Report, Top-Story: 07.03.2014

Kunst in 4K: Getanzte Bilder

Ein ungewöhnliches 4K-Projekt realisierten Band Pro und MXR Productions gemeinsam in Wien: Sozusagen das »Making Of« eines ungewöhnlichen Kunstwerks, das Tanz und Malerei verbindet. Da das Ganze in 4K produziert wurde, gilt der Begriff »Making Of« hier natürlich nur im übertragenen Sinn: Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staats­balletts tanzten nach einer Choreografie des Solotänzers Eno Peci auf einer Papier­installation des Künstlers Casanova Sorolla, sie bewegten, verwischten, übertrugen und verwirbelten dabei die natürlichen Pigmente auf der Papierinstallation – und »ertanzten« so das endgültige Kunstwerk mit dem Titel »Herzblume«. Vier 4K-Kameras zeichneten die Entstehung dieses Werks auf.

Der bildende Künstler Casanova Sorolla hat die Idee zu einem Werktypus ersonnen, den er »Choreography Diagrams« nennt. Dabei gestaltet er eine große Papierinstallation, auf der er natürliche Farbpigmente ausbringt. Die so vorbereitete Fläche dient dann als Tanzfläche und wird von den Tänzerinnen und Tänzern mit einer speziell auf das jeweilige Werk abgestimmten Choreografie gestaltet. Die »Spuren des Tanzes« werden somit in Form von auf dem Papier verteilten Farbpigmenten festgehalten.

Die Kooperation von Band Pro und MXR bei diesem Projekt war in eine Veranstaltungsreihe eingebettet, mit der Band Pro in Berlin, Prag, Wien und München gastierte und die auf der Referenten- wie auf der Besucherseite Experten versammelte (siehe frühere Meldung). Ziel war es einerseits, Detailwissen zu vermitteln und den Austausch gesammelter Erfahrungen anzuregen, sowie die Teilnehmer andererseits zu neuen Ideen im Rahmen zukünftiger Projekte zu inspirieren.

In Wien realisierten Band Pro und MXR Productions innerhalb dieser Rahmenbedingungen gemeinsam das ungewöhnliche und reizvolle Projekt in Zusammenarbeit mit Casanova Sorolla und Eno Peci. »Uns ging es dabei darum, die hohe Auflösung, die 4K nun mal bietet, zu nutzen, um etwas Besonderes sichtbar zu machen«, fasst Vojtech Pokorny von Band Pro zusammen.

Casanova Sorolla präparierte zunächst in einem Atelier eine rund 60 Quadratmeter große Papierinstallation mit einer feinen Schicht natürlicher Farbpigmente. Tänzer des Wiener Staatsballetts tanzten dann nach einer Choreografie von Eno Peci auf dieser Installation und erzeugten so das Choreography Diagram »Herzblume«. Dank der Aufzeichnung mit vier hochauflösenden Kameras kann bei diesem Werk nun auch die Entstehung in bisher unerreichter Qualität und ungekanntem Detailreichtum nach­erlebt werden.

Technik-Setup: 4K Raw

Band Pro und MXR Productions setzten bei dem Dreh vier 4K-Kameras ein: eine F65 und zwei F55 (Test) von Sony, sowie eine C500 von Canon. Die Sony F65 zeichnete Raw-Daten auf SR-Memory auf, während die beiden F55 jeweils mit dem 4K-Raw-Recorder AXS-R5 kombiniert waren, der AXSM-Speicherkarten verwendet. Canons C500 zeichnete in Raw auf einen externen Odyssey-Recorder von Convergent Design auf. Bei allen Kameras wurde das Raster 4.096 x 2.160 gewählt.

Die C500 wurde beim Dreh für eine Topsicht der gesamten Installation eingesetzt und wurde zu diesem Zweck mittig an der Atelier­decke platziert. Über BNC-Kabel wurde das 4K-Raw-Signal von der Kamera zum Odyssey-Recorder 7Q übertragen, der es aufzeichnete und auf dem OLED-Monitor des Odyssey auch gleich eine gute Bildkontrolle bot. Die anderen drei Kameras wurden auf Dollys um das Geschehen herum positioniert.

Alle Kameras zeichneten während des Drehs 4K-Raw-Signale auf, wobei die Sony F65 mit ISO 800 und die F55 mit ISO 1.250 betrieben wurden.

Zur Signal- und Bildkontrolle wurde das Messgerät Leader LV 5490 eingesetzt. Über vier HD-SDI-Verbindungen wurden die Quadranten des 4K-Bilds in dieses 4K-Mess­gerät gespeist, das wiederum ein aus dem 4K-Signal down-konvertiertes HD-Bild auf einen HD-Monitor ausgab. Mit dem Messgerät war es etwa möglich, das Signal in Waveform– und Vektorskop-Darstellung zu überwachen und per Focus-Assist-Funktionalität die Schärfe für die einzelnen Quadranten, wie auch für das gesamte Bild zu kontrollieren.

