Branche, Top-Story: 28.08.2008

Hands on HD: Neueste Auflage in Hannover

Bereits zum sechsten Mal richteten Nordmedia und Band Pro in Hannover den Workshop »Hands on HD« aus. Mehr als 100 Teilnehmer setzten sich eine Woche lang mit HD-Technik und -Gestaltung auseinander.

Der siebentägige Workshop »Hands on HD« hat sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe in der Branche entwickelt. 80 Teilnehmer an den Kameraseminaren hatten die Gelegenheit, mit zahlreichen aktuellen Camcordern zu arbeiten. Zur Verfügung standen Sony XDCAM– und HDCAM-Camcorder, die High-End-Kameras Sony F23/35, die Red-One-Kamera und 3D-Stereo-Kameras.

In einer »Crossover Class«, die anstelle der früheren »Master Class« angeboten wurde, stand das systemübergreifende Arbeiten im Zentrum. Für die Aufnahmen standen insgesamt 13 verschiedene Sets zur Verfügung, darunter ein Low-Key- und ein High-Key-Set, ein Packshot-Aufbau, ein Beauty-Shot mit Dame auf Motorrad, sowie ein Greenscreen.

Postproduktions-Klasse

Rund 20 Teilnehmer bildeten die Postproduktions-Klasse. Diese besichtigte zum Einstieg die Halle mit den vorbereiteten Sets. Dabei wurden die ersten interdisziplinären Informationen ausgetauscht und Tipps weitergegeben: So wies etwa der Dozent Michael Radeck darauf hin, dass der Greenscreen im allgemeinen dem Bluescreen vorzuziehen sei. Die Bluebox sei letztlich ein Relikt aus der guten alten Filmzeit, als blau bei der Filmemulsion noch als die empfindlichste Schicht galt. Bluescreen-Aufnahmen seien allerdings mit höheren Rauschanteilen belastet als Greenscreen-Aufnahmen und verursachten deshalb in der Postproduktion mehr Probleme.

Ein weiteres Thema, das im Zeitalter von HD auch in der Postproduktion an Bedeutung gewonnen hat, ist die Schärfe. Wenn sie bei der Aufnahme nicht korrekt getroffen wurde, fällt das später auf der großen Leinwand deutlich stärker auf, als das bei SD der Fall wäre. Der gleiche Sachverhalt kann auch in der Postproduktion Probleme aufwerfen: Wird HD-Material aus Kostengründen auf SD konvertiert und in der niedrigeren Auflösung geschnitten, fallen Unschärfen oftmals nicht auf, werden dann erst beim finalen Schnitt des HD-Materials wieder sichtbar und sorgen dort für Probleme und Verzögerungen.

Equipment

In der Postproduktions-Klasse standen diverse Systeme zur Verfügung: alle HD-Editing-Systeme von Avid und Apples Final Cut Pro für den Schnitt. Im Bereich Color Grading gab es mit Lustre von Autodesk, Speedgrade von Iridas, Scratch von Assimilate, Apple Color und Film Master von Nucoda sogar noch mehr Vielfalt.

Als ausgesprochen hilfreich erwiesen sich die Erläuterungen zum Avid-System DS Nitris. »Ich arbeite seit Jahren mit DS, aber schon bei diesem kurzen Vortrag habe ich Features gesehen, von denen ich vorher noch nichts gehört hatte«, urteilte eine der Teilnehmerinnen. Beim Stichwort Nitris gibt es derzeit ohnehin viel Verwirrung: Das neue Nitris DX ist keineswegs der Nachfolger von Avid DS Nitris. Nitris DX ist lediglich eine reine Hardware, auf der unterschiedliche Softwares laufen. So viel ist sicher: Mit dieser verwirrenden Namensgebung hat sich Avid leider keinen Gefallen getan.

Vorträge

Den Eröffnungsvortrag hielt Prof. Plank von der Kunsthochschule Braunschweig, der auf ganz unterschiedliche Aspekte der digitalen Filmaufzeichnung einging und unter anderem die Eigenschaften des menschlichen Auges, von Filmkameras und Digitalkameras beleuchtete: »Das Auge ist keine Kamera. Das Auge scannt seine Umgebung und adaptiert sich an die herrschenden Umstände. Es reagiert besonders empfindlich auf Helligkeitsunterschiede und sieht in dunklen Bereichen mehr als in hellen. Der Kontrastumfang des Auges beträgt 900:1, in Extremsituationen sogar bis zu 1100:1. Die Aufgabe der Technik ist es nun, das nachzuahmen.«

Als weiterer wichtiger Aspekt in der Aufzeichnung wurde die große Bandbreite von hochauflösenden Formaten aufgezeigt, angefangen bei HDV bis hin zu 2K– und 4K-Auflösungen. Bei all diesen unterschiedlichen Auflösungen sind Kompressions- und Auflösungsprobleme vorprogrammiert und so sollte dieses Thema im Verlauf des Workshops noch reichlich Raum einnehmen.

