Branche, Top-Story: 13.09.2003

WDR setzt auf XDCAM

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) wird seine komplette Betacam-SP-Camcorderpalette durch Optical-Disc-Camcorder aus Sonys neuer XDCAM-Familie ersetzen. Produktionsdirektor Heinz-Joachim Weber erläuterte im Gespräch mit film-tv-video.de einige Hintergründe.

Im Rahmen der IBC2003-Pressekonferenz von Sony, die ganz im Zeichen der Optical-Disc-Einführung stand, berichtete WDR-Produktionsdirektor Heinz-Joachim Weber über erste Erfahrungen mit den neuen Geräten. »Die ersten Geräte der Optical-Disk-Produktpalette sind vor gut zwei Wochen bei uns eingetroffen. Nach den ersten Tests zeigten sich unsere Techniker sehr zufrieden. Unter anderem ermittelten sie bei den Camcordern in der Klimakammer eine Temperaturbeständigkeit in einem Bereich von -30 Grad bis +50 Grad Celsius.«

Bis dato nannten die Konkurrenten von Sony die Temperaturbeständigkeit der Optical-Disc-Geräte als kritischen Faktor, und auch in Bezug auf die Stabilität der Geräte bei Stößen und Erschütterungen meldeten Anwender wie Wettbewerber Bedenken an. Sony wie auch der WDR sehen diese Probleme bei den ersten Seriengeräten allerdings weitgehend gelöst. Dazu Weber: »In den kommenden Monaten werden wir die Geräte natürlich noch ausgiebig testen und da ist es ganz normal, dass man noch den einen oder anderen Software-Bug entdeckt. Aber die Zusammenarbeit mit Sony hat uns gezeigt, dass sich solche Probleme sehr schnell lösen lassen.«

Der WDR und Sony hatten für IMX und den Disk-Camcorder eine Partnerschaft abgeschlossen und deshalb war der Kölner ARD-Sender schon lange in die Vorarbeiten involviert, die nun in den XDCAM-Camcorder PDW-530 mündeten. »Schon 1999 haben wir uns für IMX entschieden und darauf gesetzt, dabei auch gleich auf eine Disk-Technologie umsteigen zu können«, erläutert der Produktionsdirektor. »Wir haben uns gegenüber den Redaktionen dazu verpflichtet und zugesichert, dass wir bis dahin den Betrieb mit unseren überwiegend in den Jahren 1989 und 1990 angeschafften Camcordern gewährleisten und aufrecht erhalten.«

Bis zum Ende des kommenden Jahres sollen nach und nach die bestehenden Betacam-SP-Camcorder beim WDR abgelöst werden. »Das sind etwa 110 bis 120 Units«, berichtet Weber. »Die SP-Camcorder sind ja zum Teil schon 14 Jahre alt und nun ist es wirklich an der Zeit, sie aus zu tauschen. Dass wir damit so lange gewartet haben, liegt eben mit daran, dass wir bei Sonys IMX-Ankündigung von Anfang an auf die Aussage vertraut haben, dass auch Optical-Disc-Geräte kommen würden. Nur deshalb konnten wir die Ablösung der Betacam-SP-Geräte nach hinten verlagern und damit im Prinzip eine Gerätegeneration auslassen. Das ist für uns jetzt natürlich ein Vorteil.«

Vorteile sieht Weber auch in den Möglichkeiten, die das Optical-Disc-System bietet, etwa die, das aufgezeichnete Material in reduzierter Auflösung mit 30facher Geschwindigkeit aus zu geben oder es via Ethernet- oder Wireless-LAN-Interfacezu übertragen. »Das sind natürlich schöne Möglichkeiten, die ein System wie Optical Disc bietet und die wir sicher auch nutzen werden. Aber letztlich setzen wir das System zunächst so ein, wie wir bisher auch Betacam-SP eingesetzt haben«.

Vorerst ersetzt der WDR also lediglich die bandbasierten Camcorder durch Disc-Geräte. Natürlich sollen dabei die schon genannten neuen Möglichkeiten genutzt werden. Dennoch sieht sich der WDR nicht als Speerspitze der digitalen file-basierten Produktion in Deutschland: »Ein überzeugendes Gesamtkonzept für einen komplett bandlosen Workflow fehlt noch. Eine solche Lösung oder einen solchen Workflow können derzeit weder die traditionellen Broadcast-Hersteller noch die Hersteller aus dem IT-Umfeld bieten: nämlich eine Lösung, die aus diesen Einzelkomponenten ein Gesamtsystem macht – mit allen notwendigen Schnittstellen, Interfaces, File-Austausch- und letztlich auch Browse-Möglichkeiten.«

Keiner der bisher bekannten Ansätze reicht dem WDR aus, aus der Sicht von Weber könnte es durchaus passieren, dass sich die Einführung solcher Systeme in Deutschland weiter verzögert, aber letztlich sieht er den Umstieg auf XDCAM schon als Einsteig in diese neue Welt. »Komplett systemübergreifendes Datenmanagement ist aus unserer Sicht derzeit noch nicht gewährleistet, die einzelnen Komponenten eines solchen Systems spielen noch nicht wirklich zusammen. XDCAM ist für uns nicht gleichbedeutend mit dem kompletten Umstieg auf den digitalen Workflow. Wir modernisieren unsere Akquisition und spielen in Zukunft, durchaus mit einigen Vorteilen und Verbesserungen, von Disc, statt von Band in die existierenden Systeme ein«.

Aus der Sicht von Heinz-Joachim Weber stehen die großen Broadcast-Hersteller derzeit nicht an der Spitze der Entwicklung, wenn es um digitale Workflows geht. »Besonders was die Steuerung, den File-Transfer und das Datenmanagement betrifft, gibt es Defitzite. Aber es bewegt sich sehr viel, nicht zuletzt auch bei Herstellern wie Avid, Harris oder Omnibus«.

Auf die Frage, welche Auswirkungen der Gerätewechsel beim WDR auf die Programmzulieferer und Dienstleister des WDR hat, antwortet Weber, dass im Augenblick letztlich keine Konsequenzen zu ziehen seien: »Wir werden den Wechsel zu Optical Disc langsam vollziehen. Genau so, wie wir heute noch viele unterschiedliche Bandmaschinen verwenden, wird das in den Redaktionen auch in Zukunft noch so sein. Man muss ja letztlich auch die Programmaustauschbarkeit auf internationaler Ebene erhalten. Deshalb wird es bei uns sicher noch sehr lange der Fall sein, dass wir intern zumindest alle Sony-Formate abspielen können. Das gilt letztlich aber auch für andere Formate – wenn auch mit einem Flaschenhals in der Verarbeitungskette, denn natürlich haben wir von den Nicht-Sony-Formaten nur begrenzte Gerätekapazitäten«.

Ganz generell zeigt sich der WDR ausgesprochen zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Sony und lobt die kontinuierliche Arbeit am Projekt. »So ein Kooperationsabkommen bindet bei uns sehr viel Manpower. Unsere Entwicklungsteams haben sich regelmäßig mit den Sony-Teams getroffen, auch mit japanischen Teams, und diese Zusammenarbeit hat sich sehr gut bewährt.«

Was hält der Produktionsdirektor des WDR von Panasonics Solid-State-Ansatz (P2)? »Das ist wirklich sehr interessant, aber Panasonic war für den WDR aus den oben genannten Gründen einfach zu spät dran. Der Ersatzbeschaffungsdruck ist bei 14 Jahre alten Camcordern einfach zu groß, um noch länger zu warten.«