Branche, Interview, Site-Report, Top-Story: 18.01.2013

NHB: Kreativität und innovative Technik

NHB hat seinen Schwerpunkt im Bereich der High-End-Postproduktion für Werbefilm und bietet hierfür nicht mehr ausschließlich Postproduktion im klassischen Sinn an, sondern hat ein umfangreiches Dienstleistungsangebot dafür aufgebaut. Die Technik am Stammsitz in Hamburg sowie in den Niederlassungen in Berlin und Düsseldorf ist intern gut vernetzt — und nun gibt es auf technischer und kreativer Seite auch eine Kooperation mit The Mill. film-tv-video.de hat den NHB-Standort in Hamburg besucht.

Vor mehr als 25 Jahren gründeten Michael Vitzthum und Matthias Rewig eine eigene kleine Tonproduktion mit dem mehrdeutigen Firmennamen Never Heard Before, kurz NHB. Aus der Begeisterung der Gründer für Audiobearbeitung und Musikproduktion hat sich zwischenzeitlich ein mittelgroßer Firmenverbund entwickelt, der alle Gewerke der Werbefilmpostproduktion umfasst. So entstanden bei NHB etwa große Teile der jüngsten A-Klasse-TV-Kampagne von Mercedes — nicht nur, was deren technische Nachbearbeitung, sondern auch die visuelle Konzeption der Postproduktion betrifft.

Ein Making-Of zu den fünf Spots der Mercedes-A-Klasse-Kampagne.

Damit ist NHB über den Status eines rein ausführenden technischen Dienstleisters hinausgewachsen und in der ersten Liga der Werbefilmpostproduktion angekommen. Das zeigt sich unter anderem auch in der Kooperation von NHB mit dem international renommierten Post-Haus The Mill, um die es im weiteren Verlauf dieses Artikels noch genauer gehen wird.

Mit dem Wachstum an Marktbedeutung ging bei NHB auch ein reales, greifbares Firmenwachstum einher: Am Hamburger Hauptsitz beschäftigt NHB rund 60 feste und freie Mitarbeiter, die sich überwiegend, aber nicht ausschließlich, mit Werbung in Bild und Ton beschäftigen. Weitere Standorte betreibt NHB in Berlin und seit 2011 auch in Düsseldorf, wo NHB das Team von Locomotion übernahm. An den beiden jüngeren Standorten sind zusammen noch einmal rund 50 Mitarbeiter aktiv.

Der Hauptsitz, in dem NHB am Alsterglacis in Hamburg residiert, spiegelt den Geist des Unternehmens wider: NHB legt Wert auf das High-End. In der aufwändig renovierten, repräsentativen Stadtvilla 1862 erbaut, seit 1990 denkmalgeschützt), werden hochwertige, leistungsfähige High-Tech-Finishing- und Animationssysteme von historischen Tapeten und Stuck umrahmt. Ein reizvoller Gegensatz: herrschaftlicher Glanz einer früheren Epoche als Umfeld für die Entstehung moderner Hochglanzproduktionen.

Wachstum in einem hart umkämpften Markt

Im Postproduction-Markt hat sich in den vergangenen Jahren der Druck erhöht: Mit file-basierten Workflows, neuer kostengünstigerer Software und immer leistungsfähigeren Computer-Systemen können heutzutage auch kleine Firmen Jobs erledigen, die früher eine sehr teure und aufwändige technische Infrastruktur und extrem teure Software-Lizenzen erfordert hätten und somit deutlich außerhalb von deren Leistungsspektrum lagen. Dadurch hat sich die Wettbewerbssituation im Postproduction-Markt drastisch geändert. Zwar ist in den vergangenen Jahren auch das Marktvolumen gewachsen, weil neue Videoplattformen hinzukamen und es wird insgesamt gesehen heute mehr postproduziert als jemals zuvor, aber letztlich ist doch ein Preiskampf entstanden, der in den vergangenen Jahren schon etlichen großen, renommierten Postproduction-Häusern das Genick gebrochen hat.

