Top-Story: 26.10.2005

Die Zukunft von HDV

Nobuaki Baba ist Sonys Chefentwickler für HDV. Im Rahmen eines Pressegesprächs während der IBC2005 gab der Experte Auskunft zum Status Quo von HDV und erläuterte die weiteren Pläne des Unternehmens in diesem Bereich. (PDF-Download am Textende.)

Bis zur NAB2005 hatte Sony weltweit 37.000 HDV-Geräte verkauft — und schuf damit schon kurz nach dem Verkaufsstart von HDV eindrucksvolle Fakten. In den folgenden Monaten konnte Sony diesen Erfolg ausbauen und HDV für Profis gleichermaßen wie für Consumer interessant machen: In Europa gingen demnach zwischen Februar und September 2005 rund 9.000 HDV-Geräte von Sony über den Ladentisch. Das soll jedoch erst der Anfang sein: Nobuaki Baba, HDV-Chefentwickler bei Sony, prognostiziert für die kommenden Jahre einen boomenden HDV-Markt mit vielen weiteren interessanten HDV-Produkten und glaubt, dass HDV das Schlüsselformat bei der Einführung von HD in Europa werden wird.
Hier sieht man sich bei Sony in einer guten Position, reklamiert das Unternehmen doch einen aktuellen Marktanteil von 42 % beim weltweiten Verkauf von Consumer-Camcordern für sich. Schon jetzt fungieren aus Babas Sicht die aktuell verfügbaren HDV-Camcorder als Door-Opener für HD, und das werde sich künftig noch verstärken.
Mike Hayakawa, European Product Manager von Sony, teilt diese Auffassung und führt an, dass Sonys professioneller HDV-Camcorder Z1 in der überwiegenden Mehrzahl als Ersatz für den erfolgreichen DVCAM-Camcorder DSR-PD170 eingesetzt werde. In dieser Funktion werde der Camcorder ganz automatisch dafür sorgen, dass sich die Besitzer mit HD beschäftigten, so Hayakawa.
Nobuaki Baba führt noch einen anderen Aspekt an: Schon bei der Entwicklung des HDV-Formats habe man berücksichtigt, dass der Umstieg von DV auf HDV einfach sein müsse – und sich deshalb dazu entschieden, auch bei HDV auf ein Band aufzuzeichnen. Nun zahle sich diese Philosophie aus, weil sie dem Consumer wie auch dem Profi einen sehr einfachen Übergang von SD zu HD ermögliche. Dass HDV auch bei den Consumern sehr gut ankomme, werde dafür sorgen, dass die Nachfrage nach hoch aufgelöstem Content steige, denn wer in HDV drehe, fordere diese Qualität auch von den Sendern.
Mike Hayakawa merkt an, dass zudem mit weiteren Geräten die HDV-Produktpalette immer interessanter werde, was die Akzeptanz des Formats weiter verstärke. So seien mittlerweile auch zahlreiche Nachbearbeitungssysteme verfügbar, die HDV-Material direkt und nativ verarbeiten könnten. Das, so Hayakawa, war noch während der NAB2005 nicht der Fall, und nun habe sich innerhalb weniger Monate die Situation schon sehr zugunsten von HDV verändert. Auch im Profi-Bereich macht Hayakawa Fortschritte für das HDV-Format aus: Oftmals werde etwa der HDV-Camcorder Z1 als Zweitkamera bei HDCAM-Produktionen eingesetzt und habe das Format daher auch in diesem Segment gut etabliert. Für Hayakawa ist das ein weiterer Indikator für den Erfolg des Formats.

