Report, Top-Story: 08.02.2012

Wild und extrem: AF101 im Doku-Einsatz

Der österreichische Filmschaffende Udo Maurer realisiert als Regisseur und AAC-Kameramann TV-Dokumentarfilme. Unter anderem hat er schon international erfolgreiche Produktionen für den ORF, Spiegel TV und Discovery-Channel umgesetzt. Bei der Bildaufnahme setzt er seit einiger Zeit auch auf Panasonics Large-Sensor-Camcorder AG-AF101. Im Gespräch mit film-tv-video.de erläuterte er die Gründe für diese im Dokumentarfilmbereich eher unübliche Entscheidung und beschrieb seine Arbeitsweise mit dem Camcorder.

Udo Maurer liebt zumindest beruflich die Extreme: Wo er dreht, ist es mal glühend heiß, mal bitterkalt, entweder sehr feucht oder extrem trocken. Eine seiner Produktionen trägt dementsprechend auch den Titel »Extremes«: In sechs Teilen dokumentierte Maurer die extremsten Orte der Welt. Der Untertitel »Von höchsten Höhen bis unters Meer« beschreibt die thematische Spannweite der Reihe, die sich unter anderem mit einem bedrohten Südsee-Atoll, einer 5.400 m hoch gelegenen Goldgräberstadt in den Anden und der Koralleninselgruppe Tuvalu beschäftigt. Eines ist fast allen Locations gemein, an denen Udo Maurer schon drehte: Sie stellen höchste Anforderungen ans Equipment, aber auch an das Team, das damit unterwegs ist.

Mit »Wild Nairobi«, einer seiner jüngeren Produktionen, stieg Maurer auf Panasonics AG-AF101 um. Maurer begründet den Schritt damit, dass er früher viel im Filmformat Super-16 gearbeitet hat. »Ich wollte einfach wieder eine Kamera zu haben, bei der ich mir die Optiken aus einer großen Bandbreite von Möglichkeiten aussuchen kann«, sagt Maurer und ergänzt, dass ihm auch die Sensorgröße der AF101 gefallen habe. »Sonys F3 habe ich ebenfalls ausprobiert«, ergänzt Maurer, »doch bei dieser Kamera hatte ich den Eindruck, dass ich aufgrund ihres noch größeren Chips bei meiner Arbeitsweise deutlich mehr Probleme haben würde, die Schärfe zu kontrollieren. «

»Teilweise drehe ich sehr reportageartig, habe die Kamera auf der Schulter und muss dann auch schnell reagieren können. Hierfür ist eine klassische ENG-Kamera optimal. Andere Elemente meiner Filme gestalte ich dagegen sehr filmisch. Ich wollte einfach eine Kamera haben, mit der ich beide Anforderungen abdecken kann«, beschreibt Maurer seinen Entscheidungsprozess. Panasonics AF101 erfüllt aus seiner Sicht diese Anforderungen: »Wenn ich mit offener Blende drehe, habe ich viele gestalterische Möglichkeiten, und wenn ich mit Blende 16 arbeite, habe ich alle Vorteile einer ENG-Kamera.«

Kamera-Setup

Udo Maurer betrieb einen vergleichsweise großen Aufwand, um ein Setup zu finden, das es ermöglichte, »mit der Panasonic-Kamera auch in extremen Bedingungen zuverlässig und gut arbeiten zu können«. Letztlich hat Maurer unterschiedlichstes Equipment getestet und dann verschiedene Komponenten kombiniert, die er in drei verschiedene Setups nutzt, die er »Mini«, »ENG« und »Film« nennt. Je nach Anforderung kann er damit reportageartig oder eher filmisch arbeiten.

Die beiden Setups ENG und Film ähneln sich, während Mini eine sehr abgespeckte Variante umschreibt. In der Miniversion betreibt Maurer den AF101 letztlich mehr oder weniger nackt, nur mit einer Lumix-Optik, dazu kommen noch ein Nanoflash-Recorder für die Aufzeichnung und ein Swift Akku mit 7.2 V Gleichspannung, der den Nanoflash versorgt. »In dieser Form setze ich den Camcorder ein, wenn ich auf engem Raum aufzeichnen muss«, erläutert Udo Maurer.

Bei den beiden größeren Setups (ENG und Film) hat Maurer einiges an Zeit und Mühe investiert, bis er damit zufrieden war und diese aus seiner Sicht ausgereift und drehbereit waren: »Ohne diese speziellen Setups und unsere Anpassungen wäre es für mich bei meiner Arbeitsweise schwer gewesen, mit der AF101 zu arbeiten«, bilanziert Maurer, »deshalb haben Andreas Hagemann und ich in Zusammenarbeit mit AV Professional aus Wien, relativ viel Zeit in die Optimierung investiert.«

Zentrale Komponenten der beiden Setups ENG und Film sind das Studio Rig Video von Chrosziel im Zusammenspiel mit passender Mattebox und Zoom-Fluidantrieb von Chrosziel. Handgriffe von O’Connor ergänzen das Rig. Für die Bildkontrolle setzt Maurer einen Cineroid-Sucher im Metallgehäuse ein (Vergleichstest). Für diesen Sucher entwickelte er eine spezielle Aufhängung, deren Hauptzweck es ist, die Kamera nebst Zusatz-Equipment ordentlich auszubalancieren.