Wie ist es NHB gelungen, sich von diesem Trend abzusetzen und sogar immer weiter zu wachsen? Darauf gibt es viele Antworten und es kommen sicher etliche Faktoren zusammen. Einer davon, so führt Tim Tibor, Head der Hamburger Niederlassung von NHB, aus, liegt in der Qualität und Qualifikation der Mitarbeiter. »Wir arbeiten letztlich in einem People-Business: Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Kunden bei uns wohlfühlen und dass wir ihnen ein angenehmes Umfeld mit kompetenten Mitarbeitern bieten, in dem sich optimale Ergebnisse realisieren lassen. Dabei konzentrieren wir uns auf das High-End des Werbemarktes und suchen etwa auch international nach neuen Mitarbeitern, wenn wir Positionen zu besetzen haben.«

»Wir sind bei den Projekten unserer Kunden mittlerweile auch viel mehr in den kreativen Entstehungsprozess einbezogen, als das früher der Fall war, und dafür braucht es Mitarbeiter, die zum Top-End gehören«, sagt Susanne Reimann, die bei NHB für PR und Events zuständig ist.

»Wir haben uns schrittweise vom reinen Dienstleister, der eher technisch orientiert war, zu einem Unternehmen entwickelt, das von Beginn an in den Produktionsprozess eingebunden ist«, erläutert Tim Tibor. »Früher hat oft eine Kreativagentur alle gestalterischen Aspekte einer Produktion bis ins kleinste Detail vorgegeben und wir haben das umgesetzt. Heute entwickeln wir in vielen Fällen eigene Ideen und Konzepte für die Postproduktion, übernehmen die Prävisualisierung sowie Stil- und Look-Entwicklung, kümmern uns um die VFX-Supervision am Set und kehren erst dann auf unser Ursprungsgebiet Postproduction zurück.«

Wenn es um solcherlei kreative Leistungen geht, ist es in der Werbewirtschaft üblich, dass gepitcht wird. Also muss ein Unternehmen, das hier mitspielen will, auch in Vorleistung treten können — was neben der Expertise und dem Knowhow natürlich bei großen, prestige- und ertragsträchtigen Projekten auch eine gewisse Unternehmensgröße auf der Anbieterseite voraussetzt: So entsteht eine Spirale, auf der sich NHB stetig nach oben gearbeitet und dabei neue Töchter hervorgebracht hat, wie eine Pitching-Unit und eine Corporate-Sound-Unit.

Auch in der Technik beobachtet Tibor eine weitere, grundlegende Veränderung im Markt: »Heute geht es viel weniger um das eingesetzte Equipment, als um das Ergebnis: Wir nutzen eine Vielzahl von Software-Werkzeugen, um im Auftrag der Kunden optimale visuelle und auditive Ergebnisse zu erzielen. Zwar findet auch heute die Endabnahme der Produktionen meistens auf einem Flame statt, aber das wird insgesamt nicht mehr ganz so hoch gehängt.«

NHB arbeitet mit einem Floating-License-System, die jeweiligen Softwares können also immer dort genutzt werden, wo sie gerade benötigt werden — in Hamburg, Düsseldorf oder Berlin. Ähnliches gilt auch für Teile der Hardware: Auf die große Renderfarm in Hamburg können dank schneller Netzwerkverbindungen auch die anderen Niederlassungen zugreifen. »Verteilte Strukturen und die übergreifende Verknüpfung der Technik an den Standorten erlauben uns ganz neue Arbeitsweisen. Das ist eine weitere Stärke von NHB«, erklärt Tim Tibor. Bei der Kooperation mit The Mill wurde dieses Konzept auf die Spitze getrieben. »Dazu kommt unser mittlerweile sehr großes Team. Wir können problemlos 20 3D- oder Nuke-Artists für eine Produktion zur Verfügung stellen«, ergänzt Tim Tibor.

»Früher war auch den Kunden das Equipment viel wichtiger als heute, da musste man etwa einfach ein Flame haben, wenn man in einer bestimmten Liga mitspielen wollte. Heute geht es dagegen viel mehr um die Leute, die vor den Geräten sitzen. Unsere Topkunden wollen etwa mit bestimmten Grading-Artists zusammenarbeiten, die sie kennen, deren Showreel sie beeindruckt hat oder die Auszeichnungen vorweisen können.« Hier positioniert sich NHB durch die Kooperation mit The Mill neu.