Um von verschiedenen Ausgangsformaten zu einem oder mehreren Distributionsformaten zu gelangen, gibt es verschiedene Workflows, die sich teilweise sehr stark unterscheiden: Genaue Planung von Beginn an ist deshalb unerlässlich. Zentrale Fragen sind dabei: Geht es um Kino oder TV? Sind mehr oder weniger aufwändige Compositing-Sequenzen nötig?

»Im Kino fliegt es uns richtig um die Ohren, wenn wir nicht sauber gearbeitet haben!«, warnte Postproduktions-Trainer Michael Radeck wieder und wieder und gab viele nützliche Tipps: Für die Qualitätsbeurteilung eines HD-Bildes sei es unerlässlich, dass man in der Post über einen korrekt eingemessenen Monitor verfüge. Weiter sollten sich die Editoren klar machen, dass das Endprodukt nicht unbedingt eine kleine Postkarte im Wohnzimmer des Fernsehzuschauers sei, sondern ein großer HD-Monitor oder gar eine Leinwand, mahnte Michael Radeck. Letztlich gibt es also auch in der digitalen Welt viele Parallelen zur analogen Welt: zu viele Transcodierungen und jeder Renderprozess können das Material durch erneute Kompression verschlechtern.

Die digitale Filmproduktion verändert in der Postproduktion ganz generell viele Arbeitsweisen und birgt für die Editoren etliche Stolpersteine, auf die in den Vorträgen eingegangen wurde. Ein wichtiges Thema in der Kommunikation zwischen Set und Postproduktion sind beispielsweise LUTs. Sie sorgen dafür, dass die Postproduktion die korrekten Farbinformationen über den von gewünschten Look einer Szene erhält. Ohne die passende LUT wären im Schneideraum nur sehr flaue Bilder ohne die richtigen Farben und Kontraste zu sehen. Die Look-Up-Tables sind also ein wichtiges Tool in der Kommunikation zwischen Set und Postproduktion.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, wie der Editor die file-basierten Kamera-Daten ins Schnittsystem bekommt. Eine der vielen Möglichkeiten, die angesprochen wurde, bietet die Software MetaFuze. Damit lassen sich DPX-Files (Digital Picture Exchange), also die mit der Kamera aufgezeichneten Rohdaten, in MXF-Files umwandeln, um sie dann ins Schnittprogramm importieren zu können. MXF fungiert dabei als Wrapper oder Datencontainer. »Wrapper bieten eine effektive Möglichkeit, Medien-Files, etwa QuickTime, AVI, MP3 und Metadaten in einem Datenpaket zu kombinieren«, erklärte Avid-Urgestein Christel Jaekel in ihrem Vortrag.

»Bestechend einfach« wirkte auf einige Teilnehmer der Postproduktions-Klasse der Workflow, der mit dem Schnittsystem Apple Final Cut Pro und dem Aufzeichnungssystem XDCAM HD möglich ist. Mit dem XDCAM-Transfer Tool, das man sich von der Sony-Website herunterladen kann, werden die Daten per Firewire direkt ins Apple-Schnittsystem importiert.

Ein Thema mit wachsender Bedeutung bei HD-Produktionen ist das Color Grading, also die detaillierte Farbkorrektur. Im Idealfall sollte das ein erfahrener Lichtbestimmer durchführen, sodass beim Schnitt bereits vorfarbkorrigierte Bilder ankommen. Auch das erinnert an die gute alte Filmzeit, in der der Cutter vorkorrigierte Muster auf dem Steenbeck-Filmschneidetisch liegen hatte und schließlich bei der Fertigung der Kinokopie eine ausführliche Licht- und Farbbestimmung realisiert wurde. »Der Schneideraum ist viel zu hell für ein effektives Color Grading«, warnt in diesem Zusammenhang der Postproduction-Spezialist Michael Radeck.

