Kamera, Test, Top-Story: 05.06.2008

PMW-EX3: Erster Blick auf ein Vorseriengerät

Sony präsentiert mit dem EX3 den zweiten Camcorder der bandlosen XDCAM-EX-Baureihe. film-tv-video.de konnte einen ersten Blick auf ein Vorseriengerät des neuen »Semi-Shoulder«-Camcorders mit Wechselobjektiv werfen.

»Sieht aus wie der H1 von Canon.« Das konnte man schon mehr als einmal über den neuen PMW-EX3 von Sony hören — und gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Geräten sind tatsächlich vorhanden, Sony hat sich bei der Entwicklung des EX3 ganz offensichtlich etliche Anregungen bei Canons H1 geholt. Aber es gibt sehr viel mehr Unterschiede zwischen dem H1 und dem EX3, als Gemeinsamkeiten. Sehr viel größer sind die Ähnlichkeiten des EX3 dagegen erwartungsgemäß mit dem PMW-EX1 (Einzeltest, Vergleichstest HVX200/EX1) vom gleichen Hersteller.

Ist der EX3 also so etwas wie der EX1 mit Wechselobjektiv? Das kommt der Wahrheit schon recht nahe, aber tatsächlich hat Sony noch etliche weitere, sinnvolle Neuerungen beim EX3 umgesetzt.

Erstmals während der NAB2008 hatte Sony mit dem EX3 den nächsten Camcorder der XDCAM EX-Reihe vorgestellt (Videoreport). Wichtigste äußerliche Unterschiede zum EX1: Der EX3 ist mit einem Wechselobjektivsystem ausgestattet und als »Semi-Shoulder«-Camcorder ausgeführt. Man kann ihn zwar nicht von oben auf die Schulter auflegen, aber zumindest vorne an der Schulter abstützen.

Nun konnte film-tv-video.de in der Redaktion einen ersten Blick auf ein Vorseriengerät werfen.

Sensor und Signalverarbeitung

Das Innenleben des EX3 gleicht weitestgehend dem des EX1, des ersten XDCAM-EX-Camcorders: So kommen drei der gleichen 1/2-Zoll-CMOS-Sensoren aus Sonys Exmor-Familie zum Einsatz, die eine Auflösung von 1.920 x 1.080 Bildpunkten bieten und natürlich auch die gleiche Funktionalität mitbringen wie beim EX1. So kann der Sensor Signale in den Formaten 1080p, 720p und 1080i generieren. Der Camcorder kann für Progressive und Interlace-Aufnahmen genutzt werden, wobei Bildraten von 59.94i, 50i , 59.94p, 50p, 29.97p, 25p und natives 23.98p zur Verfügung stehen. 59.94p und 50p stehen dabei im 720p-Modus zur Verfügung (also mit 1.280 x 720 Bildpunkten). Im 23.98p-Modus mit 1.440 x 1.080 Bildpunkten werden die Bilder wie 59.94i-Signale mit 3:2-Pull-Down.

Die Sensoren und die nachfolgende Signalverarbeitung erlauben auch das Drehen mit höheren und niedrigeren als der normalen Bildrate: Zeitraffer und Zeitlupe werden damit möglich. Sony nennt diese Funktion »Slow & Quick Motion«. Außerdem stehen wählbare Gamma-Kurven, Slow-Shutter und Picture Profiles für die Bildgestaltung zur Verfügung.

Objektiv

Der vielleicht wichtigste und augenfälligste Unterschied am EX3-Body im Vergleich zum EX1 ist der Wechselobjektivanschluss: Das mitgelieferte Fujinon-Objektiv lässt sich abnehmen. Beim Objektivanschluss handelt es sich um ein neues, bisher unbekanntes System mit relativ großem Durchmesser. Das mitgelieferte 14fach-Objektiv hat die gleichen Werte wie das Linsensystem des EX1 und entspricht diesem auch vom inneren Aufbau. Es weist eine minimale Brennweite von 5,8 mm auf und ist in der Funktionalität — bis auf die Abnehmbarkeit — identisch mit dem Objektiv des EX1: Blende, Fokus und Brennweite lassen sich über die Objektivringe mechanisch verkoppelt manuell bedienen, was gut gelungen ist und eine Hauptforderung professioneller Anwender erfüllt. Die Ringe laufen weich, es gibt Endanschläge, beim Fokus kann man die Entfernungsskala ablesen – so, wie man’s von Profi-Objektiven her kennt.

