Backstage, Making-of: 01.08.2023

Hoyte van Hoytema drehte »Oppenheimer« mit 65-mm-Film

Der DoP berichtet über die Dreharbeiten und einige technische Besonderheiten von »Oppenheimer«.



Drehorte

Ein interessanter Aspekt von »Oppenheimer« liegt auch in der Wahl der Drehorte. Dank der Liebe zum Detail und dem Bemühen um historische Authentizität entsprechen die meisten Schauplätze des Films den tatsächlichen Orten in Oppenheimers Leben — und geben einen Einblick in seine außergewöhnlichen Erfahrungen und die Ereignisse, die ihn geprägt haben. Die Authentizität der Drehorte des Films ermöglichte es den Darstellern und der Crew auch, in die Atmosphären einzutauchen, die Oppenheimer persönlich erlebt hat.

Oppenheimer, BTS, © Melinda Sue Gordon, Universal Pictures, Universal Studios
An einem der zahlreichen Drehorte von »Oppenheimer«: Ein kleiner Teil des Teams, darunter Christopher Nolan und an der Imax-Kamera Hoyte van Hoytema.

»Oppenheimer« wurde an verschiedenen Orten in den USA und in Europa gedreht, darunter in Princeton, New York City, Los Angeles, Zürich, Cambridge und in der Wüstenlandschaft von New Mexico, wo Production Designer Ruth De Jong unter anderem eine Stadt im Stil der 1940er Jahre und das Gelände der Trinity-Tests und der Detonation plante und errichten ließ. Zu den Drehorten in New Mexico gehörte auch das Originalhaus in Los Alamos, in dem Oppenheimer und seine Familie während der Arbeit am Manhattan-Projekt wohnten.

Weitere Drehorte waren der Campus der University of California in Berkeley, wo Oppenheimer von 1929 bis 1943 Professor war, die UCLA und das Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey, wo Oppenheimer nach dem Zweiten Weltkrieg ankam und schließlich Direktor wurde.

Große Themen im großen Format

»Großformatige Aufnahmen sorgen für Klarheit und versetzen den Zuschauer in die Realität, die man für ihn schafft«, sagt Hoyte van Hoytema. »Da der Film großartige Aussichten bietet und die Explosion der ersten Atombombe der Welt thematisiert, musste es natürlich ein Knaller sein, und es gibt nichts Besseres als Imax, um dieses spektakuläre Kinoerlebnis zu schaffen.«

»’Oppenheimer‘ ist aber auch ein menschliches Drama, und meine größte technische Herausforderung bei den Dreharbeiten im Großformat bestand darin, die unzähligen Nahaufnahmen so zu gestalten, dass die Gesichter interessant und ansprechend bleiben und das Endergebnis intim und psychologisch stark wirkt.«

Objektive
Oppenheimer, Still, © Melinda Sue Gordon, Universal Pictures, Universal Studios
Still aus »Oppenheimer«: »Im Laufe der Jahre haben wir herausgefunden, dass  der ‚Sweet Spot‘ für Imax bei den Brennweiten zwischen 50 mm und 80 mm liegt.«

»Im Laufe der Jahre haben wir herausgefunden, dass  der ‚Sweet Spot‘ für Imax bei den Brennweiten zwischen 50 mm und 80 mm liegt. Verlässt man diesen Bereich, beeinträchtigt das bei Nahaufnahmen die immersive Qualität des Bildes. Bei einer zu langen Brennweite wirkt das Bild komprimiert und ‚grafischer‘, als würde man auf eine Art Flachbildschirm schauen. Ein zu weites Bild ähnelt dann eher einem Fischaugeneffekt, bei dem die Bildränder zu stark abfallen. Das 50-mm-Objektiv ist also sozusagen unser Weitwinkelobjektiv geworden, das 80-mm-Objektiv unser näheres Objektiv. Bei Nahaufnahmen sorgen sie für die richtige Nähe und Weite, und alles um sie herum beginnt so zu wirken, wie das periphere Sehen des menschlichen Auges funktioniert.«

»Aber bei den Nahaufnahmen wollten wir auch nicht, dass es wirkt, als sei die Kamera zwei Meter von der Person entfernt. Wir wollten viel näher dran sein, damit man die Perspektive und die Intimität wirklich spürt. Außerdem wusste ich, dass wir in Situationen mit wenig Licht filmen würden und wir eher T1,4 als T4 brauchten.«

Dazu passende Objektive sind nicht ohne Weiteres von der Stange erhältlich, und so wandte sich van Hoytema an Panavisions Objektiv-Guru Dan Sasaki, der eine Reihe verschiedener Optiken — darunter Hasselblad-, Panavision-Sphero-65- und Panavision-System-65-Objektive — lieferte, die während der Produktion dann an den Kameras Imax MKIV, Imax MSM 9802 und Panavision Panaflex System 65 Studio zum Einsatz kamen.