Optiken

»Wir hatten alle Kameras mit den neuen Summicron-C-Optiken von Leica bestückt«, berichtet Vojtech Pokorny. Die jetzt lieferbaren Objektive der Summicron-C-Serie werden in einem Set angeboten, das aus sechs Festbrennweiten mit 18, 25, 35, 50, 75 und 100 mm besteht. Für die Testproduktion in Wien waren die Primes mit den Brennweiten 18, 50, 75 und 100 mm im Einsatz. Die Summicron-C-Objektive erzeugen einen Bildkreis mit einem Durchmesser von über 34 mm und wurden für die Aufnahme mit Auf­lösungen von 4K und mehr entwickelt. Mit diesen Eckdaten eignen sich die Objektive natürlich besonders gut für den Einsatz mit 4K-Kameras. Vojtech Pokorny sagt: »Die Leica-Summicron-Optiken sind natürlich extrem scharf. Was ich persönlich an diesen Objektiven sehr reizvoll finde, ist einerseits die Darstellung der Lichter und Lichthöfe, aber auch die Art und Weise, wie die Schärfe in den Raum hinein immer mehr abnimmt. Diese wunderschönen Unschärfen sorgen für magische Bilder.«

Um auch extreme Close-Ups realisieren zu können, setzte das Team im Zusammenspiel mit der 75-mm-Optik an der F65 auch den PLX-2-Extender von IB/E Optics ein. Er verdoppelt die Brennweite von PL-Mount-Linsen, wenngleich der Einsatz eines Dopplers natürlich prinzipbedingt auch Licht schluckt. »Die Bilder, die wir in Kombination mit dem PLX-2-Extender drehen konnten, überzeugten uns dennoch voll und ganz«, urteilt Pokorny.

Zeitlupe

Bei einem dynamischen Projekt wie der Entstehung eines »Choreography Diagrams«, bietet es sich natürlich auch an, Zeitlupe einzusetzen. »Mit bloßem Auge konnte man die herumwirbelnden Pigmente gerade so erkennen«, erinnert sich Vojtech Pokorny, »doch bei 120 fps konnten wir Bilder drehen, auf denen die Pigmente in eindrucksvoller Schärfe durch die Luft wirbeln.« Die F65 nutzte das Team durchgängig mit einer Bildrate von 120 fps und konnte dadurch auch die Bewegungen der Tänzer sehr gut in Szene setzen. Die beiden F55-Kameras zeichneten hingegen wie die C500 mit 50p auf.

Licht

Für die Beleuchtung der Szenerie setzte Band Pro vier Spacelights an der Decke als Hauptlicht ein. Ein Molton-Viereck war als Kasch um diese Deckenleuchten gespannt. Fill-Lites sorgten für zusätzliches weiches Licht von der Seite. Die ultraflachen Fill-Lites geben ein stabiles, weiches Licht ab und sind schwenkbar in einem Bügel montiert, was den flexiblen Einsatz unterstützt. Ebenfalls im Einsatz: Sumo-Lights, mit denen Akzente gesetzt wurden.

Backup

Das aufgezeichnete Material wurde direkt vor Ort auf Raid-Systeme kopiert, sodass schon unmittelbar nach dem Dreh ein Backup erstellt und das Material zusätzlich gesichert war. Obwohl ja in 4K Raw aufgezeichnet wurde, blieben die von den vier Kameras produzierten Datenmengen noch relativ überschaubar, weil der eigentliche Dreh in einem relativ engen Zeitkorsett stattfand.

Postproduktion

Band Pro und MXR Productions werden das Material unterschiedlich auswerten. Den einen Teil wird MXR Productions für die eigene Musterrolle und den Künstler Casanova Sorolla schneiden. Band Pro wiederum bereitet das Material für ein 4K-Screening während der NAB2014 auf. Randy Wedick, Technical Consultant bei Band Pro USA, generierte für Band Pro Deutschland vorab schon HD-Proxies, die Schnittmeis­ter Florian Duffe aktuell editiert. Anschließend wird die EDL wieder zu Randy Wedick in die USA geschickt und dort aus dem Originalmaterial nachgebatcht und mit DaVinci Resolve gemastert.

Fazit

Die Beteiligten sind sich einig, dass 4K nicht nur mehr Auflösung bringt, sondern ganz neue Bilder erschafft – und damit neue Möglichkeiten für die Bildgestaltung eröffnet. »Bei solchen Produktionen können wir natürlich auch davon profitieren, dass wir gemeinsam mit unserem Band-Pro-Mutterhaus in Los Angeles eine umfangreiche Knowledge-Base aufgebaut haben und Erfahrungen aus den jeweiligen Märkten austauschen können«, resümiert Vojtech Pokorny.

Der Vorab-Clip zeigt Material der Produktion. Den echten Kick bietet natürlich erst der fertig gemasterte, volle Clip, dessen 4K-Premiere während der NAB2014 stattfinden soll. Aber die hier eingebundene Online-Version vermittelt immerhin einen ersten Eindruck.
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