Wer nicht mit dem mitgelieferten Objektiv drehen möchte, dem eröffnet der von Sony beigelegte Adapter ACM-18 weitere Möglichkeiten: Alle gängigen Halbzoll-Objektive, wie sie etwa Canon und Fujinon bauen, können damit am EX3 verwendet werden. Außer dem mitgelieferten Objektiv gibt es bislang kein weiteres Linsensystem, das sich direkt, ohne Adapter am EX3 nutzen ließe. Sony plant aber nach eigenen Angaben, später ein weitwinkligeres Zoomobjektiv anzubieten. Weiter stellte Fujinon schon während der NAB2008 den 2/3-Zoll-Adapter ACM-21 vor, der auch den Anschluss von professionellen 2/3-Zoll-Objektiven am EX3-Camcorder erlaubt.

Sucher

Der Sucher ist beim EX3 gegenüber dem EX1 nach vorne verschoben, er ähnelt dem des Canon-Camcorders XL H1, ist also als Kombisucher ausgelegt. Die Lupe des Suchers lässt sich hochklappen. Die Auflösung des LCD-Suchers mit einer Diagonale von rund 9 cm beträgt laut Hersteller 1.920 x 480 Pixel, er bietet also eine vergleichsweise hohe Auflösung und wirkte sogar einen Tick schärfer und kontrastreicher als die Schirme der meisten konkurrierenden Camcorder. Positiv: Das feiner und direkt regelbaren Peaking. Dank des Peaking-Reglers direkt am Sucher und weiterer Pegler für Helligkeit und Kontrast entspricht die Funktionalität und Bedienung auch in puncto Sucher eher der von professionellen, größeren Schultercamcordern.

Die Sucherlupe kann beim EX3 hochgeklappt und auch schnell und einfach abgenommen werden. Dann bildet der Rest des Suchergehäuses eine ganz praktische Sonnenblende um den LCD-Schirm: ein gelungenes Designdetail.

Zusätzliche I/Os

Schon der EX1 überzeugte mit einer Fülle von Funktionen, es fehlten ihm allerdings die Timecode– und Genlock-I/Os, die Sony dem EX3 nun spendiert hat. Das macht den Camcorder besonders interessant für Multi-Kamera-Produktionen, aber auch für HD-Studio-Einsätze. Hierbei wird dann auch die Fernsteuerbuchse an der Geräterückseite wichtig, über die sich der Camcorder zwar nicht wie eine echte Studiokamera steuern lässt, aber doch in vielen Funktionen Remote-Fähigkeit mitbringt. Mit den Fernbedienungen RM-B150/B750 lassen sich etwa die Basiseinstellungen der Kamera wie Verstärkung (Gain), Blende, Weißabgleich und Gamma über den 8-poligen Camera-Remote-Anschluss am EX3 einstellen.

Weiter bietet der EX3 auch einen HD-SDI-Ausgang, wie ihn auch schon der EX1 hatte.

Für die Buchsen an der Geräterückseite hat Sony Abdeckkappen aus Gummi vorgesehen, die den Anforderungen im Praxiseinsatz aber wahrscheinlich nicht lange standhalten werden.

Auf der rechten Seite des Camcorders befinden sich noch weitere Buchsen: Hier ist ein BNC-Monitorausgang angebracht, eine Y/C-Videobuchse und der Stromanschluss. Unter einer weiteren Abdeckkappe verbergen sich die I/Os für analoge Komponentensignale, Audio (Cinch) und USB.

Neue Tasten und Bauelemente

Sony hat es nicht dabei belassen, den EX3 mit einigen zusätzlichen Anschlüssen auszurüsten. Statt dessen hat der Hersteller auch die Anordnung diverser Tasten im Vergleich zum EX1 optimiert und angepasst.

