Messe, Top-Story: 13.06.2008

Digitale Cinematographie 2008: Rückblick

Bereits zum sechsten Mal fand mit der »Digitalen Cinematographie« in München eine Veranstaltung mit dem Thema digitale Filmproduktion statt – in diesem Jahr erstmals zweitägig am 29. und 30. Mai 2008. Das Konzept ging offenbar auf: mit mehr als 1.000 Besuchern verzeichnete die Veranstaltung einen neuen Besucherrekord, Aussteller wie Besucher zogen ein weit überwiegend positives Resümee.

Die Digitale Cinematographie setzt seit ihren Anfängen auf einen starken Praxisbezug, der mit vielen Screenings, aber auch mit Workshops und Vorträgen untermauert wird. Zusätzlich gibt es eine Ausstellung, an der in diesem Jahr mehr als 40 Hersteller, wie auch Händler und Vertriebe teilnahmen. Die Mischung macht aus Sicht der Veranstalter Band Pro, Ludwig Kameraverleih und MKMedia Production den Charme der Digitalen Cinematographie aus. »Wir bieten ein großes Angebot, aus dem der Besucher sich das herauspicken kann, was für ihn relevant ist — wobei unser Angebot mittlerweile so groß ist, dass man sicher nicht mehr alles mitnehmen kann«, meint Gerhard Baier von Band Pro. Für Martin Kreitl ist es die Beschäftigung mit neuen Themen und das Adaptieren neuer Technologien, die zum Markenzeichen der Digitalen Cinematographie geworden sind. »Wir haben uns schon vor fünf Jahren mit dem Thema HD auseinandergesetzt und damals mit »Gone Underground« eine erste HD-Produktion abgewickelt.« Dass sich HD in Deutschland seither nicht in dem Maß durchsetzen konnte, wie es die Technologie erlauben würde, hält nicht nur Kreitl für ausgesprochen bedauernswert. Martin Ludwig, Chef des Ludwig Kameraverleih, ergänzt jedoch, dass sich die neuen Technologien nicht zuletzt mit Veranstaltungen wie der Digitalen Cinematographie dem Markt näher bringen lassen: »Die Veranstaltung rechnet sich für uns zwar nicht als eigenes Businessmodell, aber ganz sicher hat sie positive Auswirkungen für die Ausrichter als Dienstleister«.

Sony als Sponsor

Mit Sony hatte die Digitale Cinematographie in diesem Jahr erstmals einen Hauptsponsor, der die Veranstaltung auf ganz unterschiedlichen Ebenen unterstützte. Die dadurch bedingte, erhöhte Präsenz des Unternehmens während der Veranstaltung wurde durchaus gemischt aufgenommen — von einer Sony-Dominanz zu reden, wie es vereinzelt geschah, ist aber sicher übertrieben: Insgesamt fand das Unternehmen mit seiner etwas abgesetzten Präsenz im Planetarium einen guten Weg, im angemessenen Maß präsent zu sein.

Wachsende Branchenbedeutung

Goran Hantschel, Divisional Director Professional Solutions Europe bei Sony, betonte, dass man die Veranstaltung für sehr wertvoll halte. Das drückte sich unter anderem auch darin aus, dass der Hersteller die neue Digitalfilm-Kamera F35 für die Europapremiere nach München geholt hatte. Für besonders wichtig hält es Hantschel auch, dass man Events wie die Digitale Cinematographie nutze, um Workflows zu diskutieren. Darin stimmte er mit Amnon Band überein, dem Chef der Mutterfirma von Band Pro, der aus Los Angeles angereist war. Band meint, dass Deutschland mit seinem Know-how im Filmbereich sich auf seine Stärken besinnen und HD weiter vorantreiben sollte. »Was wir in den USA in puncto HD erreicht haben, ist kein Wunder, sondern einfach das Resultat eines starken Commitments für diese Technologie«.

