Festival, Top-Story: 06.05.2020

Filmtipps für das 35. Dokfest München

Am 6. Mai 2020 beginnt das 35. Internationale Dokumentarfilmfestival München – ohne Publikumspräsenz, mit einer Online-Übertragung. Anschließend wird es bis zum 24. Mai 2020 möglich sein, 121 Filme aus 42 Ländern online anzusehen.





Filmtipps  

BABENCO: TELL ME WHEN I DIE [Portrait, Filmgeschichte, Lebensrückblick]

Babenco: Tell Me When I Die.

Es könnte der offizielle Corona-Film dieses Festivals sein, beginnt er doch gleich mit einem Tropf im Krankenhaus. Filmregisseur Hector Babenco leidet an Krebs und spielt in seinem letzten Film die Hauptrolle. Es ist eine Reise durch das eigene Leben, die inszenierte Filmszenen mit der Realität des eigenen Alltags verbindet. Das alles geschieht in gut durchdachten Schwarzweißbildern und gänzlich ohne Interviews mit Wegbegleitern und Zeitzeugen, was sich angenehm bemerkbar macht und den Film von den Konventionen biographischer Dokumentationen abhebt.
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Dokfest 2020
Hong Kong Moments.

HONG KONG MOMENTS [Fremde Welten, Politik]
In Hongkong geht es um die Unabhängigkeit von China, und um einen Verlauf zu dokumentieren, suchen sich die Filmemacher unterschiedliche Protagonisten mit unterschiedlichen Ansichten: einen Taxifahrer, eine Lokalpolitikerin für Unabhängigkeit, einen Lokalpolitiker pro China, einen Aktivisten anonym, einen Sanitäter, einen Polizisten und eine Teehausbesitzerin.

Es gibt Kommunalwahlen, bei denen eine junge Politikerin gewinnt, ein Lichtblick in dem vielen Durcheinander. Es gibt sehr viele Actionszenen in diesem Film, Gerenne von links nach rechts und umgekehrt. Irgendwann merkt man: es geht um Größeres, das sich mit dem beschränkten Kameraausschnitt gar nicht darstellen lässt. Auch die Zeitlupen und Drohnenaufnahmen helfen wenig, obwohl sie verlangsamen und einen Überblick über die City geben. Tipp: Vor dem Film nochmal bei Wikipedia nachlesen.
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Dokfest 2020
Qiangs’s Journey.

QIANG’S JOURNEY [Minderheit, China, Veränderung]
Ein Topos des Dokumentarfilms ist die Vertreibung aus dem Paradies. Immer wieder gibt es Filme, die solche Szenarien vorstellen und zeitlich begleiten. Im Hochland an der Grenze zu Tibet lebt die Qiang Minderheit ein karges bäuerliches Leben. Nach dem Erdbeben von 2008 mit 70.000 Toten sollen die Menschen aus dem gefährdeten Gebiet umgesiedelt werden.

Das läuft perfekt organisiert mit vielen Militär-LKW typisch chinesisch ab. Aber nach einiger Zeit sind die Alten mit der Umsiedlung nicht zufrieden und besuchen die Gräber ihrer Ahnen in den Bergen, um die Geister und Götter in ihr neues Zuhause zu bringen. Ein beobachtender Dokumentarfilm zwischen traditionellem Landleben und ländlicher Zivilisation.
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Dokfest 2020
Vivos.

VIVOS [Fremde Welten, Politik, Verbrechen]
43 Studenten sind 2014 in Mexiko verschwunden, ein Verbrechen, das weltweit für Aufsehen sorgte. Der Film nähert sich dem Fall sehr behutsam, mit Bildern im Nebel, der sich dann sprichwörtlich lichtet. Man lernt zuerst sehr intensiv die Angehörigen der Opfer in ihrem Alltag kennen. Es sind durchweg einfache Leute mit bäuerlichem Hintergrund, deren Söhne für das Lehrerstudium an einem fortschrittlichen Ausbildungsseminar durch körperlichen Einsatz in der Landwirtschaft die Studiengebühren begleichen konnten.

Nur hin und wieder geben Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen Auskunft über Hintergründe. Im Wesentlichen bleibt dieser Film bei den Familien, die durch ihren unermüdlichen Einsatz eine vollständige Aufklärung erzwingen wollen und immer noch hoffen, dass die Kinder lebend zurückkehren könnten.
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Dokfest 2020
Acasa, my Home.

ACASA, MY HOME [Familienportrait, Veränderung]
Mitten in Bukarest gibt es ein zwei Quadratkilometer großes Sumpflandgebiet, das zu Zeiten Ceaușescus mit einem hohen Damm eingegrenzt wurde, um daraus einen Stausee zu machen. In diesem vergessenen Stück Land (in Vacaresti) wohnt seit 18 Jahren eine Familie mit mittlerweile neun Kindern in einer Behelfsunterkunft. Vali ist der älteste Sohn, und ihm obliegt es, die Geschwister im Blick zu haben. Mit ihnen flüchtet er ins Schilf, wenn die Fürsorge zu ihrem Prüftermin anrückt.

Für die Kinder ist es ein Paradies mit mehreren Seen, mit Schwimmen und Fischen. Weil dann aus dem Areal ein Naturschutzgebiet entstehen soll, rücken Prominente wie der Premierminister und auch Prince Charles an, misstrauisch von der Familie beäugt. Diese muss schließlich in eine Wohnung umziehen, die Kinder gehen in die Schule und Vali, der Älteste, arbeitet als Ranger im neu entstandenen Naturpark. Die Filmemacher begleiten und beobachten die Familie über Jahre hinweg, und stellen hinter allem die Frage: kann der Einzelne dem Druck der Zivilisation entkommen?
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Dokfest 2020
Passion – zwischen Revolte und Resignation.

PASSION – ZWISCHEN REVOLTE UND RESIGNATION [Lebensrückblick, 68er]
Es ist der typische Rückblick eines Spät-68ers auf sein Leben, den hier der Filmemacher mit einer Collage fotografisch gut gestalteter Bilder unterfüttert, um aus dem speziell eigenen Leben eine allgemein gültige Bilanz für seine Lebenszeit zu ziehen. Dabei werden alle wichtigen Stationen der vergangenen 50 Jahre gestreift. Eingerahmt wird das Ganze in die Aufführung der Matthäuspassion.

Interessant an dem Film sind Bild-Ikonen, die sich durch stetige Wiederholung ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. Würde nicht erst im Abspann klar, dass viele der aufgesuchten und im Bild vorgestellten Örtlichkeiten dem Tourneeplan der Musiker entsprechen, man würde meinen, hier hat jemand die Bildarchive nach Typischem geplündert.
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