So gibt es jetzt beispielsweise ein Rändelrad, mit dem sich die Frameraten bei bei Slow und Quick Motion direkt per Drehregler anstatt wie beim EX1 nur übers Menü einstellen lassen. Weiter hat Sony einige Tasten, die beim EX1 auf der Rückseite des Camcorders platziert waren, nun an die Seite wandern lassen, wo sie — besonders im Schulterbetrieb — besser zugänglich sind.

Die Audio-Bedienpartie befindet sich nun komplett seitlich links am Heck und nicht wie beim EX1 an der Rückseite des Camcorders. Außerdem hat Sony den Pegelstellern eine Abdeckung spendiert, sie lassen sich also nicht mehr so leicht versehentlich während der Aufnahme verdrehen. Auch die Menü-Taste ist nun seitlich angebracht, was es deutlich vereinfacht, die Taste — wenn’s sein muss auch »blind« — während des Filmens zu bedienen. Auch die Picture-Profile-Taste ist beim EX3 günstiger platziert.

Ebenfalls neu: Slot Select. Damit lässt sich einstellen, auf welche der beiden Speicherkarten aufgezeichnet werden soll. Das ist eine sehr nützliche Funktion und sicher ein Punkt aus der Wunschliste von EX1-Kunden. Die Abdeckung der SxS-Slots ist anders gestaltet als beim EX1 machte aber zumindest beim Vorserienmodell keinen besonders stabilen Eindruck. Immerhin lässt sich die Klappe auch dann schließen, wenn über den SxS-Slot der Diskrecorder PHU-60K per Kabel angeschlossen ist.

Besonderheiten, Bauform

Ein klassischer Schultercamcorder ist der PMW-EX3 von Sony nicht: Man kann ihn nicht von oben auf die Schulter auflegen, aber zumindest vorne an der Schulter abstützen. Am hinteren Ende des Camorders gibt es eine ausziehbare Schulterstütze. Die wirkt allerdings im Vergleich zur restlichen Bauweise des Camcorders ziemlich wackelig und ein bisschen minderwertig, auch fühlt sie sich recht hart an, wenn man sie an der Schulter ansetzt. Hier eröffnet sich ein Feld für Bastler und für Zubehörhersteller, um bessere Lösungen zu entwickeln: »Pimp my EX3«.

Die Akkuposition ist beim EX3 gegenüber dem EX1 verändert: Beim EX3 sitzt der Akku hochkant an der Geräterückseite, etwas seitlich aus der Mitte gerückt.

Für den Anschluss des neuen Festplatten-Recorders PHU-60K oder anderes Zubehör, hat Sony ebenfalls weitere Möglichkeiten geschaffen: Es gibt im hinteren Bereich des Griffs einen zweiten Aufsteckschuh. Der Sony-Diskrecorder kann zudem per SxS-Adapterkarte an den Camcorder angeschlossen werden und es gibt auch einen Schlitz für die Kabelführung.

Preis, Verfügbarkeit

Sony will den PMW-EX3 ab Juli 2008 zu einem Netto-Listenpreis unter 8.000 Euro (in den USA unter 12.000 Dollar) ausliefern. Genauere Angaben macht der Hersteller allerdings noch nicht.

Vorläufiges Fazit

Ist der EX3 der professionellere EX1? Das lässt sich klar mit »ja« beantworten. Viele Detailverbesserungen erlauben bei prinzipiell gleichem Innenleben und dadurch bei gleicher Bildqualität, deutlich besseres, flexibleres Handling. Der EX1 hat ein Ausklapp-Display und einen getrennten Sucher, das ist aber der einzige Punkt, an dem der EX1 mehr bietet als der EX3: In allen anderen Disziplinen schlägt der 3er den 1er, besonders was Handling, Funktionalität und Flexibilität betrifft.

Einen umfassenderen, tiefer gehenden Test des PMW-EX3 plant film-tv-video.de für den Zeitpunkt, ab dem Seriengeräte verfügbar werden.

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