Recording, Test, Top-Story: 21.07.2011

Test: Atomos Ninja — günstiger HDMI-Recorder mit Touchscreen

Ninja von Atomos ist ein kompakter Digitalrecorder, der per Touchscreen bedient wird. Ein Prototyp des kleinen schwarzen Kästchens war schon auf der IBC 2010 zu sehen. Bis zum fertigen Gerät gab es dann noch einige Veränderungen und in der endgültigen Hardware-Form ist der Ninja seit Anfang 2011 lieferbar— zumindest theoretisch. Bis film-tv -video.de ein Testgerät bekommen konnte, dauerte es dann doch noch bis zur Jahresmitte — aber nun war ein Test möglich.

Entgegen erster Ankündigungen besitzt der Ninja nun ausschließlich einen HDMI-Eingang und keine SDI-Schnittstellen. Mit SDI-Schnittstellen wird Atomos ein etwas größeres Gerät namens Samurai bestücken, das zur NAB2011 gezeigt wurde und das erst Ende 2011 verfügbar sein soll (NAB-News).

Neben dem günstigeren Nettopreis von rund 800 Euro unterscheidet sich der Ninja von der aktuellen Konkurrenz — etwa Convergent Designs NanoFlash und Ajas Ki Pro Mini — zum einen durch den Touchscreen und zum anderen dadurch, dass das Signal auf handelsüblichen Laptop-Festplatten aufgezeichnet wird.

Vorstellung des Ninja-Recorders bei der NAB2011.

Im Test wurde der Recorder mit dem derzeit bei Filmern sehr populären Fotoapparat Lumix GH2 von Panasonic (Test) kombiniert. Dieses Panasonic-Gerät gibt laut Hersteller ein 4:2:2-Signal am HDMI-Ausgang aus: Das ist eine höhere Bildqualität, als der Fotoapparat selbst aufzeichnen kann, insofern ergibt es durchaus Sinn, den Ninja in Kombination mit dem GH2 zu nutzen. Dabei schöpft der Fotoapparat das Potenzial des Ninja allerdings nicht ganz aus: Er gibt nämlich nur 8-Bit-Sgnale ab, während Ninja auch 10-Bit-Signale verarbeiten könnte. Die Obergrenze der Signalqualität gibt Atomos mit bis zu 200 Mbps an, in Form von ProRes-Dateien mit einer Quantisierung von 10 Bit.

Basisinformationen

Weil Ninja lediglich über einen HDMI-Eingang verfügt, ist der Einsatz momentan auf DSLRs und Camcorder wie den Panasonic AG-AF101 (Test) oder Sony NEX-FS100 beschränkt (Infos), wenn man nicht einen zusätzlichen, separaten Wandler nutzen will. Letzteres ist aber aus Kosten- und Handling-Gründen im Grunde nicht zu empfehlen, es sei denn man nutzt ohnehin ein größeres Setup, eventuell mit einem Zusatz-Monitor. Ob die Kombination des Ninja mit der jeweils vorhandenen DSLR sinnvoll ist, hängt von der Kamera ab: So kann etwa die Canon 5D Mark II kein vollwertiges HD-Signal via HDMI ausgeben.

Da der Ninja keine zweite Video-Schnittstelle besitzt, kann das Signal nicht an andere Geräte, wie etwa einen externen Monitor durchgeschleift werden. Ansonsten bietet der Ninja zwei Lanc-Schnittstellen, einen Kopfhörerausgang und einen 3,5-Stereo-Klinkeneingang für externe Tonquellen.

Die zur Aufzeichnung nötige Festplatte wird nicht mitgeliefert, sondern es müssen separat eine oder mehrere Platten beschafft werden. Um die richtige Festplatte auszuwählen, findet sich auf der Website von Atomos eine Liste vom Hersteller getesteter Platten: Es können verschiedene gängige Laptop-Festplatten genutzt werden.

Die Festplatten müssen zunächst jeweils in die mitgelieferten Caddys eingebaut und dann in den Recorder geschoben werden. Der Einbau in die Caddys erfolgt mit den üblichen Festplatten-Schrauben. Zwei Caddys werden mitgeliefert, weitere können im 5er-Pack für rund 30 Euro erworben werden.

