Postproduction, Technology, Top-Story, Workflow: 04.04.2018

Filmlight: Grading für SDR und HDR

Filmlight gehört zu den bekannten und erfolgreichen Anbietern von Grading-Systemen. Das britische Unternehmen ist global aufgestellt und betreibt seit kurzem auch eine Niederlassung in München. film-tv-video.de hat mit deren Leiter Daniele Siragusano über aktuelle Brachentrends und die Herausforderungen bei der Bearbeitung von HDR-Material gesprochen.


HDR: Was es zu berücksichtigen gilt

Daniele Siragusano fasst im folgenden zusammen, wo aus seiner Sicht die Herausforderungen und Chancen im Bereich HDR liegen.

HDR bringt viele neue Möglichkeiten und kreative Aspekte mit sich, wie etwa die verbesserten Kontrastverhältnisse. Mit HDR können sowohl helle Highlights wie auch tiefe Schatten innerhalb einer Szene oder zwischen einzelnen Szenen hervorgehoben werden. Außerdem erweitert HDR die Palette der hellen, gesättigten Farben. Mit HDR-Displays können helle, lebendige und fluoreszierende Farben dargestellt werden, die mit alten Standards einfach nicht erreicht werden konnten. Das vergrößert natürlich die Farbpalette, die ein Colorist einsetzen kann.

Filmlight, Grading, München
Filmlight hält in München auch einen kleinen Schulungs- und Demobereich vor.

Aber HDR bringt nicht nur Vorteile mit sich: ein höherer Dynamikumfang und ein erweiterter Farbraum können für Coloristen auch eine Herausforderung darstellen, da die Bilder schnell unnatürlich wirken, wenn die Farben zu stark gepusht werden. Deshalb braucht es neue Grading-Werkzeuge, die den Coloristen die richtigen Funktionen zur Verfügung stellen.

HDR beeinflusst nicht nur die Farbaspekte eines Bildes, sondern löst auch verschiedene andere subjektive Effekte aus: Wegen des größeren Kontrasts und der reduzierten Highlight-Kompression wirken die Bilder oft schärfer, die Ränder oft härter. Das wird vor allem im Fernsehen als großer Vorteil betrachtet, etwa bei der Sportberichterstattung, bei der Bilder nie zu klar oder zu scharf sein können. Für die TV-Produktion ist HDR also ein klarer Schritt in die richtige Richtung – auch bei HD-Displays, die keine 4K-Signale wiedergeben können.

Beim Film sieht das allerdings etwas anders aus: Für Regisseure und Kameramänner in diesem Bereich sind gerade weiche Bildränder, unscharfe Übergänge ein wichtiges Element. Wie können hier die Vorteile von HDR – detaillierte Highlights und Schatten, reiche Farbpaletten – genutzt werden, ohne dass die Filmatmosphäre und Bildsprache darunter leiden?

Die verbesserte Dynamic Range wirkt sich auch auf die Bewegungswahrnehmung aus. Bewegungsartefakte, wie etwa Ruckeln, sind kontrastempfindlich. Bilder mit stärkeren Kontrasten in höheren Frequenzen betonen diese Artefakte. So kann es vorkommen, dass eine langsame Kamerafahrt, die in SDR einwandfrei wirkt, plötzlich einen ruckeligen Eindruck hinterlässt, wenn das Bild in HDR wiedergegeben wird.

Am schwierigsten sind allerdings die Bild- und Lichtgestaltung. Was bei SDR wunderbar funktioniert, kann in HDR schnell ablenkend wirken. Eine interessante Szene kann so schnell langweilig werden.

Praktische Aspekte

Filmlight war vor kurzem an einer eintägigen Masterclass beteiligt, die von Arri organisiert wurde. Kameramann Karl Walter Lindenlaub beleuchtete und drehte dabei spezielle Szenen, und Filmlight setzt vor Ort die Prelight On-Set-Software für eine korrekte Bilddarstellung ein. Auch das Grading lief mit dem Coloristen Andy Minuth über eine Baselight-Station.

Lindenlaub beleuchtete das gleiche Set auf unterschiedliche Art und Weise (Morgen-, Nachmittag- und Abendlicht). Eine Arri Alexa SXT schickte ihren Output an die Prelight-Station, von der das Signal empfangen und an die jeweiligen Darstellungsbedingungen angepasst wurde. Die Teilnehmer konnten auf mehreren qualitativ hochwertigen HDR-Monitoren das Geschehen verfolgen.

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Daniele Siragusano: »Durch die Preview von Postproduktionsoptionen kann das Kreativteam wichtige Entscheidung somit am Set treffen.«

An Prelight können unterschiedliche Displays angeschlossen werden. Dann wird simultan das richtige Signal für alle Geräte generiert – unabhängig davon, ob die Displays HDR- oder SDR-fähig sind. Außerdem kann Prelight SDR-Bilder über einen HDR-Container auch auf HDR-Displays übertragen. Mit nur einem Klick können somit DoPs und Beleuchter die Unterschiede zwischen SDR- und HDR-Outputs auf ein und demselben HDR-Monitor mitverfolgen. Durch die Preview von Postproduktionsoptionen kann das Kreativteam wichtige Entscheidung somit am Set treffen, die nicht nur auf bloßen Annahmen beruhen.


Ausschnitt des Arri-HDR-Workshops.