»Dan ist ein erstaunlicher Objektivkünstler, ein Magier, der für mich die eigentlich unmöglichen Anforderungen erfüllte. Er optimierte bestehende Objektive, er entwickelte und baute andere von Grund auf neu auf«, sagt van Hoytema. »Er hat sogar ein spezielles, wasserdichtes Schnorchelobjektiv für die Imax-Kameras gebaut, das es vorher nicht gab, damit wir extreme Makroaufnahmen der Miniaturen und interessante Blicke für einige der bildstarken Wissenschaftspassagen im Film ermöglichten.«

Oppenheimer, BTS, © Melinda Sue Gordon, Universal Pictures, Universal Studios
Christopher Nolan am Set.
Filmmaterial

Van Hoytema drehte »Oppenheimer« auf 65-mm-Großformat-Negativfilm von Kodak. Dabei setze er bei Außenaufnahmen und Innenaufnahmen bei hellem Tageslicht auf den Kodak Vision3 250D Farbnegativfilm 5207, und für Schwachlicht- und Nachtszenen verwendete er den Vision3 500T Farbnegativfilm 5219. Um eine klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen Handlungssträngen zu unterstützen, drehte er außerdem mit Eastman Double-X Schwarzweiß-Negativfilm 5222, der von Kodak speziell für diese Produktion für die Verwendung in 65-mm-Filmkameras des Imax- und Panavision-Systems konfektioniert wurde. Die Filmentwicklung fand bei Fotokem in Los Angeles statt.

Die Herstellung des Double-X-S/W-Films im 65-mm-Format durch Kodak im Jahr 2022 speziell für »Oppenheimer« war eine Premiere für Kodak, da dieses Filmmaterial noch nie zuvor im Imax-Workflow getestet worden war. Der Herstellungsprozess von Kodak erforderte außerordentlichen Einfallsreichtum, umfangreiche Tests und eine sorgfältige Zusammenarbeit mit den Filmemachern, Imax, Panavision und FotoKem. Die Ergebnisse der Schwarzweiß-Aufnahmen wirken auf der Leinwand spektakulär.


Firmenvideo von Kodak: Behind-the-Scenes-Clip über »Oppenheimer«.

»Obwohl ich viele Werbespots mit Digitalkameras drehe, bin ich immer noch der Meinung, dass Film viel fesselnder ist und dem menschlichen Seherlebnis viel näher kommt«, erläutert Hoyte van Hoytema. »Der 250D und der 500T sind Arbeitstiere, von denen ich wusste, dass sie so ziemlich alle Lichtsituationen abdecken könnten, denen ich begegnen würde. Obwohl die größere Oberfläche der Emulsion bedeutet, dass das Korn feiner ist — besonders in Imax — haben sie für mich immer noch ausreichend Textur. Es gibt einfach nichts, was die Auflösung, die Tiefe, die Farben und die Stimmigkeit eines analogen Bildes übertreffen würde — und auch nicht das Gefühl, das Film insgesamt vermitteln kann. Wenn man sich eine analoge Kopie anschaut, vor allem in einem Imax-Kino, ist die Wirkung ‚freaking inspiring‘.«

Um die komplizierte Struktur des Drehbuchs im Film umzusetzen, drängten Christopher Nolan und Hoyte van Hoytema darauf, Teile in Schwarzweiß zu drehen, um die Zuschauer darin zu unterstützen, eine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen Ereignissen und Blickwinkeln zu treffen und zu identifizieren.

Oppenheimer, Still, © Melinda Sue Gordon, Universal Pictures, Universal Studios
Still aus »Oppenheimer«.

»Das war eine gewagte Entscheidung. Einer meiner ersten Anrufe ging an Kodak, um zu erfragen, ob sie 65-mm-Großformat-Schwarzweiß-Filmmaterial hätten«, erinnert sich der DoP. »Aber das hatten sie noch nie hergestellt — und anfangs war es ungewiss, ob sie es rechtzeitig für diese Produktion schaffen konnten. Aber sie machten sich an die Arbeit und lieferten einen frisch hergestellten Prototypen des 65-mm-Filmmaterials Double-X 5222 — konfektioniert in Dosen mit handgeschriebenen Etiketten.

»Da dieses Filmmaterial jedoch allen unbekannt und noch nie in Imax- oder System-65-Kameras gelaufen war und die Neukonfiguration einer 65-mm-Filmentwicklungsmaschine im Labor erforderte, war eine intensive Zusammenarbeit mit Kodak, Imax, Panavision und Fotokem erforderlich, um den Einsatz des Double-X 5222 zu einem umsetzbaren Projekt zu machen. Es war ein ziemlich komplexer technischer Prozess, der Dinge wie die Dicke des Trägermaterials für die Filmemulsion und die Herstellung neuer Gates und Druckplatten in den Kameras umfasste, um Kratzer zu vermeiden.«

»Aber wow, das war es wert! Als Chris und ich die ersten projizierten Tests sahen — Porträts von Cillian Murphy und Robert Downey Jr. —, waren wir überwältigt, freuten uns wie kleine Kinder und hatten ein breites Grinsen in unseren Gesichtern. So etwas hatten wir noch nie gesehen — etwas ganz Besonderes, etwas sehr Schönes.«

»Natürlich hätte ich mehrere Methoden anwenden können, um ein Schwarzweißbild zu erstellen, aber man hätte nie das gleiche Gefühl bekommen wie bei der Verwendung von echtem analogen Schwarzweißfilm. Außerdem erinnerte mich das Fotografieren in Schwarzweiß an meine Studienzeit an der Polnischen Nationalen Film-, Fernseh- und Theaterschule in Łódź, wo das Verständnis für Graustufen, die Verwendung von Spot- und Auflichtmessern und die persönliche Beurteilung entscheidend war für das endgültige Bild.«

Seite 1: Einleitung, Über den Film, Vorbereitung
Seite 2: Drehorte, Objektive, BTS-Video, Filmmaterial
Seite 3: Großes Kamera-Setup, Bilanz


Offizieller Trailer von »Oppenheimer«.