Beim Ton nutzt Udo Maurer ein Sennheiser-Mikrofon-Modul (ME64) und Ambients Timecode-Lanc-Logger. Letzterer erlaubt es, Bild und Ton getrennt aufzeichnen und dennoch einfach und zuverlässig synchronisieren zu können. Für die Audioaufzeichnung ist bei den Drehs Udo Maurers engster Mitarbeiter Andreas Hagemann zuständig, der dafür einen separaten Audiorecorder nutzt (Sounddevice 744 T).

Für die Aufzeichnung der Bildsignale ist ein Nanoflash-Recorder im Einsatz, der das Signal auf zwei CF-Karten speichert. Dabei nutzt Udo Maurer den Nanoflash für die Aufzeichnung im XDCAM-422-Codec mit maximal 160 Mbps (Long-GoP) oder 220 Mbps (I-Frame) und speichert die Bilddaten wahlweise als Quicktime (MOV), MXF oder MPG.

Die Stromversorgung der Kamera, des Cineroid-Suchers und des Nanoflash realisiert Udo Maurer beim großen Setup über IDX-Akkus (ES-9/2S Endura HL9S).

Die Besonderheit des ENG-Setups besteht darin, dass Maurer hier mit kompakteren Optiken und ohne Mattebox arbeitet und somit auch recht schnell und reportageartig drehen kann. Neben diversen Lumix-G-Vario-Zooms nutzt er hierfür auch ein lichtstarkes Voigtländer-Objektiv und eine Leica-Linse mit FT-MFT-Adapter.

Im Film-Modus hat Maurer die AF101 voll aufgeriggt und verwendet PL-Mount-Objektive. Die Kamera ist im Unterschied zur ENG-Variante mit einer Mattebox und einem Marshall-Monitor für die Bildkontrolle. kombiniert (Monitor-Vergleichstest). Weil Maurer gern mit den etwas schwereren Angenieux-PL-Objektiven arbeitet, nutzt er den gestützten Vocas-PL-Adapter, um die PL-Objektive auf den Micro-4/3-Mount des AF101 zu adaptieren.

»In voller Ausstattung wiegt das Film-Setup rund zehn Kilogramm. Ich habe aber auch immer ein kleines Steadicam-System und einen Cineslider beim Dreh mit dabei. Wenn ich die Kamera damit nutzen will, kann ich sie relativ schnell umbauen und auf ein Gesamtgewicht von etwa drei Kilogramm inklusive der Fixoptiken bringen.« Auch den Umbau der Mount-Adapter schafft Maurer nach eigenen Angaben innerhalb weniger Minuten. »Das liegt unter anderem auch daran, dass der Vocas-Mount nicht fest mit der Kameraplatte verbaut ist, sondern drauf geschoben und verriegelt wird.«

Objektive

Anfangs drehte Udo Maurer ausschließlich mit Lumix- und Sigma-Optiken, war damit aber noch nicht recht zufrieden und entschied sich für den Kauf von zwei Angenieux-Zoomoptiken mit den Brennweitenbereichen 16-42 und 30-80 mm. Sie bilden aus seiner Sicht einen sehr guten Kompromiss aus vergleichsweise geringem Gewicht, kompakten Baumaßen und guten optischen Fähigkeiten. »Im Vergleich zum restlichen Equipment sind die Optiken natürlich recht teuer, aber für mich war es sehr wichtig, hier maximale Qualität und auch Flexibilität zu haben«, so Maurer. »Ich bin nur dann auf die 14-140er-Lumix-Optik umgestiegen, wenn ich eher reportageartig arbeiten wollte – wobei man sich dann auch damit abfinden muss, dass man das Kompendium nicht mehr nutzen und auch die Blende nicht sanft ziehen kann«, ergänzt er.

Insgesamt betrachtet es Udo Maurer aber als großen Vorteil, mit dem AF101 auch Fotoobjektive einsetzen zu können: »Ich habe mich relativ schnell nach Optiken im Fotobereich umgesehen, die mir vom Arbeiten her ebenfalls zusagen. So habe ich etwa eine sehr lichtstarke 1:0,95er Voigtländer-Optik und ein 35-mm-Tilt-/Shift-Objektiv von Canon angeschafft, die ich beide immer mal wieder einsetze.«.