Martin Ludwig resümiert, dass sich die Veranstaltung für die Beteiligten lohne, was sich letztlich auch daran zeige, dass die Zahl der Aussteller jährlich wachse. Dass letztlich auch Aussteller teilnehmen, die mit den Veranstaltern und Gründervätern der Digitalen Cinematographie auf die eine oder andere Art konkurrieren, führt Ludwig als weiteres Indiz dafür an, dass die »Digitale Cinematographie für alle Beteiligten funktioniert«.

Zwei Tage mit Themenschwerpunkten

Dass man die Veranstaltung in diesem Jahr auf zwei Tage ausgeweitet hat, entsprach nach Angaben der Ausrichter dem Wunsch vieler Aussteller und Besucher. Dieser Schritt war aus Sicht der Veranstalter und auch zahlreicher Aussteller im Rückblick ebenso richtig wie lohnenswert: Das Programm konnte nochmals erweitert und die Besucherzahl gesteigert werden. Demnach kamen an den beiden Tagen insgesamt mehr als 1.000 Besucher, davon holten etwa 700 ihre Registrierung am ersten Tag ab, am zweiten Tag, der sich speziell mit mit dem Thema 3D-Stereoskopie beschäftigte, kamen weitere rund 300 Registrierungen hinzu, so das Veranstaltungsbüro.

Interessanter Aspekt: Bisher hatte die Digitale Cinematographie später im Jahr stattgefunden, stets parallel zum Filmfest München. Das war in diesem Jahr nicht möglich, weil die traditionell von der Veranstaltung genutzten Räume im Forum auf der Museumsinsel während dieser Zeit durch eine länger laufende Ausstellung belegt sind. Obwohl die Digitale Cinematographie also in diesem Jahr völlig vom Filmfest München entkoppelt war, kamen offenbar nicht weniger Besucher.

Ausstellung

Mehr Firmen als in den Vorjahren nutzen die Digitale Cinematographie, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu präsentieren. Den Besucherandrang empfanden die meisten Mehrfachaussteller im Vergleich zu den Vorjahren als besser, die Mehrheit der Erstaussteller äußerte sich ebenfalls zufrieden und teilweise überrascht vom hohen Interesse.

An Ausstellern und Besuchern konnte man auch ablesen, dass die Digitale Cinematographie sich von einem lokalen Event zum Branchentermin mit überregionaler Bedeutung gemausert hat.

Im Untergeschoss des Veranstaltungsorts hatten HFF und BAF ein Set aufgebaut, an dem Kameras verschiedener Hersteller ausprobiert werden konnten, auch auf einem 3D-Rig und mit Stereo-3D-Vorschausystem. Im Zweistunden-Rhythmus spielten Nachwuchsschauspieler in diesem Set eine kleine Spielszene und boten somit zusätzlich zu den Requisiten und den verschiedenen Beleuchtungssituationen realistische Motive, um die Kameras live auszuprobieren.

Screenings

Alle Screenings zu besuchen, hat die Redaktion von film-tv-video.de nicht geschafft. Deshalb gibt der folgende Abschnitt nur die Eindrücke aus einer Auswahl von Vorführungen wider.

Schon seit einigen Jahren haben sich bei der Digitalen Cinematographie die Screenings im ehemaligen Imax-Kino etabliert. Hier erhalten Produzenten, Regisseure, DoPs und Bearbeitungsspezialisten die Gelegenheit, einem Fachpublikum Ausschnitte ihrer aktuellen Produktionen zu zeigen. Das ist für die Besucher sicher einer der großen Pluspunkte der Veranstaltung, denn es dürfte nur wenige andere Events geben, bei denen es die Gelegenheit gibt, in dieser Form den aktuellen Stand der Technik in der Produktion sehen und dann bei den Anwendern, wie Herstellern weitere Details nachfragen und im Idealfall sogar die jeweilige Technik in der Ausstellung sehen zu können.