Kooperation zwischen NHB und The Mill

»Gerade beim Grading geht es darum, die Besten der Besten anbieten zu können, erläutert Tim Tibor. Aus diesem Grund hat NHB eine Kooperation mit dem englischen Postproduktionshaus The Mill realisiert, das Niederlassungen in London, New York und Los Angeles betreibt.

The Mill genießt unter anderem im Color Grading einen herausragenden, internationalen Ruf. Einige Kunden von NHB ließen bisher schon ihre Produktionen von den Spezialisten bei The Mill graden. So entstand die Idee einer Kooperation zwischen den Häusern, die sich dann durch den Wechsel eines Mitarbeiters von The Mill zu NHB konkretisierte.

Nun besteht ein kreativer Austausch zwischen den Color Grading Departments beider Häuser. Um das Ganze auch auf technischer Ebene reibungslos zu gestalten, gibt es nun neben DaVinci Resolve und Lustre mit Baselight ein drittes Grading-System bei NHB. Baselight ist im Grading-Bereich der Standard bei The Mill — The Mill ist auch eng mit Filmlight verbunden, was die Entwicklung der Baselight-Soft- und Hardware betrifft — nun kann auch in den Grading-Suites von NHB in Hamburg, Berlin und Düsseldorf mit diesem System gearbeitet werden. Komplette Grading-Projekte können dadurch nahtlos zwischen NHB und The Mill ausgetauscht und jeweils sofort weiter bearbeitet werden. Exklusiv für Deutschland können nun also die Grading-Artists Adam Scott, James Bamford, Shane Reed, Seamus O’Kane, Fergus McCall, Damien Van Der Cruyssen, Luke Morrison, Aubrey Woodiwiss, Mick Vincent, Greg Reese und Sal Malfitano in London, Los Angeles oder New York die Filme von NHB-Kunden bearbeiten, während diese live in Deutschland dabei sind: möglich wird das durch ein Remote Grading System.

Der Grading-Artist sitzt dabei wahlweise in einer der Niederlassungen von The Mill in Los Angeles, New York oder London und arbeitet mit dem zuvor dorthin übertragenen Material in höchster Auflösung. Per Videokonferenz sind ihm seine Kunden aus Deutschland zugeschaltet und können mit ihm zusammenarbeiten. Gleichzeitig sehen die Kunden bei NHB auf einem großen Monitor, wie sich die Arbeit des Grading Artists auf das Bildmaterial auswirkt. Dazu wird ein zwar datenkomprimiertes, aber farbverbindliches Signal vom Ort der Bearbeitung in hoher Bildqualität nach Deutschland übertragen. Um die dabei notwendige, hohe Bildqualität und geringe Latenz zu gewährleisten, wird ein Hardware-JPEG-Codec verwendet und die Verbindung über einen speziellen Video-Gateway hergestellt, der Datenraten bis zu 1,5 Gbps erreicht.

Während also beispielsweise in Los Angeles am Look gefeilt wird, können die Kunden in Deutschland die Arbeit direkt verfolgen und begleiten. Sind die grundlegenden Settings einmal erarbeitet, können auch die Grading-Artists in Hamburg, Düsseldorf oder Berlin übernehmen und damit am eigenen Baselight weiterarbeiten. Dazu müssen einfach nur die Projektdaten im Baselight bei The Mill gespeichert und dann auf das Baselight bei NHB übertragen werden: Das geht sehr schnell und erlaubt nahtloses Arbeiten.

Mike Friedland, Inhouse-Colorist bei NHB, sagt über die Zusammenarbeit mit den Kollegen von The Mill: »Durch die Kooperation mit The Mill können wir jetzt wesentlich flexibler und mit einem vergrößerten Spektrum auf die Wünsche unserer Kunden reagieren. Außerdem ist es immer spannend, sich mit so hochkarätigen Talents auszutauschen und voneinander zu lernen. Gerade in der Telecine geht es ja darum, laufend neue Looks zu finden und bisher Ungesehenes zu entwickeln.«

In seinen Grading-Suiten bietet NHB den Kunden neben hochwertigen Monitoren auch eine 2K– und 4K-Projektion an, um das Material beurteilen zu können.