Produktionen

Maurer arbeitet bei seinen Produktionen meist gemeinsam mit dem Tonmann Andreas Hagemann, der auch Aufgaben aus dem Bereich Kameraassistenz übernimmt. »Ich finde es sehr angenehm, im kleinen Team zu arbeiten, auch wenn dabei jeder mehrere Jobs erledigen muss«, sagt Maurer. Dabei ist es dann natürlich auch wichtig, dass man nur einen entsprechend reduzierten, vernünftigen Equipment-Park mitnimmt, der auch transportabel ist.

Auch das sprach aus Maurers Sicht für den AF101: »Sicher gibt es auch andere schöne Kameras, die vielleicht sogar noch bessere Ergebnisse liefern, aber für die müssten wir auch mehr Zubehör und schwerere Objektive transportieren — und das spricht letztlich wieder gegen unsere Arbeitsweise«, resümiert der Extremfilmer.

Die erste Doku, die Udo Maurer mit dem AF101 realisierte, war »Wildes Nairobi«. Diese Produktion lief schon Ende vergangenen Jahres im ORF und dürfte sicher noch weiter ausgewertet werden. In diesem Dokumentarfilm beschäftigt sich Maurer mit den »Grenzgebieten« von Kenias Hauptstadt, in denen die Wildnis auf die Großstadt trifft: So sind etwa viele Einwohner der 3-Millionen-Stadt Nairobi täglich mit Wildtieren konfrontiert und müssen Wege finden, sich mit diesen zu arrangieren.

Eine andere aktuelle AF101-Produktion von Udo Maurer ist »Aurora, Fire in the Sky«. Darin geht es um die als Polarlichter bekannten Leuchterscheinungen am Himmel über den Polarregionen der Erde. Aurora Borealis und Aurora Australis treten dort auf, wo das Magnetfeld der Erde relativ schwach ist, so dass geladene Teilchen des Sonnenwindes nicht abgelenkt werden, sondern auf die Erdatmosphäre treffen. Die Bewohner der betroffenen Regionen kennen viele Legenden zum Ursprung und zur Bedeutung des Polarlichts, Maurers Film spannt einen Bogen von den überlieferten Mythen der Völker bis zur wissenschaftlichen Erforschung der Aurora.

Bei der Produktion dieses Films arbeitete Maurer unter anderem mit der lichtstarken Voigtländer-Optik und mit einer Empfindlichkeitseinstellung der Kamera von 1.000 ASA. »Der Schwarzwert war noch völlig in Ordnung, und das ermöglichte es uns überhaupt erst, die Nordlichter so zu drehen, wie wir das getan haben«, beschreibt Maurer.  »Aurora, Fire in the Sky« wurde von Terra Mater produziert, lief schon im von Red Bull Media betriebenen TV-Kanal Servus TV, eine internationale Auswertung ist geplant.

Fazit

Udo Maurer hat seinen Weg gefunden, auf Basis von Panasonics  AF101 verschiedene Setups zu kombinieren, die selbst in den extremsten Regionen der Erde zuverlässig funktionieren und flexibel einsetzbar sind. Im Zusammenspiel mit seinen Rigs und dem von ihm ausgewählten Zubehör, ist aus dem AF101 eine echte Doku-Kamera geworden, die Bildmaterial liefert, das auch den Ansprüchen von Broadcastern wie ORF, Discovery oder Terra Mater genügt.

Mit Einschalten und Loslegen ist es dabei natürlich nicht getan: Udo Maurer profitiert bei der Anpassung und Nutzung seines Equipments von seiner jahrelangen Filmerfahrung.

Equipmentliste
Kameras
  • A-Kamera: Panasonic AF101
  • B-Kameras: Panasonic GH1 und GH2, Gopro Hero
Optiken
  • Angenieux Optimo DP 16-42; F 2,8; PL
  • Angenieux Optimo DP 30-80; F 2,8; PL
  • Voigtländer Nokton 25 mm; F 0,95; MFT
  • Sigma APO 120-300; F2,8 incl. 1.4 Telekonverter; MFT
  • Canon Tilt-Shift 35mm; F2,8; MFT
  • Lumix Objektiv G Vario  7-14mm; F 4; MFT
  • Lumix Obj.  OIS G Vario HD 14-140mm; F 4; MFT
Recorder
  • Nanoflash
Zubehör
  • Cineroid-Sucher EVF4MSS Metal SDI
  • Chrosziel 450-R20DC MatteBox 450R2-DSWC
  • Chrosziel 203-01S Studio Rig Video, Einzelversion
  • Chrosziel 102-13 Zoom Fluidantrieb
  • O’Connor-Handgriffe: O-Grips Single Jointed Set (Umbau mit Ein/Aus Schalter)
  • Micro ME64 Sennheiser
  • Ambient Timecode-Lanc-Logger
  • Steadicam Merlin inklusive Arm und Weste
  • Cineslider
  • Cinesaddle
  • Sachter-Stativ DV8/100
  • Diverse Tiffen und Schneider Filter
Licht
  • Lowel Riva 55 Set
  • 2x Dedolight
  • 2x Omnilight
  • 2x Totalight
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