Kommentar, Top-Story: 13.10.2001

Markt- und Preis-Theorie

Immer wieder hört man die gleichen Argumente, wenn es um Marktprognosen und besonders um Wachstumsmöglichkeiten geht. Gern wird dabei auf einfache Bilder und Modelle zurückgegriffen, etwa auf die Marktpyramide oder auf Charts zyklischer Marktbewegungen. Oder es werden mehr oder weniger passende Parallelen und Analogien zur Entwicklung im Computer- oder Handy-Markt gezogen.

Regelmäßig wird dabei die Behauptung vorgetragen, dass mit niedrigeren Preise der Markt zwangsläufig in die Breite wachse. Manchmal wird das Thema auch andersrum aufgezäumt: Dann argumentieren die Anbieter, dass wesentlich mehr Anwender eine Software oder eine Technologie einsetzen würden, wenn sie nur billiger wäre. Dabei wird dann gern eine annähernd lineare Verknüpfung zwischen Preis und Marktvolumen angenommen. Und auf dieser Basis prognostizieren die Anbieter dann dramatische Wachstumsvisionen.

Auch wenn man immer wieder den Eindruck gewinnen kann, dass Gegenbeispiele hierzu völlig ungehört verhallen, soll hier doch eines folgen. Und weil sich andere Perspektiven oft erst dann erschließen, wenn man das gewohnte Terrain verlässt, stammt das Beispiel nicht aus der Film-, TV- und Video-Branche:

Für ein Cello in gehobener Qualität muss man derzeit ungefähr 30.000 Mark ausgeben. Wenn nun jemand ein Cello mit annähernd gleicher Verarbeitung und mit vergleichbarem Klang für 300 Mark anböte, würde dann der Cello-Markt explodieren? Eher nicht. Würden tatsächlich im gleichen Maß wie der Preis sinkt, auch mehr Menschen ein Cello kaufen? Wohl kaum. Würde es schlagartig mehr schöne Cello-Konzerte und viel mehr Konzertbesucher geben? Ebenfalls negativ. Neben dem Preis spielen eben noch viele andere Faktoren eine Rolle im Cello-Markt, etwa Interesse und Talent der potenziellen Käufer.

Der Instrumentenbauer allerdings müsste die hundertfache Zahl seiner preisgünstigen Celli verkaufen, um den gleichen Umsatz wie seine Kollegen zu erzielen. Ein schwieriges Unterfangen und vielleicht eine bedrohliche Situation für den Preisbrecher selbst und eventuell sogar für große Teile des Cello-Marktes.

Natürlich lässt sich dieses Beispiel nicht beliebig auf andere Fälle übertragen, aber eine hoch spezialisierte Software gleicht zweifellos in vielen Aspekten einem Musikinstrument, mit dem nur der Geübte umgehen und mit dem nur der Virtuose Meisterleistungen erbringen kann.

Lassen Sie sich deshalb nicht blenden von den strahlenden Zukunftsvisionen mancher Anbieter. Das hilft nicht nur beim Cello-Kauf, denn was für Handies gilt, muss nicht für Editing, 3D-Animation oder Kamera-Technologie gelten. Sie werden sehen.