Der Workshop zeigte die erwarteten extrem scharfen Bildränder, die durch die Beleuchtung zusätzlich betont wurden. Lindenlaub beleuchtete beispielsweise einen Schauspieler im Vordergrund einer Szene. Er setzte die Lichter mithilfe eines SDR-Monitors wechselte später zu HDR, um den Unterschied zu zeigen. Dieser Unterschied wurde vor allem im Hintergrundlicht und an den Rändern deutlich. Eigentlich sollte die Beleuchtung den Schauspieler aus dem Hintergrund hervorheben. Was in SDR einwandfrei funktionierte, war in HDR schnell zu hart und nicht mehr »filmisch«. Das gleiche Problem ergab sich auch umgekehrt. Für HDR ausgeleuchtete Szenen wirkten in SDR nicht: Da verschmolz der Schauspieler zu stark mit dem Hintergrund.

Fix it in post?

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Die  Niederlassung von Filmlight in München soll auch Wissensvermittlung und Schulung in den Markt tragen.

Um sich diese Probleme realistisch vorstellen zu können, müssen einige Voraussetzungen geklärt sein, wie etwa die Lichtsituation bei der jeweiligen Szene und die Darstellungsbedingungen. Sobald für unterschiedliche Ausspielungen produziert werden soll, müssen spezielle Grading-Funktionen zur Verfügung stehen, die für den jeweiligen Kontext realistische Anpassungen vornehmen und unabhängig von Kamera oder Monitor umgesetzt werden können.

Filmlight hat solche Funktionen entwickelt, mit denen leicht zwischen SDR und HDR hin- und hergeschaltet werden kann. Aber die Lindenlaub-Masterclass zeigte eindrucksvoll, dass sich die Unterschiede von SDR und HDR nicht nur auf die Farbdarstellung beschränken und es leicht passieren kann, dass ein Bild in SDR gut, in HDR aber zu scharf wirkt. Zu scharfe Ränder können durch die neu entwickelten Funktionen modifiziert werden. Im Moment müssen Coloristen, Regisseure und Kameraleute solche Fragen noch gemeinsam klären, doch in Zukunft soll das ein Bestandteil des Farbmanagementsystems werden.

Letztlich geht es um Balance

Im Moment sehen noch rund 95 Prozent der Zuschauer ihre Inhalte in SDR, auch wenn der Content bereits für beide Ausspielungen gedreht, produziert und archiviert wird. Budgets und Abgabetermine erlauben allerdings keine längeren Produktionszeiten, weder beim Dreh noch in der Postproduktion. Deshalb lautet die temporäre Lösung: Balance. Konkret bedeutet dies, dass das Gradig üblicherweise für SDR stattfindet und für die HDR-Ausspielung im Nachhinein zügig überarbeitet und angepasst wird.

Auch beim letzten großen Wandel in der Filmbranche, der Umstellung von analogem auf digitales Filmmaterial, wurde ähnlich agiert. Zunächst kümmerte man sich um die physische Filmkopie, und im Anschluss um das damals neuartige DCP. Heute spielt nur noch die digitale Ausspielung eine Rolle: Viele Regisseure, DoPs und Coloristen schauen sich die Filmkopien nicht einmal mehr an.

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Daniele Siragusano: »Regisseure, DoPs, DITs und Coloristen müssen zusammenarbeiten und gemeinsam Erfahrungswerte sammeln, um eine neue Bildsprache zu entwickeln.«

Heutzutage ist es also durchaus gängig, dass sich ein Produktionsteam für ein SDR-kompatibles Design entscheidet, das durch ein paar Kniffe auch HDR-fähig ist. Sobald HDR bei den Zuschauern und beim Umsatz wichtiger wird, dürfte sich das ändern. Dann werden HDR-Monitore am Set die Norm sein.

In der Postproduktion ist es bereits jetzt essenziell, Bildbearbeitungsprozesse zur Verfügung stellen, die unterschiedliche Ausspielungen ermöglichen.

Deshalb hat Filmlight den stabilen, individuellen Grading-Workflow »Truelight Cam« entwickelt, der es Nutzern ermöglicht, für jegliche Ausspielungen zu graden und die bearbeitete Version später durch wenige Handgriffe für andere Ausspielungen anzupassen. Das erleichtert die Arbeit und das Grading für die unterschiedlichen Ausspielformate muss nicht in einer strikten Reihenfolge erfolgen.

Der Wandel hängt natürlich auch immer von den Erfahrungswerten der Kamerateams ab. Wenn man in Zukunft mit DoPs zusammenarbeitet, kann man davon ausgehen, dass diese wissen, was für welche Ausspielungen funktioniert und was nicht. Zunächst geht es allerdings darum, zu verstehen, wie Licht und Drehort die Bilder mit Blick auf HDR beeinflussen können. Diese Erfahrungswerte werden mit der Zeit gewonnen werden.

Die HDR-Technologie entwickelt sich immer weiter und diese Überlegungen sind lediglich eine Momentaufnahme der aktuellen Situation. HDR ist sehr vielversprechend, aber man muss sich bewusst sein, wie fundamental es die räumliche und strukturelle Bildsprache verändern kann. Regisseure, DoPs, DITs und Coloristen müssen zusammenarbeiten und gemeinsam Erfahrungswerte sammeln, um eine neue Bildsprache zu entwickeln, wie HDR am effektivsten und kreativsten genutzt werden kann.

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