Auch in diesem Jahr konnten die Veranstalter wieder etliche Highlights für die Screenings gewinnen. So waren unter anderem Ausschnitte aus »Three Monkeys« (Originaltitel: »Üç Maymun«) zu sehen, dem jüngsten Spielfilm des Cannes-Preisträgers Nuri Bilge Ceylan, der seinen Kameramann Gökhan Tiryaki und den Finishing-Spezialisten Bora Gökşingöl nach München geschickt hatte (Produktionsbericht). Ceylan dreht schon seit Jahren mit Digital-Kameras, und auch beim jüngsten Film wurde mit einer der Sony HDW-F900 Kamera mit Zeiss HD-Digiprime-Objektiven gedreht und das Material in der Postproduction aufwändig mit einem Avid Nitris-System gegradet. Dem Grading ging aufwändige Tests voraus, denn der erfolgreiche türkische Regisseur Ceylan wollte für diese Produktion einen ganz intensiven Look. In der digitalen Projektion im Imax-Kino konnten die Ausschnitte überzeugen, der Look des Films hatte offenbar auch in Cannes schon bei nicht vorrangig technisch interessiertem Publikum für Gesprächsstoff gesorgt.

Der Kurzfilm »Das Buch des Alchemisten«, bei dem Sanne Kurz die Kamera geführt hat, wurde mit der Red One gedreht und anschließend auf HDCAM SR gemastert. Beim Screening wurde die farbkorrigierte, aber noch nicht vertonte Fassung gezeigt. Der im Low-Key gehaltene Schauerfilm handelt von einem Studenten, der auf ein geheimnisvolles Buch stößt und in Rückblenden etlichen Mysterien auf den Grund geht.

Ausschlaggebend für die Entscheidung, mit der Red in 4K zu drehen, war laut Sanne Kurz der Look der Red-Bilder mit der geringen Tiefenschärfe. Sie zeigt sich sehr zufrieden mit dem Low-Light-Verhalten der Red, was bei diesem Film mit vielen dunklen Bildanteilen sicherlich hilfreich war. Nur mit den Betriebsgeräuschen der Kamera konnten sich vor allem die Tonleute am Set nicht anfreunden. »Die Kamera hat so laut gesurrt, als wäre ein laufender Computer im Raum«, so die Kamerafrau. Insgesamt zeigten sich Regie, Kamera und Produktion von der Red One aber durchaus angetan.

Gerhard Baier, Geschäftsführer von Band Pro München, präsentierte neue Ausschnitte des Dokumentarfilmes »Ocean Project — Bilder aus der Arktis«, der sich sich noch in der Drehphase befindet und für den Baiers Firma Band Pro Munich Aufnahme-Equipment lieferte. Bei dieser Dokumentation wird das Leben an der nördlichen Polkappe unter und über der Wasseroberfläche gezeigt. Beeindruckend ist dabei, mit welcher Nähe in den Bildern das Drehteam die blitzschnellen, schwimmenden Protagonisten — im gezeigten Filmausschnitt waren es Robben — verfolgen konnte. Gedreht wird für den Naturfilm sowohl auf 35 mm als auch in HD mit dem HDW-F900 von Sony und Digiprime-Objektiven von Zeiss — unter anderem in einem eigenentwickelten Unterwassergehäuse. Je nach Situation kann der gezielte Einsatz von HD-Equipment wie bei diesem Dokumentarfilmprojekt klare Vorteile bringen, so Baier. »Ein Wal braucht eine gewisse Zeit der Gewöhnung, bis man sich ihm wirklich nähern kann. Beim Dreh auf 35 mm würden dann nur 10 Minuten an Material herausspringen, weil dann die Rolle wieder gewechselt werden muss. Bei HD kann ich 50 Minuten am Stück drehen«. Gemastert wird der Film auf HDCAM SR. Bis 2010 soll der Film fertiggestellt werden und sowohl in digitalen Kinos laufen, als auch auf 35 mm ausbelichtet werden.

