mehr geben«, so Kraus. »So lange aber die Kunden dieses Konzept verstehen und wir auf dieser Basis weiter Kameras verkaufen können, müssen wir nicht die billigsten sein; wir dürfen aber auch nicht jedes Jahr eine neue Kamera auf den Markt werfen, denn das ruiniert das Geschäft der Leihparks. Das ist zweifellos ein Balanceakt, der aber momentan ganz gut funktioniert.«

Die Frage, ob es eine weitere Marktbereinigung im Kamerabereich geben werde und vielleicht auch große Konzerne wie Sony oder Panasonic ihren Firmenfokus verändern werden, beantwortet Franz Kraus differenziert. »Bei börsennotierten Unternehmen mag es Vorlieben oder Präferenzen geben, doch am Ende des Tages geht es darum, bestimmte Ergebniszahlen zu erreichen. Wenn ein Sanierer den Auftrag hat, diese zu liefern, wird er  alles tun, um das zu erreichen — und sich vielleicht auch vom einen oder anderen Bereich trennen. Dennoch gibt es für alle Hersteller auch immer wieder Nischen und Chancen, die man nicht unterschätzen sollte.«

Arri selbst versucht einerseits, solche Nischen für die Alexa zu erschließen, streckt seine Fühler aber auch wieder in andere Bereiche aus. So war Arri schon mal sehr erfolgreich im Medizinbereich aktiv und baute Röntgenkameras. »Die meisten Kameras, die Arri jemals gebaut hat, gingen in diesen Bereich«, erläutert Franz Kraus.

Nun arbeitet das Unternehmen erneut daran, mit seiner Kameratechnik im Bereich Medizintechnik Fuß zu fassen — allerdings unter anderen Vorzeichen als früher. Franz Kraus erklärt: »Vor vielen Jahren war Arri Produzent von Röntgenkameras, die unter anderem von Siemens, Philips, GE und Toshiba in deren Lösungen eingesetzt wurden. Momentan loten wir aus, ob wir unseren früheren Erfolg im Medizinbereich wiederholen können — und auch in welchen anderen Bereichen jenseits des Entertainment-Marktes Chancen für uns liegen.«

Unternehmensfragen

Auch abseits der Produkte gibt es Fragen, die man Arri stellen kann: So hat Bob Arnold seine 50%igen Anteile an Arri an die zweite Eigentümerfamilie Stahl verkauft. Welche Auswirkungen wird das auf die Unternehmensgruppe haben, sind etwa Aufspaltungen in der einen oder anderen Form denkbar?

»An der generellen, langfristigen Ausrichtung des Unternehmens wird sich nichts verändern. Das kann ich konkret an folgendem Beispiel festmachen: Im Jahr 2009, das wirtschaftlich sehr schwierig für uns war — und nicht nur für uns — haben die beiden Eigentümerfamilien die Entscheidung getroffen, erhebliches Investment in Forschung und Entwicklung für die Alexa zu bewilligen und zu tragen. Die meisten Finanzinvestoren hätten das nicht getan — aber beide Familien waren am langfristigen Erfolg des Unternehmens interessiert und haben dafür erhebliche Verluste in 2009 in Kauf genommen. Die Basis der Entscheidung war letztlich, dass die Eigentümer das Unternehmen kennen und wissen, was die Mitarbeiter leisten können. Dass wir neben dem Kamera-Business ein starkes Lichtgeschäft haben, wird zweifellos auch in Zukunft so bleiben«, erläutert Franz Kraus.

Dass man im Unternehmensbereich Rental bei einem Kamerahersteller, der überwiegend an Leihparks verkauft, einen gewissen Interessens- oder Zielkonflikt sehen kann, streitet Franz Kraus dagegen nicht ab: »Dieses Konfliktpotenzial werden wir Stück für Stück auflösen, ein erster Schritt dazu war etwa, dass wir die einzelnen Rental-Unternehmen unserer Gruppe nun auf internationaler Ebene unter einem Dach vereint haben, das unabhängig von den nationalen Sales-Organisationen agiert«, erläutert Franz Kraus und lässt durchblicken, dass diese Entwicklung noch nicht gänzlich abgeschlossen sei, sondern möglicherweise auch Kooperationen des Rental-Bereichs außerhalb des Unternehmens denkbar seien.

Bleiben noch der Dienstleistungs- und der Studiobereich, wo es zunächst auch keine Veränderungen geben werde, wie Franz Kraus erklärt. »Die DCP-Erstellung etwa und das Remastering sind klare Wachstumsmärkte für uns, in denen wir sehr gut etabliert sind.« Allerdings wird sich Arri vom Standort Türkenstraße in München Schwabing in absehbarer Zeit verabschieden: Aktuell verhandelt das Unternehmen mit der Stadt München über ein neues Areal in der Parkstadt Schwabing, sodass in den nächsten drei bis vier Jahren ein Umzug stattfinden dürfte. Man wird sehen, was das für das Studio bedeutet, in dem derzeit das ZDF »Neues aus der Anstalt« produziert.

Der Umzug wird natürlich besonders für die Kameraentwicklung und -produktion ein großer Schritt in die richtige Richtung sein, weil man dann den verwinkelten, labyrinthischen Stammsitz des Unternehmens  — oft scherzhaft als »Vereinigte Arri Hüttenwerke« bezeichnet — gegen speziell auf die Bedürfnisse eines modernen High-Tech-Betriebs abgestimmte Räume tauschen kann.

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Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

Bildrechte
Nonkonform (7), Arri (12)

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