Auf der Rückseite des Ninja lassen sich bis zu zwei Akkus mit Sony-NP-F-Anschluss befestigen. Neben zwei solchen Akkus liefert der Hersteller auch das zugehörige Doppelladegerät mit. Der Lieferumfang ist also ungewöhnlich umfangreich, denn bis auf einen Mount für den Blitzschuh und eben die Festpaltte, liegt alles für den Aufnahmebetrieb notwendige Zubehör bei.

Weiter beinhaltet der gepolsterte Hartschalenkoffer des Ninja eine Basisstation für die Festplatten mit USB-3- und Firewire-800-Schnittstelle, sowie die zugehörigen Kabel. Normale Festplatten sind mittlerweile so günstig, dass die Festplatten-Caddys aus dem Atomos auch als Master ins Archiv wandern können. Die Festplatten müssen im Datensystem FAT32 formatiert sein. Laut Atomos verwendet Ninja eine optimierte Aufzeichnungsmethode, mit der die Festplatte strikt nach Sektoren geordnet beschreibt, so dass die Schreib/Lese-Performance der Festplatte optimal genutzt werden kann.

Bei den Testaufnahmen mit einer handelsüblichen Hitachi-Festplatte kam es tatsächlich zu keinerlei Ausfällen oder verlorenen Frames. Selbst bei Aufnahmen aus der Hand oder aus einem fahrenden Auto, verschluckte sich das Aufzeichnungssystem nicht: Laut Atomos sorgt eine eigenentwickelte Anti-Shock-Technologie dafür, dass die Aufnahme bei starken Erschütterungen kurz ausgesetzt und sobald wie möglich wieder fortgesetzt wird. Ein Warnsymbol im Display zeigt es an, wenn die Aufnahme erschütterungsbedingt angehalten wurde. Für Aufnahmebedingungen, unter denen mit größeren Erschütterungen gerechnet werden muss, beispielsweise von einem Motorrad oder Helikopter aus, empfiehlt Atomos ein SSD-Speichermedium, wie es auch für Laptops als Plattenalternative angeboten wird.

Viele gängige Formate bis 1080i50 beherrscht Ninja in der aktuellen Version, allerdings sind 1080p25 und 1080p50 momentan noch nicht möglich. 1080p25p soll aber mit einem kommenden Update verfügbar werden, über ein 1080p50-Update gibt es keine Informationen.

Bedienung

Das Gehäuse des Ninja macht einen stabilen und wertigen Eindruck, ist dabei aber sehr kompakt und leicht. Die Festplatte und die Akkus rasten fest ein und können nur nach Betätigung eines Druckknopf wieder gelöst werden. Das bringt Betriebssicherheit und schützt vor unabsichtlicher Aufnahmeunterbrechung. Allerdings ist die Mechanik etwas schwergängig und gerade beim Batteriewechsel im laufenden Betrieb — der wegen der Doppelakku-Ausstattung möglich ist — sollte der Ninja nicht direkt am Camcorder angebracht sein: Sonst kommt es zu Wacklern im Bild, weil einiges an Kraftaufwand erforderlich ist, um die Druckknöpfe zu betätigen.

Einziges Schaltelement am Gehäuse des Ninja ist der Ein- und Ausschalter. Die Bedienung aller anderen Funktionen erfolgt über den Touchscreen, der gleichzeitig als Monitor mit einer Auflösung von 480 x 270 Bildpunkten dient.

Wegen der relativ geringen Auflösung ist das Monitorbild des Ninja allerdings bestenfalls ein Hilfsmonitor, um den Bildausschnitt im Blick zu halten: Für das Beurteilen von Belichtung oder Schärfe ist er nicht zu gebrauchen. Zur niedrigen Auflösung gesellt sich nämlich auch noch ein geringer Kontrastumfang und das Display spiegelt sehr stark: In etwas helleren Tageslichtumgebungen ist der Schirm für die Bildbeurteilung fast komplett unbrauchbar. Außerdem bietet Ninja keinerlei Assistenten wie Pixel-to-Pixel Mapping oder Peaking. Als vollwertigen Field-Monitor kann man den Ninja also nicht betrachten.