Die FH Salzburg zeigte ein Spektrum ihrer neuesten studentischen Arbeiten mit Werbespots für Rado, Nintendo Wii, Instant 36 und dem Kurzfilm »Zugzwang«. Vor allem die Wii-Werbespots, die ein Kloster als Schauplatz haben und zeigen, wie Nonnen mit der Spielekonsole ihre Freizeit gestalten, kamen beim Publikum sehr gut an. Gedreht wurde auf HDV und DVCPROHD. Auf die Publikumsfrage, ob sie der Generation angehörten, die nur noch digital denke und drehe, antworteten die Studenten, dass HDV das Mittel der Wahl sei, wenn die Produktion schnell und kostengünstig ablaufen müsse. Als Optimum der bildgestalterischen Mittel sehen sie aber immer noch 35 mm — zumindest, was den Look betrifft.

Britta Beckers Dokumentarfilm »Die besten Frauen der Welt« zeichnet den Weg der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft von der WM-Vorbereitung bis zum Schlusspfiff in Shanghai im Jahre 2007 nach. Dabei wollte die Regisseurin kein zweites »Sommermärchen« à la Sönke Wortmann drehen, sondern auch atmosphärische und private Bilder der Spielerinnen jenseits des Spielfeldes und der Stadien im Land der aufgehenden Sonne zeigen. Die gezeigten Ausschnitte ließen auf einen stimmungsvollen Dokumentarfilm hoffen, der mittlerweile schon im SWR-Fernsehen ausgestrahlt wurde (am 5. 6. 2008). Gedreht wurde auf DV mit dem Panasonic-Camcorder AG-DVX100 zunächst im 25p-Modus, später jedoch in 50i, da Britta Becker der Shutter-Effekt vor allem in den Fußballszenen als zu störend empfand.

Auch Franz Xaver Gernstl präsentierte wieder neue Ausschnitte aus »Gernstls Deutschlandreise«. Der Filmemacher reiste zusammen mit seinem Kameramann H.P. Fischer und dem Tonmann Stefan Ravasz entlang der 3.621 Kilometer langen Landesgrenze Deutschlands und befragte die Deutschen, was diese über ihre europäischen Nachbarn zu erzählen haben, aber auch, was jene von den Deutschen halten. Gedreht wurde in HDCAM mit dem HDW-790. Mittlerweile ist laut Gernstl der Kameramann H.P. Fischer mit dem Dreh in HD auch im Bezug auf das Schärfeziehen schon so vertraut, wie er es zu SD-Zeiten auch schon von der Digi Beta gewohnt war. »Wir gehen jetzt nach Drehschluss auch wieder lieber in die Kneipe als im Hotelzimmer unser Material zu sichten«, scherzte Gernstl. Auf die Frage, wieso er überhaupt im hochauflösenden Format produziere, wo doch der BR noch gar nicht in HD sende, entgegnete er, dass er auf eine wiederholte Ausstrahlung der Reihe hoffe, wenn der BR dann mal HD-ready sei. Außerdem freue er sich jedesmal im Schneideraum beim Sichten des Materials über dessen hochauflösende Bildqualität. Am 7. 8.2008 soll um 20:15 die erste Folge der 12-teiligen Deutschlandreise im BR ausgestrahlt werden.

Interessant wurde es, als beim Screening einer Blu-ray Disc der Frage nachgegangen wurde, ob eine Blu-ray-Projektion auf einer riesigen Großleinwand wie im ehemaligen Imax-Kino noch eine akzeptable Bildqualität liefern könne. Dafür wurden Ausschnitte aus einer Opern-Aufzeichnung, gedreht auf HDCAM in 50i, Filmbeispiele aus »Asterix bei den olympischen Spielen« in 24p und der Trailer zur 3D-Animation »Urmel voll in Fahrt« von Blu-Ray Disc vorgeführt. Die mittlere Datenrate beim Blu-ray-Encoding wurde mit 25 bis 30 Mbps angegeben. Die Bildqualität war dabei auch auf der großen Leinwand überraschend gut: Außer ein paar Unschärfen bei schnelleren Bewegungen blieben die Bilder recht knackig und konnten insgesamt auch vor den geübten Auges des Fachpublikums bestehen.