High Definition: Das Sony-Produkt-Line-Up
HDV ist ein interessantes und vor allem wichtiges Format auf dem Weg in eine HD-Welt — darin sind sich die Sony-Mitarbeiter Nobuaki Baba und Mike Hayakawa einig. Dennoch dürfe man in HDV auch nicht die eierlegende Wollmilchsau sehen, die für jeden Anspruch geeignet sei. Vielmehr glaubt man bei Sony, dass es unterschiedliche HD-Formate für unterschiedliche HD-Produktionen braucht: »One size does not fit all«, wiederholt Hayakawa plakativ einen der Slogans, die Sony-Mitarbeiter in diesem Zusammenhang gern einstreuen. Deshalb positioniere Sony HDV ganz klar als HD-Einstiegsformat, das zu Preisen von bis zu 5.000 Euro HD-Qualität ermögliche.
Bessere Qualität und mehr Funktionalität erhalte man mit dem XDCAM-HD-Format, das zur IBC2005 offiziell mit ersten Geräten vorgestellt wurde. XDCAM-HD-Produkte sollen ab 2006 zu Preisen um 20.000 Euro verfügbar sein und dafür Funktionen bieten, die in der HDV-Produktwelt nicht zu finden sind und dort aus Sony-Sicht auch nicht hingehören: Wechselobjektive und Schultercamcorder etwa sieht man bei Sony als klares XDCAM-HD-Thema.
Die nächste HD-Stufe im Sony-Line-Up ist HDCAM: Das Format biete in puncto Preis und Qualität nochmals bessere Qualität und sei vor allem für den anspruchsvollen Produktionsmarkt geeignet, so Hayakawa. Am oberen Ende will Sony HDCAM SR als Format für die High-End-Produktion verstanden wissen. Generell glaubt Hayakawa, dass die vier HD-Formate, die Sony derzeit anbietet, die ganze Bandbreite der HD-Produktion abdecken und sich in puncto Preis und Funktionalität gut ergänzen.