Die Recorder-Bedienung über den Touchscreen ist aber gut organisiert und man findet sich auch ohne Anleitung schnell zurecht. So wird beispielsweise zwischen den verschiedenen Codec-Varianten einfach per Antippen der Codec-Anzeige gewechselt.

Alle wichtigen Informationen wie Timecode, Aufnahmeformat, verbleibende Aufnahmezeit und Audio-Eingang werden angezeigt. Der Ninja vergibt seinen eigenen Timecode, er kann keinen externen Timecode übernehmen.

Nimmt man im laufenden Betrieb den Akku ab, der gerade aktiv ist, wird automatisch und unterbrechungsfrei auf den anderen gewechselt. Etwas nervig ist, dass der Ninja mit dem Starten der Aufnahme nicht automatisch in den Monitormodus wechseln kann, sondern jedes Mal manuell umgestellt werden muss.

Das größte Manko des Recorder-Betriebs sind momentan noch die Wiedergabemöglichkeiten der aufgenommenen Clips im Ninja. Zwar sind die Aufnahmen nach Szene, Shot und Take unterteilt und in dieser Struktur auch auf der Festplatte gespeichert, doch kann der Ninja keine Thumbnails anzeigen, mit denen sich Aufnahmen direkt am Gerät rasch identifizieren ließen. Von Atomos gibt es auch noch keine gesicherte Zusage, ob ein solches Feature kommen soll. Außerdem ist die Wiedergabe auf dem Gerät nur mit reduzierter Bildqualität möglich — laut Hersteller mit halber Auflösung — das Bild wird dabei aber insgesamt so ruckelig und pixelig dargestellt, dass die Wiedergabe im Gerät momentan eigentlich nicht als ernsthaftes Feature gewertet werden kann. Die Wiedergabe in einer besseren Auflösung soll aber laut Atomos mit einem der nächsten Firmware-Updates möglich werden.

Einen Befehl zum Löschen einzelner Aufnahmen gibt es ebenfalls nicht. Nur die ganze Festplatte kann direkt im Ninja formatiert werden.

Der Audiopegel des analogen Eingangs wird über einen Einstellbalken auf dem Touchscreen eingestellt, dabei muss man aber ohne konkrete Referenzwerte auskommen. So wird das Pegeln zur Gefühlssache, aber mit etwas Experimentieren kann der Audiopegel am Ninja dann doch so eingestellt werden, dass das Gerät sowohl einen Mic-, wie einen Line-Pegel über die Stereoklinkenbuchse akzeptiert und aufnimmt. Die Lautstärke-Anzeige wird während der Aufnahme aber winzig dargestellt, sie gibt gerade mal einen groben Hinweis darauf, ob der Ton übersteuert. Mithören ist also Pflicht, der man dank Kopfhörer-Ausgang aber nachkommen kann.

Zusätzlich besitzt der Ninja zwei Lanc-Schnittstellen (In und Out) wobei der Eingang des Testgeräts aber auf eine Standard Sony-Lanc Fernbedienung nicht reagierte. Über die Lanc-Schnittstellen soll es möglich sein, mehrere Ninjas gleichzeitig anzusteuern, wenn einer als Slave- und der andere als Master-Einheit verwendet wird.

Aufnahmen

Die größte Praxiseinschränkung des Ninja liegt in der HDMI-Schnittstelle: Die ist eben einfach nicht für mobile Field-Einsätze konzipiert und lässt sich nicht arretieren. So kann es leicht passieren, dass man am Kabel wackelt und dadurch die Verbindung stört oder kurzzeitig unterbricht. Geschieht das bei laufender Aufnahme, wird die Aufzeichnung sofort gestoppt. Außerdem kann das Kabel auch sehr leicht unabsichtlich komplett abgezogen werden. So gilt es, hierfür Vorkehrungen mit Klett- oder Kebeband zu treffen.

