Top-Story: 07.09.2001

Ein- und Aussichten

»The future of filmmaking« – so nennt Kodak eine Veranstaltungsreihe, die Film und HD-Video im Direktvergleich zeigt und die schon in mehreren europäischen Städten zu Gast war. In München machte Kodak im Arri-Kino Station – und hinterließ gemischte Ein- und Aussichten.

24P ist in der Produktionswelt derzeit eines der Topthemen für Symposien, Seminare und Workshops. Kein Wunder also, dass auch und gerade Kodak im Sommer mit einer eigenen Veranstaltung zum Thema »The future of filmmaking« auf den Plan trat, um die Sicht des Film-Spezialisten zu genau diesem Thema darzulegen. Eine ganz normale Reaktion für ein Unternehmen, das vom Verkauf von Filmmaterial lebt.

Mit Thomson Multimedia, Barco und Arri konnte Kodak für seine Veranstaltung Partner gewinnen, die das Programm abrundeten, einigen Aufwand auf sich nahmen und etliches Equipment aufbauten: So installierte Thomson seinen »Virtual-DataCine« Specter, Arri stellte den Arrilaser-Filmrecorder zur Verfügung und Barco baute für die Projektion der Bilder einen DLP-HD-Projektor mit D-Cinestar-Kopf zur Verfügung. Ziel des ganzen Technikparks: Am praktischen Beispiel sollten jenseits theoretischer Abhandlungen ganz anschaulich unterschiedlichste Bearbeitungstechniken erläutert und unterschiedliche Bildbeispiele gezeigt werden. Insgesamt ein interessanter Ansatz, der auch zahlreiche Besucher anzog. Unbestrittener Höhepunkt des Programms war aber der direkte Vergleich von 24P-HD-Video und 35-mm-Film.

Dass es Hans Hennecke, Leiter Produktionsservice bei Kodak, in seiner theoretischen Einführung mit dem Thema »Aufnahmen mit Film oder Digital Video: Wählen Sie gut informiert« nicht versäumte, die Vorteile des Mediums Film hervorzuheben, hat sicher niemanden verwundert: Das ist sein Job. Und schließlich gibt es auch bei neutraler Betrachtung etliche Punkte, die eindeutig für die Filmaufzeichnung sprechen: die höhere Auflösung, das daraus resultierende, größere Potenzial in der digitalen Nachbearbeitung und auch die momentan völlig unerreichten Möglichkeiten von Film als universellem Master. Gut nachvollziehbar war auch, dass Hennecke auf die derzeitigen Mängel der 24P-Aufzeichnung hinwies, etwa auf die Kompression beim HDCAM-Format, den geringeren Belichtungsumfang und die mangelnden Slowmotion-Fähigkeiten beim 24P-Dreh. Dennoch hätte Hans Henneckes Einführung zweifellos gewonnen, wenn er etwas distanzierter und weniger missionarisch vorgetragen hätte, schließlich sollten ja Fakten präsentiert werden.

Es folgte die Präsentation der Vergleichs-Produktion »Die Augenfalle« , die der DoP Thomas Repp konzipiert und realisiert hatte. Thomas Repp drehte den Kurzfilm »Die Augenfalle« einmal auf Video mit dem Sony-24P-Camcorder HDW-F900 und ein zweites Mal mit einer Arriflex 435 auf 35-mm-Filmmaterial (250 ASA Negativfilm). Und so nahmen die Bilder ihren Weg von der Kamera auf die Leinwand:
Dreh auf 35 mm (Negativ), Kopierung auf 35-mm-Positiv, konventionelle Filmprojektion.
Dreh in 24P (HDCAM), Belichtung auf 35-mm-Intermediate mit dem Arrilaser, Kopierung auf 35-mm-Positiv, konventionelle Filmprojektion.

»Die Augenfalle« enthält einige Mischlichtszenen, Außenaufnahmen eines Flugplatzes mit Sportfliegern und etliche weitere Szenen in einem parkähnlichen Umfeld. Zu sehen waren beide Filme hintereinander, wobei Thomas Repp während der Projektion kommentierte und zuvor die Beweg- und Hintergründe seines Tests erläuterte: Als Kameramann sei ihm daran gelegen gewesen, das neue 24P-Format im Hinblick auf die kreativen Anforderungen eines Kameramannes zu testen und nicht nur die technischen Parameter der beiden Systeme zu vergleichen. Aus diesem Grund habe er Szenen gewählt, in denen Punkte getestet würden, die ihm besonders wichtig seien. So etwa die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Schärfentiefen arbeiten und diese als kreatives Stilmittel einsetzen zu können oder Bilder zu drehen, die selbst in feinsten Details noch Zeichnung enthielten und dem Betrachter einen Eindruck der Beschaffenheit einzelner Gegenstände vermittelten. Als weiteres wichtiges Testkriterium bei seiner Produktion nannte Repp auch den Belichtungsspielraum, den die Kameras in extremen Situationen bieten.