Die NHB-Inhaber Michael Vitzthum und Matthias Rewig waren schon nach den ersten Testläufen des neuen Remote Systems im Oktober 2012 sehr zufrieden, mittlerweile hat sich das System schon vielfach bewährt: »Diese Technik bietet unseren Kunden ganz erhebliche Vorteile«, so Michael Vitzthum. »Jetzt können sie bei NHB im Haus mit dem internationalen The-Mill-Coloristen ihrer Wahl graden. Die Agentur kann in Düsseldorf sitzen, Regisseur, DoP und Produktion in Hamburg und das Grading passiert zum Beispiel in Los Angeles. So können wir auch umfangreiche Projekte komplett aus einer Hand anbieten. Das bedeutet neben dem großen Zuwachs an Kreativität und Knowhow auch wirtschaftlicheres Arbeiten. Nahtlose Workflows sorgen für mehr Freiheit bei enger werdenden Deadlines und Budgets.«

Ein Making-Of zu den fünf Spots der Mercedes-A-Klasse-Kampagne.
Neue und bewährte Technik bei NHB

Vor dem Umstieg auf Baselight arbeitete NHB im Grading überwiegend mit Autodesk Lustre. »Wir denken aber, dass man fürs Grading ein dediziertes System benötigt«, erläutert Tim Tibor einen weiteren Grund für die Entscheidung, im Grading nun mit Baselight zu arbeiten. Er ergänzt: »In anderen Bereichen spielen Autodesk-Systeme für uns nach wie vor eine wichtige Rolle: Letztlich bearbeiten wir alle großen und anspruchsvollen Projekte im Finishing mit Flame.«

NHB arbeitet bereits seit dem Jahr 2007 überwiegend file-basiert. Was bei der Einführung noch ein großer Kraftakt war, zahlt sich heute in vielerlei Hinsicht aus, denn nur dank dieser Arbeitsweise ist es überhaupt möglich, mit drei Standorten und einer zentralen Technik zu arbeiten — letztlich sind auch Projekte wie das Remote Grading überhaupt nur dank file-basierter Arbeitsweise möglich. Intern setzt NHB im Offline-Bereich auf MXF und DNxHD und im Online-Bereich auf DPX. Als vernetzte Speichersysteme sind Avid Isis Unity, DVS-Speichersysteme und StoreNext-Systeme von Quantum im Einsatz.

Im Editing setzt NHB überwiegend auf Avid Media Composer, von dem es unternehmensweit insgesamt 12 fest installierte Systeme gibt. Natürlich habe man vereinzelt auch andere NLE-Editoren im Einsatz, dennoch setze man primär auf den Media Composer, weil man damit sehr effektiv arbeiten könne und auch Zugriff auf sehr viele professionelle Freelancer habe, die sich mit Avid-Systemen auskennen. Im VFX-Bereich sind neben Autodesk Flame (acht Systeme), auch Nuke-Systeme (20 Lizenzen) im Einsatz. Die OpenEXR-Pipeline bei NHB erlaubt es, bis zur letzten Sekunde der Produktion — etwa beim Finishing in einer der Suiten — den vollen Farbraum zu garantieren.

Auch Packshots realisiert NHB in Hamburg mit eigenem Equipment: ein Greenscreen und eine Red Epic stehen hierfür jederzeit zur Verfügung. Die Aufnahmen können unmittelbar in den weiteren Bearbeitungsstufen in Animationen oder Produktionen integriert werden.

Eine große Rolle spielt bei NHB auch traditionell der Sound, schließlich entwickelte sich NHB ja aus einer kleinen Audiofirma. Sound Design und Corporate Sound gehören ebenso zum Angebot, wie die klassische Vertonung. Am Hauptsitz gibt es in der obersten Etage vier Tonsuiten und drei Sprecherkabinen. Auch Komposition bietet NHB über die Partnerfirma Mothersmilk an.

Für die Zukunft rüstet sich NHB mit der Entwicklung von weiteren Geschäftsfeldern. »Letztlich muss man sich ständig neu definieren und neue Strömungen aufgreifen«, so Tim Tibor, »nur dann kann man langfristig im High-End bestehen.«

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