Workshops Tag 1

Wie bei den Screenings war es auch bei den Workshops nicht möglich, sich einen kompletten Überblick zu verschaffen. Deshalb gibt der folgende Abschnitt nur die Eindrücke aus einer Auswahl von Workshops wider.

Im Workshop, der den Workflow des Arbeitens Red-Raw-Dateien im Zusammenspiel mit Final Cut Pro zum Thema hatte, berichtete Mathias Boyungs von der Firma Move On, über sein jüngstes Red-Projekt. Es handelt sich hierbei um ein Musikvideo für die Künstlerin Nisha Kataria, das in 2K gedreht und in 7.1 Surround abgemischt wurde.

Zusammengefasst stellte sich sein Arbeitsablauf folgendermaßen dar: Nach dem Dreh wurde die Offline-Version (1024 x 512) der Red-Raw-Dateien in FCP importiert. Diese Low-Res-Files sind jedoch keine eigenständigen Video-Dateien, sondern stellen nur eine Verknüpfung zum hochauflösenden Red-Raw-Format dar. Nach dem Schnitt wird eine Schnittliste in Form einer XML-Datei im Interchange Format V.4 aus FCP exportiert und im red-proprietären Postproduktions-Tool Red Cine für die Farbkorrektur importiert. Der Online-Schnitt wurde mit dem Tool Crimson realisiert.

Auch für Mathias Boyungs hielt der Red-Workflow bei der Produktion einige Überraschungen bereit. So musste er feststellen, dass es sich bei den aufgezeichneten Red-Raw-Dateien keineswegs um unkomprimierte Kameradaten handelt, sondern auch diese einer Kompression von etwa 30:1 unterliegen. Dies wirke sich beim Keyen in Form von unschönen Artefakten aus, so Boyungs. Leider reichte die Zeit des Workshops nicht aus, um den gesamten Red-FCP-Workflow vorzustellen. An vielen Stellen des Vortrages kamen Anmerkungen aus dem Auditorium, in dem auch etliche red-versierte Kamera-und Postproduktionsleute umfasste. Für Probleme, die Boyung während den Dreharbeiten und in der Nachbearbeitung hatte, wurden Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die mehr oder weniger naheliegend waren und deutlich machten, dass ein Erfahrungsaustausch innerhalb der »Red-Community« umso wichtiger ist, wenn wirklich etablierte Workflows noch fehlen.

Christel Jaekel von Avid stellte in ihrem Vortrag die neue DX-Architektur der Avid-Produktfamile vor. Hauptmerkmale sind die höhere Performance durch verbesserte Unterstützung von CPU und GPU, die direkte 10-Gbps-Verbindung zur Breakout-Box in Form der Unterstützung einer PCIe-Karte im Rechner und die größere Codec-Flexibilität. Material verschiedener aktueller HD-Codecs soll in Echtzeit zur Verfügung stehen und auf der Timeline beliebig kombinierbar sein.

Auch ein Echtzeit-Tool für Timecode-Burn-in bei bis zu vier Video-Streams gleichzeitig und ein Untertitel-Tool für EBU N19 oder Text-Files zählen zu den Neuerungen.

Zweiter Tag: Schwerpunkt Stereo-3D

Der zweite Tag der Digitalen Cinematographie stand unter dem Vorzeichen des stereoskopischen Kinos. Stereo-3D-Projektion und -Produktion gehören derzeit zweifelsohne zu den Hype-Themen und auf technischer Seite gilt es viele Fragen zu klären — ideal für eine Veranstaltung wie die Digitale Cinematographie.

