Unternehmen: 06.08.2002

Kodak forciert Digital Cinema

Kodak befindet sich momentan auf einer Gratwanderung: Einerseits gilt es, das Geschäft mit Filmmaterial zu schützen, andererseits will man den Anschluss im Digital-Cinema-Bereich nicht verpassen, weil dessen Wachstum in der Zukunft den Massenmarkt für Filmkopien einbrechen lassen könnte. Nun stellte das Unternehmen eine Schlüsselkomponente für seine Idee von der Zukunft des Kinos unter dem Namen Kodak Digital Cinema Operating System (COS) vor.

COS besteht aus mehreren Komponenten, die an verschiedenen Stellen am jeweiligen Abspielort installiert werden: Ein zentraler Server ist über ein schnelles Netzwerk mit einzelnen Abspielstationen verbunden, die jeweils wieder aus einem kleinen Server und einem Videoprojektor bestehen. Eine von Kodak entwickelte Software integriert das Ganze zu einem Gesamtsystem und soll das sichere Zusammenspiel sowie die einfache und flexible Steuerung und Bedienung dieser Elemente ermöglichen. Als Partner für die Umsetzung dieses Projekts hat sich Kodak IBM und JVC ausgesucht.

Zielgruppe für COS sind Multiplex-Kinos. Deren Betreiber sind nach Vorstellung der Kodak-Entwickler mit COS zukünftig in der Lage, per Software und mit bisher ungeahnter Flexibilität zu bestimmen, was wann in welchem Saal an Trailern, Werbung und Hauptfilm gezeigt wird. Dass ein solches System prinzipiell funktioniert, das haben schon etliche Feldversuche und Demos anderer Firmen gezeigt, aber es gab bislang immer zwei große Hemmnisse beim Thema Digital Cinema: Die Rechteinhaber verlangen Kopiersicherheit, die zumindest gewährleistet, dass keine Kopien in der vollen Kinoqualität möglich sind. Vielleicht noch schwerwiegender ist das Thema Investitionsvolumen, denn immer noch kostet ein High-End-Videoprojektor rund zehn Mal mehr als ein 35-mm-Kinoprojektor.

In Bezug auf die zweite Frage hält sich Kodak bedeckt und veröffentlicht bislang keine konkreten Preise für COS. Beim Thema Kopiersicherheit verfolgt COS einen Ansatz, den auch andere schon vorgeschlagen und demonstriert haben: Die Bilddaten sind im gesamten Verteilprozess verschlüsselt und werden erst direkt im Projektor dechiffriert. Es gibt also für Schwarzkopierer zumindest keine einfache Möglichkeit, an Bilddaten in höchster Qualität zu gelangen. Zudem soll in den Projektor ein System zum unsichtbaren Watermarking integriert werden, das die Rückverfolgung von Schwarzkopien bis zur Quelle ermöglicht, falls doch Lücken im Kopierschutz auftreten oder von der Leinwand abgefilmt wird.

Von IBM kommen der pro Kino notwendige Zentral-Server sowie der pro Projektor erforderliche Playback-Server und das verbindende Netzwerk.

Der von Kodak vorgestellte Projektor basiert auf dem JVC-Modell DLA-QX1, nutzt also einen D-ILA-Chip mit 2.048 x 1.536 Bildpunkten für die Bilderzeugung. Der Projektor wird aber laut Kodak mit einer speziellen Farbmanagement-Software und einer nicht näher beschriebenen Bildtechnologie bestückt, die in Form von Zusatzelektronik in den Projektor eingebaut werden. Das soll sicherstellen, dass Farbwiedergabe und Bildqualität die »originalgetreue Wiedergabe der künstlerischen Ziele der Filmemacher« ermöglichen. Auch die Dekompressions- und Dechiffrier-Elektronik kommt von Kodak. Zudem ist der Projektor mit einem Anamorphoten bestückt.

Warum sich Kodak für D-ILA als Projektionstechnik entschieden hat, kommentiert der Digital Cinema Program Manager Glenn Kennel so: »Der Chip bietet die gegenwärtig beste Kombination aus Bildqualität, Preis und Zuverlässigkeit und wird nach entsprechender Weiterentwicklung zukünftig noch höhere Auflösungen ermöglichen.« Kodak sieht nach eigenen Angaben die mit dem Projektor erreichbare Auflösungsstufe 2K als Einstieg, peilt langfristig aber höhere Werte an.

Die Farbmanagement-Software will Kodak an andere Projektoren-Hersteller lizensieren. Beim verwendeten Kompressionsverfahren befindet sich Kodak nach eigenen Angaben noch im Experimentierstadium, hofft aber auf eine Standardisierung.

COS zielt auf die Abspielseite und Kodak will auch die dafür notwendigen Dienstleistungen auf der Produktions- und Distributionsseite anbieten: Die Kodak Digital Cinema Services sollen den Studios und anderen Rechteinhabern Verschlüsselung, Kompression, Rechteverwaltung, Watermarking und elektronische Verteilung von deren Produktionen offerieren, so dass diese via COS verteilt und abgespielt werden können. Voll funktionsfähige Systeme einschließlich der Verteilung von Inhalten zu den Kinos will Kodak im Jahr 2003 zeigen können.

Generell betont Kodak in unterschiedlichen Publikationen, dass das Unternehmen in der Produktion unverändert auf die Filmaufnahme setzt. HD-Video wird im Vergleich dazu in düsteren Farben gezeichnet. Anders sieht es mittlerweile beim Thema Distribution und Vorführung aus. Auf der US-Web-Site des Unternehmens findet man dazu folgendes offizielles Kodak-Statement: »The quality of on-screen images you“ll be seeing with digital projection will someday surpass the quality of film you‘re used to seeing.«

Die grundlegende Idee von COS ist nicht neu und Kodak stößt damit im Grunde sogar in ein Gebiet vor, in dem das Unternehmen bisher gar nicht richtig im Geschäft ist: Die Bestückung von Kinos mit Projektoren und Vorführsystemen liegt bislang in anderen Händen. So kommen etwa weltweit betrachtet die meisten Kino-Filmprojektoren von zwei ganz anderen Firmen: Kinoton aus Deutschland und Christie aus den USA. Beide haben schon High-End-Videoprojektoren im Angebot und arbeiten ebenfalls an kompletten Systemen für den Digital-Cinema-Markt. Das zeigt unter anderem auch die engere Kooperation, die Kinoton und DVC vor kurzem besiegelten (siehe auch Bericht hierüber in der Info-Zone).

Dass Digital Cinema als potenziell lukrativer Markt betrachtet wird, zeigt das Interesse anderer Player: Auch Sony hat schon einen Vorstoß in Richtung auf diesen Markt unternommen und selbst Boeing zeigte sich im Zusammenspiel mit anderen Firmen interessiert (siehe auch ältere Meldung hierzu).