Beim Thema Schärfentiefe kritisierte Thomas Repp den geringen Spielraum, den Sonys 24P-Kamera im Vergleich zur Filmkamera bietet. Aus seiner Sicht besonders bei räumlich beengten Szenen ein Manko, in denen es eben nicht möglich ist, die Kamera weiter entfernt aufzubauen und die geringere Schärfentiefe im Tele-Bereich auszunutzen.
Weiter war Thomas Repp ganz generell mit dem Handling der 24P-Kamera unzufrieden. Speziell das Einstellen des Auflagemaßes kritisierte Repp, auch die Menü-Einstellungen beurteilte der Kameramann als nicht benutzerfreundlich.

Diese Beispiele zeigten indes ein ganz generelles Problem bei Repps Testproduktion: Viele Mängel, die der BVK-Kameramann benannte, kann man zwar der HDW-F900 ankreiden, sie aber generell auf die 24P-HD-Technologie zu übertragen, ist so, als wollte man bestimmte Probleme eines Filmkameramodells dem 35-mm-Film vorwerfen. Einige der Defizite, die Repp während seiner Drehzeit im Jahr 2000 am Camcorder ausmachte, sind sogar schon gelöst: Mittlerweile gibt es zahlreiche neue Objektive für den HD-Camcorder, zusätzliches Cine-Zubehör ist verfügbar und auch die Bedienung ist dank einiger Änderungen und einer nun verfügbaren Fernbedienung nun deutlich komfortabler. Alles Punkte, die Repps ohnehin sehr persönliches, emotionales Resümee überholt haben.

Auch in anderen Bereichen gab es durchaus geteilte Auffassungen: Kompressions-Artefakte, die der Kameramann bei manchen Motiven im 24P-Material ausgemacht hatte, blieben vielen der anwesenden Besucher ebenso verborgen, wie die feinen Details im 35-mm-Material, die Repp noch gesehen und angesprochen hatte. Es ist zweifellos wichtig, im Bereich der kreativen Bildgestaltung über Looks und typische Filmeigenschaften zu diskutieren. Es gibt zweifellos auch sichtbare Unterschiede zwischen 24P-HD-Video und 35-mm-Film. Aber eine etwas differenzierte Betrachtungsweise und weniger apodiktische Schlussfolgerungen als Repp sie zog, wären dem Thema sicher besser angemessen.

Wie etliche Redebeiträge des Publikums zeigten, sehen viele Anwender die Frage »Film oder 24P?« ohnehin pragmatischer und weniger emotionsgeladen als die Vortragenden dieser Veranstaltung. So herrschte zwar weitgehend Einigkeit darin, dass für qualitativ hochwertige Produktionen die Aufzeichnung auf 35-mm-Film nach wie vor das Maß der Dinge sei. Doch schon beim Vergleich von Super-16 mit HD waren etliche Anwesende der Meinung, dass HD in manchen Fällen eine echte Alternative zum 16-mm-Film sein könnte. »Sie sollten auch nicht vergessen, dass in Deutschland die Filmproduktion fürs Fernsehen einen weitaus größeren Anteil hat, als die fürs Kino« ,ergänzte einer der Anwesenden, »und da dürfte HD-Videomaterial in vielen Fällen allemal ausreichen«.

Die digitale Projektion des HD-Bildes, die ebenfalls stattfand, wurde insgesamt recht positiv aufgenommen. Das Band wurde dabei mit einem HDCAM-Player abgespielt, die Bilder warf der Barco-Projektor auf die Leinwand. Viele Zuschauer waren ganz offensichtlich doch überrascht, was jetzt mit der HD-Videoprojektion möglich ist. Ein Zuschauer und Mitarbeiter von Das Werk brachte es auf den Punkt: »Ich habe bei diesem Bild überhaupt keinen Schmutz gesehen, nichts, gar nichts. Keine Schrammen, keine Fussel, und das finde ich schon beeindruckend. Das haben Sie in Ihrem Vortrag gar nicht erwähnt.« Schade eigentlich.

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T_0901_KodakSeminar.pdf