Offene Fragen
Auch wenn HDV für ein so junges Format schon sehr erfolgreich ist, so gibt es doch noch etliche offene Fragen. Das ist etwa der Konflikt zwischen 720P und 1080i, der sich auch in diesem Einsteigerformat manifestiert. So hat sich Sony bislang auf 1080i festgelegt und sieht derzeit auch keinen Grund, davon abzuweichen, während sich JVC für 720p entschieden hat. 720p, da sind sich die Sony-Entwickler einig, sei bei HDV aber in puncto Bildqualität lediglich eine Kompromisslösung, die nicht ausreize, was dieses Format zu leisten imstande sei.
Zum Thema 1080p, also einer HD-Variante, die mit 1080 Zeilen und progressiver Bildfolge arbeitet, merken die Sony-Experten lediglich an, dass sich HD und damit auch HDV ständig weiter entwickle und auch Sony auf lange Sicht 1080p-Aufzeichnung anstrebe, dies aber der aktuelle HDV-Standard nicht hergebe. Generell sieht man bei Sony besonders im Consumer-Bereich 1080p als eine große technische Herausforderung und daher als nicht in der nahen Zukunft machbar.
Wie bei allen Bandformaten gibt es auch bei HDV-Bändern Dropouts, sie können sich aber wegen der speziellen Aufzeichnungstechnik des Formats stärker auf das Bild auswirken als bei DV. Bei Sony-HDV-Camcordern friert das Bild ein, wenn nicht genügend Daten vom Band gelesen werden können. Darauf angesprochen, betonen die Entwickler jedoch, dass die Fehlerkorrektur bei HDV wesentlich besser sei als etwa bei DV, und daher Bildstörungen in Folge von Dropouts eigentlich wesentlich seltener vorkommen sollten als bei DV. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass man mit dem Digital Master Tape arbeite und nicht ein minderwertiges Band fürs Aufzeichnen verwende. Dann, so die Entwickler, ließen sich auch Dropout-Probleme auf ein Minimum reduzieren.
Eine andere Möglichkeit, typische Bandprobleme zu umgehen, besteht heutzutage darin, ganz auf Band zu verzichten, statt auf Tape auf ein anderes Medium aufzuzeichnen, etwa auf Festspeicher. Darauf angesprochen, bestätigen die Sony-HDV-Entwickler, dass dies tatsächlich eine interessante Entwicklungsrichtung sei, wollen aber nicht bestätigen, ob Sony so ein Gerät entwickelt. Mike Hayakawa merkt hierzu an, dass Band nach wie vor deutlich günstiger sei als jedes Festspeichermedium, und so lange das so bleibe, werden Bandformate aus seiner Sicht noch eine lange Lebensdauer haben.
Wie steht es um weitere HDV-Camcorder mit professionellem Anstrich? Etwa im Design von Camcordern, wie man sie aus der DVCAM-Palette kennt: Vollformater mit Wechselobjektiv, professionellen Bild- und umfangreichen Audiofunktionen? Hier zeigen sich die Sony-Entwickler noch zurückhaltender als sonst: Derzeit plane man solche Geräte nicht. Dass Sony sich hier zugeknöpft zeigt, ist einerseits nachvollziehbar, denn natürlich möchte das Unternehmen sein XDCAM-HD-Geschäft schützen. Ob sich diese Produktpolitik jedoch so durchsetzen lässt, wird wohl auch davon abhängen, wie erfolgreich JVC und Canon mit ihren (semi-)professionellen HDV-Camcordern sein werden.
Eine andere wichtige Frage zu HDV und XDCAM HD: Wie steht es um die Möglichkeit, Files von Geräten der beiden Formate auszutauschen? Hier merken die Entwickler an, dass zwar beide Formate auf MPEG-2 basierten, ein direkter File-Austauch jedoch nicht möglich sei. Es sei lediglich geplant, die XDCAM-HD-Decks mit einem iLink-Eingang auszurüsten, der HDV-Transport-Streams akzeptiert, so dass man darüber eine Brücke zwischen den Formaten herstellen könne.
Dass HDV und XDCAM sehr eng beieinander liegen, zeigt sich noch an anderer Stelle. Beide Formate basieren auf MPEG-2, während jedoch bei 1.080i-HDV standardmäßig mit 25 Mbps aufgezeichnet wird, bietet XDCAM HD Datenraten von 18, 25 und 35 Mbps. Wird also das mit 18 Mbps aufgezeichnete XDCAM-HD-Bild schlechter aussehen, als das mit 25 Mbps aufgezeichnete HDV-Signal? Darauf angesprochen verweisen die Entwickler darauf, dass ja noch kein XDCAM-HD-Camcorder aus der Serienfertigung verfügbar sei, und dass letztlich die Camcorder auch mit unterschiedlich großen Chips ausgerüstet seien. Zu einem abschließenden Urteil mochten sich die Sony-Leute hierzu jedoch nicht durchringen.
Welche Richtung gehen die HDV-Entwickler in puncto Format? Für Chefentwickler Nobuaki Baba ist klar, dass MPEG-2 bei HDV derzeit das Format der Wahl ist. MPEG-4 sei sehr interessant, werfe aber für das Editing derzeit noch viele Probleme auf, weshalb sich MPEG-4 zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht für den Einsatz bei Camcordern eigne. Für die Zukunft könne sich das natürlich ändern.
Auch bei der Frage nach dem Zeitpunkt, an dem CMOS-Chips auf breiter Basis CCD-Chips ablösen werden, wollen sich die Entwickler nicht festlegen. Nobuaki Baba differenziert hier und sagt, dass CMOS-Chips sehr gut für kleine und kompakte HD-Camcorder geeignet seien, glaubt aber, dass man in anderen Bereichen noch länger auf CCDs setzen werde.

Weitere Infos
Die ausführlichere PDF-Version dieses Artikels (5 Din-A4-Seiten, 400 kB) mit Zusatzinfos zum HDV-Format können sie laden, wenn Sie auf die Dateibezeichnung am Artikelende klicken.

Downloads zum Artikel:

T_1005_Sony_Baba.pdf

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Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller
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