Kommentar, Top-Story: 16.04.2002

Got to be HD

Schönere, schärfere Bilder zu haben, mit 24P dazu noch ein universellesMasterformat, aus dem sich alle existierenden Zeilenzahlen und Bildraten optimal generieren lassen, das sind zwei gewichtige Gründe für den Trend zu HD. Weitere lassen sich problemlos finden. Was aber oft dezent verschwiegen wird, ist ein wirtschaftlicher Zwang auf der Herstellerseite, der über kurz oder lang ebenfalls ganz klar in Richtung HD führen wird.

Eins scheint sicher: Geht man von der aktuellen Entwicklung im Computerbereich aus, dann kann in vier bis fünf Jahren jeder etwas leistungsfähigere PC ohne spezielle Zusatz-Hardware unkomprimiertes SD-Video in Echtzeit verarbeiten, zumindest mit all den Funktionen, mit denen sich 99 % aller Videoproduktionen realisieren lassen. Das würde vielen Anbietern von spezialisierter Hard- und Software die Existenzberechtigung entziehen. Deshalb gilt schon jetzt: Jede aktuell für den Profi-Einsatz entwickelte Zusatz-Hardware muss HD-fähig sein, sonst gibt es innerhalb relativ kurzer Zeit keinen profitablen Markt mehr dafür. Man muss sich nicht weit aus dem Fenster lehnen, um zu prognostizieren: Nur mit HD-fähigen Produkten lässt sich im Broadcast-Bereich in Zukunft noch Geld verdienen, zumindest in den PC-lastigen Bereichen des Marktes, also in der kompletten Postproduction.

Aber das ist doch das Problem der Hersteller, weshalb sollte das die Kunden interessieren, also die vielen Produktionen und Programmanbieter? Wer sich diese Frage ernsthaft stellt, der sollte sich nur kurz überlegen, mit wem er lieber reden will, wenn es um die Lösung seiner technischen Probleme und um die Erfüllung seiner Anforderungen geht: Mit Spezialisten, die das gemeinsame Metier kennen und für die man ein wichtiger Kunde ist, oder mit kurzfristig planenden Computergiganten, für die der Medienprofi nur eine kleine Rand-Zielgruppe repräsentiert? Wer sich bei dieser Frage klar für die Spezialisten entscheidet, sollte nicht vergessen, dass er die Spezialisten am Leben erhalten muss, mit denen er auch morgen und übermorgen noch ins Geschäft kommen möchte.

So viel zur Zukunft, aber wie sieht die Gegenwart aus? Viele der großen und auch etliche kleinere Firmen haben Geräte und Zubehör für den Aufnahme- und Studiobereich entwickelt, mit deren Einsatz die Migration von SD zu HD vereinfacht und der harte Schnitt zwischen diesen Auflösungswelten zumindest abgestuft und abgemildert wird. Das viel realistischere Szenario einer längeren, sanften Übergangsphase mit Koexistenz verschiedener Auflösungen innerhalb einer Infrastruktur wird damit zumindest greifbarer – und das könnte einigen Schub für HD als Produktionsformat bringen.

Steht er nun also an, der nächste Schritt auf dem Weg zu HD? Zumindest wird das Experiment HD zunehmend Realität, wenn auch noch in kleinen Schritten. Aber vielleicht gelingt es den Herstellern, HD mit diesen kleinen Schritten einer breiteren Anwenderschicht schmackhaft zu machen. Ein Anfang ist schon gemacht: Sony hat nach eigenen Angaben schon jetzt weltweit mehr HDCAM- als IMX- Equipment verkauft. Ob das unbedingt so beabsichtigt war, steht auf einem anderen Blatt, aber es zeigt, dass es zunehmend ein ernsthaftes Interesse an der Produktion in HD gibt. Sogar mehr, als mancher erwartet hätte. Sie werden sehen.

Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller
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