Branche, Top-Story: 09.05.2008

InsightOut: Die Tücken des Objekts der Begierde

Das digitale Zeitalter stellt neue Aufgaben, die Zeit der Einheitsprozesse ist passé: Alle an der Produktionskette Beteiligten müssen die sich ständig wandelnde Technik nicht nur im Blick, sondern auch im Griff behalten. Bei der digitalen Produktion ist der Workflow in der Postproduktion abhängig von der verwendeten Kameratechnik — und umgekehrt wirken Postproduktion und Verwertungspläne stärker auf die Akquisition zurück als früher. Workshops wie InsightOut wollen das nötige Wissen vermitteln.

Mit ihrem jährlichen sechstägigen Profi-Workshop InsightOut will die Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen das Knowhow der Teilnehmer auf dem aktuellen Stand halten. Erstmals wurde die Veranstaltung in diesem Jahr weiter geöffnet — über den Kreis der 70 ausgesuchten Trainees wurde die Fachöffentlichkeit an zwei Tagen zur Ausstellung unter dem Titel HD Expo eingeladen. Unter Mitwirkung von 20 Firmen wurden mögliche Workflows von der Akquisition bis hin zur Leinwand demonstriert.

Beide Veranstaltungsteile waren mit dem Slogan »Just do it in HD« überschrieben. Der Versuch, das InsightOut-Credo eines hohen Praxisbezuges in Richtung Messe zu verlängern, hatte freilich mit den »Tücken des Objekts« zu kämpfen. So reichte die Kürze der für den Aufbau zur Verfügung stehenden Zeit nicht aus, eine durchgehende Abstimmung aller Technik-Komponenten zu realisieren. Darunter litt schon im Studio 2 der HFF die Vergleichbarkeit dessen, was die dort aufgestellten acht Kameras verschiedener Leistungs- und Preisklassen auf die Sichtungs-Displays brachten.

Die Entscheidung für das DPX-Datenformat in der Postproduktion war leicht gefallen. Allein von der Kamera dorthin musste einiger Aufwand getrieben werden. Drei der verwendeten Kamerasysteme legen ihre Daten auf Speichersticks ab. Die Red One war zum Zeitpunkt der Veranstaltung auf CF-Speicherkarten beschränkt, in Sonys bandlosem Camcorder PWM-EX1 (Test, Vergleichstest) kamen SxS-Medien zum Einsatz und Panasonics AJ-HPX3000 zeichnet auf P2-Karten auf.

Um dieses Material im Ingest verarbeiten zu können wurden Apple-Notebooks des Typs MacBook Pro eingesetzt. Die Bilddaten weiterer Kameras wie Sony F23, Silicon Imaging SI-2K (NAB08-Videoreport) und Arri D-20 wurden direkt mit einem Diskrecorder von Codex aufgezeichnet (NAB08-Videoreport), während für die am HD-SDI-Output abgezweigten Videosignale des HDV-Camcorders Canon XL-H1 (Test) ein Megacine-Recorder (Vertrieb: DVC) verwendet wurde. Der Canon-Camcorder bescherte den Organisatoren wegen der Wandlung von 50i auf 25p eine Zusatzaufgabe.

Gegenstücke der Speichermaschinen waren in ein im Foyer der HFF aufgebautes Produktionsnetzwerk eingebunden. Dank Glasfaser-Verkabelung konnte hier in Echtzeit in einen RAID-Server von Bright Systems überspielt werden, auf dem die Daten in den Formate DPX, Quicktime HD und Raw lagerten. Da die Red-Cine-Software nur mit Verspätung zum Laufen gebracht werden konnte, wurden die Red-Daten mit der Software Scratch von Assimilate (NAB08-Videoreport) vom nativen 4K-Raw-Format in 2K-DPX konvertiert.

Der Schnitt mit Final Cut Pro von Apple oder dem Media Composer von Avid brachte keine Probleme. Tücken zeigten sich hingegen teilweise beim Import der Daten in ein Pablo von Quantel. Die Organisatoren machten Versionsprobleme der Firmware und der Transfer-Tools als Ursache aus, in deren Folge einige DPX-Files nicht geladen werden konnten.

Nicht unbedingt als problematisch, aber auch nicht als optimal, erwies sich der im Studio vorhandene Bluescreen, ein Greenscreen hat eben in der Praxis meist Vorteile, wenn man mit digitalen Kameras arbeitet: Nicht nur bei der Red One, der SI-2K und der D-20, deren Sensoren mit Bayer-Patterns arbeiten (zwei grüne, je ein blauer und roter Sensibilitätspunkt pro Pixel), ist die Signalverarbeitung im grünen Kanal exakter und besser als im blauen.