Apples ProRes verspricht schon allein durch das Farbsampling von 4:2:2 und die hohe Datenrate eine höhere Qualität. In der Praxis war allerdings der Unterschied bei der Kombination des Ninja mit dem GH2 nicht riesig. Das 8-Bit-Schmalspur-Signal des Fotopapparats trug hierzu ganz sicher seinen Teil bei. Und so war im Vergleich zwischen AVCHD-Direktaufzeichnung des GH2 und den ProRes-Aufnahmen des Ninja kein himmelweiter Unterschied auszumachen: Nur bei schnellen Bewegungen, sehr hohen Bildkontrasten und feinsten Details gab es sichtbare Unterschiede.

Bei ruhigen Sequenzen und gut ausgeleuchteten Interviewsituationen vom Stativ brachte der Einsatz des Ninja in der Kombination mit dem GH2 fast keine sichtbaren Vorteile: Selbst beim Vergleich von ProRes HQ auf der Ninja-Seite mit AVCHD im 17-Mbps-Modus beim GH2 war unter diesen Bedingungen kein großer Unterschied auszumachen. Anders sieht es aus, wenn man etwa Handkameraaufnahmen im Wald macht, starke Unschärfen mit leichter Bewegung kombiniert oder im schwachen Wind schaukelnde Blätter vor einer Lichtquelle aufnimmt: Dann zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Qualität, vor allem durch die stärkeren Blockartefakte der Kompression von AVCHD — aber man muss es fast schon provozieren und darauf anlegen, diese Unterschiede herauszuarbeiten.

Bessere Bildqualität bietet also die Kombination aus GH2 und externer Aufzeichnung schon, als die interne AVCHD-Aufnahme sie zu erreichen vermag — aber Welten liegen in der Praxis nicht dazwischen. Bei der Kombination des Ninja mit anderen Camcordern und Fotoapparaten könnte der Unterschied zwischen interner und externer Aufzeichnung allerdings größer ausfallen, besonders wenn diese 10-Bit-Signale ausgeben.

Zudem bleibt bei der Ninja-Aufzeichnung stets der Vorteil bestehen, dass die Aufnahmen direkt von fast allen gängigen Schnittsystemen verarbeitet werden können. Dieser Vorteil wird aber in der Zukunft mit zunehmender Rechnerleistung und voraussichtlich auch im Zusammenspiel mit zukünftigen Versionen der Schnitt-Softwares dahinschmelzen. Bleibt noch ein weiterer Aspekt: Dank des mitgelieferten Gehäuses für die Festplatten-Caddys kann man die mit dem Ninja bespielten Speichermedien direkt über Firewire mit dem Rechner verbinden und sogar direkt von der Platte mit den Originalaufnahmen schneiden — wenn einem das nicht zu riskant ist.

Fazit

Der Ninja von Atomos macht einen guten ersten Eindruck und verrichtet im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten verlässliche Dienste. Das Aufzeichnen auf Festplatte ist stabil genug für die meisten gängigen Aufnahmesituationen und erwies sich selbst bei Fahraufnahmen aus dem Auto als problemlos. Der größte Unsicherheitsfaktor im Praxisbetrieb liegt in der instabilen HDMI-Steckverbindung.

Die Bedienung des Ninja ist durchdacht, selbsterklärend, intuitiv und einfach, der Preis ist relativ günstig und der Lieferumfang vorbildlich. Die Mängel bei der Wiedergabequalität direkt im Gerät und das Fehlen einer übersichtlichen Thumbnail-Darstellung schmälern den Nutzen. Auch ist der Ninja nicht als größerer Field-Monitor geeignet — dafür ist die Darstellungsqualität einfach nicht gut genug.

Letztlich bleiben als wesentliche Argumente für den Ninja die bessere Aufnahmequalität — die aber etwa in Kombination mit dem GH2 nicht gerade dramatisch höher ausfällt — und das einfachere Handling in der Postproduktion, wo man Transcoding-Schritte einsparen kann: Ob das 800 Euro wert ist, muss jeder selbst entscheiden.

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