Gerade für Kinobetreiber eröffnen sich dank 3D-Projektion neue Umsatzmöglichkeiten, denn aus der Sicht vieler Branchen-Insider braucht das traditionelle Kino neue Impulse, um auch künftig überleben zu können. Das ehemalige Imax-Kino im Forum am Deutschen Museum kann dafür durchaus als Symbol stehen. Für die Veranstaltung bot das Kino mit seiner 300 qm großen, silberbeschichteten Leinwand eine optimale Projektionsfläche für eine Werkschau aktueller Stereo-3D-Filme. Für die Projektion standen zwei 2K-Beamer von Christie zur Verfügung, die mit Polfiltern ausgerüstet waren.

Florian Maier von P+S Technik, der an der Entwicklung des 3D-Rigs für die Aufnahme von stereokospischen Bildern mit zwei Kameras beteiligt war (siehe auch Videoreport), stellte Trailer verschiedener 3D-Projekte vor, unter anderem aus der französischen Produktion »Die Helden von Nimes«. In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem darum, dass bei der Produktion von Stereo-3D bestimmte Regeln für die Gestaltung berücksichtigt werden sollten: Die Schnittfrequenz dürfe nicht zu hoch sein und abrupte Wechsel von Totalen zu Nahaufnahmen müsse man vermeiden, lautete eine Ansicht.

Auf die Frage, ob sich 2D-Produktion auch nachträglich in 3D wandeln lassen, führte Florian Maier gleich etliche Beispiele an, bei denen 2D-Material durchs Freistellen der 2D-Objekte und die Zuweisung von 3D-Tiefendaten für Kamerafahrten sowie durch weitere aufwändige Rechenoperationen in Stereo-3D gewandelt werden – etwa »Herr der Ringe«, »Star Wars« und »Dawn of the Dead«.

Produzent Jérôme Hamacher präsentierte Ausschnitte aus einer 3D-Produktion, die in HDV mit zwei Canon XL-H1-Camcordern gedreht wurde. Hamacher berichtete, dass für den Set-Up der beiden Camcorder beim Dreh immer vergleichsweise viel Zeit benötigt wurde und dass man in der Produktion generell mit einem Mehraufwand zwischen 30 und 50 Prozent für Stereo-3D gegenüber 2D rechnen müsse. Aus seiner Sicht ist beim Dreh von 3D-Produktionen eine weitere Position am Set wichtig: die des Stereographers, der den DoP berät, wie Elemente in der Kadrierung und für Kamerabewegungen angeordnet werden müssen, um den 3D Effekt zu verbessern und optimal zu gestalten.

Workshops Tag 2

Im Workshop-Part des zweiten Tages erläuterte Florian Maier im Anschluss an die Screenings nochmals die wichtigsten Regeln der 3D-Filmproduktion: Die Bilder für das linke und das rechte Auge dürfen nicht divergieren, also auseinander laufen. Der Bildunterschied zwischen linkem und rechtem Auge darf höchstens dem parallelen Augenabstand entsprechen. Weiter solle man darauf achten, keine angeschnittenen Objekte im Bild zu haben, da dies dem Gehirn signalisiere, dass sich der nicht sichtbare Bildanteil hinter der Leinwand befinde, was wiederum als störend empfunden wird und beim Betrachter Kopfschmerzen auslösen kann.

Beim Thema Objektiv hält Florian Maier den Einsatz von Festbrennweiten für sinnvoller, weil es teilweise große Unterschiede im Strahlengang von Zoom-Objektiven gebe, auch wenn es bereits sehr feine Servo-Motoren gebe.