Cinepostproduktion Geyer Berlin betreute die über Nacht durchgeführte Ausspielung einiger Sequenzen mittels Dolby Content Encoding ins DCI-Format zur Vorführung mit dem 2K-Projektor der HFF und parallel auf 35-mm-Film.

Konversionen und Kaskadierungen sind in der Postproduktion bisweilen kaum zu vermeiden. Wird dabei beispielsweise von 8-Bit-4:2:2 auf 10-Bit-4:4:4 hochkonvertiert, so sind erfahrungsgemäß im Normalfall keine Probleme zu erwarten. Werden aber logarithmische 4:4:4-Raw-Daten in das 4:2:2-DPX-Format linear down-konvertiert, treten bisweilen unerwünschte Veränderungen im Farbraum auf.

Komprimiert oder Raw? MPEG-2 Long-GoP oder MPEG-4? Festplatte oder Flashmedium? 4:4:4 oder 4:2:2? 8-, 10- oder 12-Bit-Quantisierung? InsightOut und die HD Expo haben einmal mehr vor Augen geführt, dass der Workflow einer Produktion schon frühzeitig so konzipiert werden muss, dass Datenwandlungen möglichst vermieden werden. An den Schnittstellen der Bearbeitungsstufen muss beachtet werden, dass die verwendeten Tools auf dem neuesten Stand sind und möglichst verlustfrei arbeiten. Dafür setzt die Entscheidung über das Aufnahmesystem grundlegende Marken. Das hat Konsequenzen nicht nur für die ästhetischen Konzepte einer Produktion. Am falschen Ende — etwa dem ersten Glied der Kette, also der Kamera — gespart, kann erhebliche Kostensteigerungen in der Postproduktion zur Folge haben.

So demonstrierte Mark Dauth von MagnaMana beim InsightOut-Seminar eine mit einer Red One und der von Red angebotenen Zoomoptik gedrehte Stadtansicht: flaue Bilder und ein enormer Korrekturaufwand waren nötig um die gewünschte Qualität zu erreichen. Mit einer besseren HD-Optik, etwa von Fujinon, wie sie Videor Technical für die HD Expo zur Verfügung stellte, wäre etlicher Aufwand in der Nachbearbeitung vermeidbar gewesen.

In seiner Demonstration im Seminarteil hatte Siegfried Fößel, Fraunhofer IIS, gezeigt, dass auch das Raw-Datenformat uneinheitlich ist und sich sogar dann von Kamera zu Kamera unterscheiden kann, wenn diese auf der gleichen Entwicklung fußen (z. B. bei den mit Fraunhofer-Sensoren bestückten Kameras D-20 und MicroHDTV).

Die bei InsightOut vor Augen geführte Vielfalt der Systeme, von den Kameras bis zu den Datenformaten, erfordert Kompetenz – weit über den Umgang mit Kamera-Settings hinaus. Die Beratung mit Bezug schon auf die Machbarkeit sollte — so der Standpunkt des VFX-Beraters Manfred Büttner — bereits mit der Analyse des Drehbuchs einsetzen.

Neuerdings neigen einige Produzenten dazu, selbst kostengünstige Kameras zu kaufen, um die Miete zu sparen. So reizt die Red One mit einem Listenpreis von 17.500 US-Dollar dazu, sich das 4K-Gerät selbst ins Haus zu stellen. Aus Sicht von Steffen Scheid vom Berliner Equipment-Verleiher Camelot, einem der Organisatoren der HD Expo, resultiert daraus auch ein Kompetenz-Wettbewerb für die Produktions-Workflows: Nur wer in der Lage ist, für das jeweilige Vorhaben ein sinnvolles Equipment-Set-Up zusammen zu stellen, kann die Weichen für optimale Ergebnisse stellen. Besonders Kameras und Optiken müssen hierfür aus seiner Sicht kontrolliert, eingemessen und optimal auf einander abgestimmt werden. Neben qualifiziertem Personal halten gute Rental-Häuser dafür auch geeignete elektronische und optische Messtechnik vor — die bei den meisten Endanwendern fehlt.

Der Paradigmenwechsel hin zu hochauflösenden digitalen Systemen, die datenzentrisch arbeiten, bringt also nicht nur technische Konsequenzen mit sich, sondern unterzieht letztlich den Markt in vielerlei Hinsicht einem tiefgreifenden Wandel.