Monitore waren während der gesamten Veranstaltung immer wieder ein Thema, vor allem ihre jeweiligen Vor- und Nachteile: Röhrenmonitore leuchten oft so, dass die dunklen Anteile eines Bildes falsch beurteilt werden können, LCDs weisen hingegen oft Flecken auf und Plasma-Monitore bieten eine bessere Qualität, kämpfen aber mit Dithering. Für Michael Radeck sind die qualitätskritischen Faktoren die native Pixelzahl, die Farbtemperatur (6500 Kelvin nach SMPTE-Norm), Farbtiefe und Farbraum (8 Bit); Bildhelligkeit, Kontrast und Umgebungslicht; Bildfrequenz; Blickwinkelqualität; Alterung und Einbrennen. Als ob die Probleme noch nicht reichten: »Jeder Kameramann, der keinen Weißabgleich macht, gehört getreten.« schimpfte Radeck. Vorsicht gilt auch bei einer Empfindlichkeitsanhebung, so Radeck, denn jede Verstärkung des Bildrauschens räche sich in der Postproduktion.

Formatvergleich

Gegen Ende der Veranstaltung stand für die verschiedenen Klassen ein Screening des Formatvergleichs »Five Reasons« an. Danach erhielt die Kameraklasse verschiedene Aufgaben, die jeder Einzelne lösen sollte. Eine davon bestand darin, zwischen Portraitaufnahmen zu vergleichen, bei denen die Protagonisten für SD oder HD geschminkt waren. HD erfordert durch die größere Detailzeichnung ein aufwändigeres Make-Up, was sich bei den Tests deutlich zeigte. Und galt früher die Regel, dass Männer oftmals weniger Make-Up benötigten, ist mit der neuen Technik davon nicht mehr die Rede, denn bei HD kann auch der Bartschatten zum Problem werden.

Beim weiteren Austausch der Kamera- und der Postproduktions-Klasse ging es um verschiedene Aufnahmen vor einem Greenscreen. Dabei wurde klar, dass digitale Artefakte die Qualität eines Keys sehr negativ beeinflussen. Je weicher — im Sinne von unschärfer — der Hintergrund-Screen abgebildet wird, desto besser hebt sich das scharfe Vordergrundobjekt ab und um so sauberer gelingt das Stanzen.

Dicht gedrängtes Programm

Es gab viel zu tun während der Veranstaltung in Hannover: 50 Kameras, 16 Schnittsysteme und 41 Dozenten beschäftigten die Teilnehmer. 16 Dozenten bestritten den Vortragsteil (unter anderem Rolf Allenbach und Dr. Meier-Beer), für die Workshop waren weitere 25 zuständig (unter anderem Philippe Ros, Louis Phillippe Cappelle, Prof. Uli Plank, Thomas Bresinsky und Michael Radeck). Insgesamt 50 Mitarbeiter kümmerten sich erfolgreich um das Wohl der Teilnehmer und den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung.

Zaghaft und langsam kamen neue Kontakte zustande. »Wir hatten bis jetzt gar keine Zeit, uns kennen zu lernen, da der Zeitplan so dicht gedrängt war«, meinte etwa eine Teilnehmerin beim Mittagessen. Beim HD-Workshop waren zum überwiegenden Teil junge Filmschaffende anwesend, die in der Regel weniger Berührungsängste mit neuer Technik haben. Doch die Autorin dieses Beitrags würde sich wünschen, dass auch noch mehr von den altgedienten Kollegen den Weg hierher fänden und mit ihren langjährigen Erfahrungen viel zu einem intensiven Austausch beitragen könnten.

Das Problem des äußerst dicht gedrängten Programms hatte auch Sebastian Wolters, Veranstaltungsleiter von Nordmedia, erkannt: »Der Stundenplan soll entzerrt und noch einmal überdacht werden. Ab dem nächsten Jahr wird es mehr Postproduktionsklassen geben, etwa 3D-Animation, eine Erweiterung der Postproduktionsthemen, beispielsweise für Operational Training und für Compositing und es ist auch eine Masterclass geplant.«

Es ist zu hoffen, dass viele den von Nordmedia angebotenen online-gestützten Erfahrungsaustausch nutzen werden. Leider kam der Kontakt zwischen Kamera und Schnitt diesmal erst sehr spät zustande. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn der Dialog der beiden Departments bereits früher erfolgte.