Holger Krahn, Geschäftsführer von MikroM, und Markus Fritz, Geschäftsführer von Infitec, gaben in ihrem Vortrag unter anderem einen Überblick über verschiedene Techniken bei 3D-Brillen, darunter LCD-Shutter-Brillen, Farbfilter- und Polfilterbrillen sowie Dolby-3D-Brillen. Weiter empfahlen die Vortragenden die 3D-Produktion in 50 oder 60p, um störende Shutter-Effekte zu verhindern.

In einem weiteren Vortrag berichtete Josef Kluger, Geschäftsführer der Kuk-Filmproduktion, von der Produktion des 3D-Films »Grüne Hölle«, der das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring begleitet, die als größte Motorsportveranstaltung der Welt gilt (siehe auch Meldung aus 2007 hierzu). Hierfür wurde eigens für die Dreharbeiten ein Rennteam engagiert, das regulär am Rennen teilnahm, aber natürlich nicht auf Sieg fahren konnte. Insgesamt nahmen sieben Stereokameras das Rennen in vielen Aspekten von oben und vom Rand der Strecke aus auf. Weiter wurde mit Steadicam-Aufnahmen in der Boxengasse, Helikopterflügen über der Rennstrecke, 3D-Highspeed-Aufnahmen mit 1.000 Bildern pro Sekunde und Onboard-Kameras im Rennwagen gearbeitet.

Dass es bei der Produktion von Stereo-3D-Filmen essenziell sei, sich schon beim Storyboard Gedanken darüber zu machen, welche Einstellungen in 3D besonders gut wirken, versteht sich aus Klugers Sicht von selbst. Nur so lasse sich auch die Tiefenwirkung erzielen, die man sich bei 3D wünsche.

Für die Produktion am Nürburgring stattete die Kuk-Filmproduktion das Rennauto mit zwei 3D-Onboard-Kameras vorne und am Heck aus, weitere Mini-Cams wurden für Aufnahmen vom Fahrer während der Rennverlaufs installiert. Als Hauptkamera setzte Kuk den Camcorder HDW-750 von Sony auf Stativen mit einem 3D-Rig ein. Das Steadicam-Rig wurde mit HDC-X300-Kameras des gleichen Herstellers bestückt.

Während des Drehs prüfte ein 3D-Supervisor, ob alle 3D-Parameter an den Kameras eingehalten wurden. Schließlich kamen auf diese Weise 50 Stunden 3D-Footage zusammen, was etwa 38 Terabyte für High-Res-3D entspricht. Geschnitten wurde das Projekt mit Piranha Cinema, einer Software, die zwei unkomprimierte 3D-Streams mit Farbkorrektur gleichzeitig wiedergeben und auch wieder ausgeben könne. Mit Hilfe einer 3D-Projektion versuchte man, schon beim Schnitt eine 3D-Situation zu schaffen. Im kommenden Jahr soll der Kuk-Film in die Kinos kommen. Für Regisseur und Produzent Josef Kluger stellen stereoskopische Filme eine neue Filmsparte dar, für die erst noch eine neue Sprache gefunden werden müsse, was sich aber im Laufe der Zeit sicher entwickeln werde.

Fazit

Die Aussteller und Besucher, mit denen sich film-tv-video.de unterhielt, werteten die Digitale Cinematographie als sehr erfolgreich. Neben der Ausweitung auf zwei Tage wurde besonders auch der von Ende Juni auf Ende Mai vorgezogenen Termin positiv aufgenommen. In den Vorjahren fand die Messe immer parallel zum Filmfest München statt, wovon sich die Veranstalter eine befruchtende Wirkung erhofft hatten. In diesem Jahr stand allerdings die Location im Forum am Deutschen Museum wegen der 850-Jahr-Feier der Stadt München zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung, so dass auf Ende Mai ausgewichen werden musste. Die Terminverschiebung erwies sich im Rückblick aber als sehr erfolgreich. Und vielleicht ist die größere Nähe der Veranstaltung zur NAB, wo viele Hersteller Neuheiten präsentieren, für den Besucherzustrom generell wichtiger, als die Nähe zum Filmfest.