Festival, Top-Story: 04.05.2023

Infos und Filmtipps für das 38. Internationale Dokfest München

Das Dokfest München startet mit 130 Dokumentarfilmen aus 55 Ländern in Münchner Kinos und Event-Locations — sowie per Streaming. Hier gibt es dazu Infos und Filmtipps.






Non-Aligned: Scenes from Labudovic Reels, © Poppy Pictures
Still aus »Non-Aligned: Scenes from Labudovic Reels«.
Non-Aligned: Scenes from Labudovic Reels

Montenegro, Serbien, Frankreich, Kroatien, Katar 2022 / 100 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Wochenschau, Blockfreie Staaten, Portrait

Stevan Labudovic war Titos Kameramann. Der frühere jugoslawische Präsident hatte früh erkannt, wie wichtig der Einfluss der Wochenschau für die öffentliche Meinung ist. Als Mit-Sieger des zweiten Weltkrieges hatte sich Tito früh von den Blöcken USA /UDSSR distanziert und war seinen eigenen Weg gegangen.

Non-Aligned: Scenes from Labudovic Reels, © Poppy Pictures
Still aus »Non-Aligned: Scenes from Labudovic Reels«.

Auf der Suche nach Verbündeten der Non-Aligned (Blockfreien Staaten) fand 1961 in Belgrad eine Konferenz statt. Um das Filmmaterial, das Stevan Labudovic von diesem Weltereignis mit seiner Arriflex aufnahm und das auf 35-mm-Film in einem Belgrader Archiv lagerte, dreht sich dieser Film und natürlich auch über den geschichtlichen Hintergrund der Blockfreien Bewegung. Und weil Stevan Ladudovic noch lebt, kann er auch über andere Abenteuer erzählen…

Sehwert ***

Wir waren Kumpel, © Dokfest München
Still aus »Wir waren Kumpel«.
Wir waren Kumpel

Deutschland, Schweiz 2023 / 105 Minuten / dtOmeU

Inhaltliche Einordnung: Kohleausstieg, Umbruch

Dieser Cinemascope-Film begleitet fünf alt gediente Bergarbeiterinnen und Bergarbeiter der RAG bis zum Schließen der Zeche 2018 und auch in der Zeit danach, in der das Gewohnte weggebrochen ist und das Ungewisse beginnt.

Nur Martina hat, zuvor als Martin in der Kohle tätig, einen neuen Job im Salzbergbau gefunden. Thomas, der in der Zeche für die Arbeitskleidung und die Sanitärräume zuständig war, putzt jetzt daheim die Wohnung, und Wolfgang hat in der Zeit vor der Schließung noch den Busfahrerschein erworben und fährt Schulkinder. Auch die Beziehungen und alten Freundschaften ändern sich.

Sehwert ***

Free Money, © Dokfilmfest München
Still aus »Free Money«.
Free Money

USA, Kenia 2022 / 74 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Afrika, bedingungsloses Grundeinkommen, Hilfsprogramme

Ein Dorf in Kenia. Eine Kolonne von sechs Motorrädern rollt auf das Dorf zu. Es findet ein Treffen im Freien statt, und eine Besucherin erklärt den Dorfbewohnern etwas Unglaubliches. Für die nächsten zwölf Jahre soll jeder 22 $ monatlich erhalten, einfach so. Es ist ein Experiment. Funktioniert das bedingungslose Grundeinkommen, und welche Folgen hat es auf die Begünstigten und ihr Umfeld?

Viele Dorfbewohner glauben nicht an das Versprechen und sind skeptisch. Das Geld kommt von GD Give Direktly, einer NGO, die durch direkte Transferleistungen über Telefon die Verteilkosten und Verwaltungsarbeit senken will. 93 % der Spenden sollen direkt beim Empfänger ankommen.

Die Filmemacher begleiten das Experiment. Man verweilt bei den Dorfbewohnern und blickt hinter die Kulissen von Give Direktly, einer Organisation, die schnell wächst, auch weil die direkte Weitergabe ein bestechendes Argument ist. Die Begeisterung in Kenia flaut ab, es gibt neidische Nachbarn, und diejenigen, die aus dem Programm flogen, sind frustriert. Über vier Jahre wird die Situation beobachtet, und das Experiment soll noch bis 2031 laufen. Die Effizienz wird bezweifelt.

Sehwert **

Adieu Sauvage, © Dokfilmfest München
Still aus »Adieu Sauvage«.
Adieu Sauvage

Belgien 2023 / 82 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Indigene Völker, Regenwald

Der Filmemacher — selbst aus der indigenen Bevölkerung Kolumbiens stammend — begibt sich von Belgien aus auf eine Reise zu Urwaldbewohnern in Kolumbien mit der Frage: Warum begehen so viele junge Menschen dort Selbstmord?

Es ist ein Reisefilm, gedreht in schwarz-weiß, und der Filmemacher ist selbst Teil der Geschichte. Er trifft in der Region Vaupés auf einen spanischsprechenden Dorfbewohner des Cacua Tribes und findet Aufnahme in der Familie. Im Austausch mit seinem Gastgeber erfahren wir viel über die Lebensumstände und die Einstellung zu Natur und die Beziehungen untereinander.

Sehwert **

And the King Said What a Fantastic Machine, © Dokfilmfest München
Still aus »And the King Said What a Fantastic Machine«.
And the King Said What a Fantastic Machine

Schweden 2022 / 85 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Geschichte der Fotografie, Medienkritik

Mit der fantastischen Maschine ist die Kamera gemeint. Der Film beginnt mit einer Kamera Obscura und dem Staunen von Passanten, wenn sie auf einer Mattscheibe ein reales Bild der Umgebung auf dem Kopf stehend sehen.

Wir erhalten eine kurze Einführung in die Geschichte der Fotografie: Niépces erstes Foto aus dem Jahr 1826, Eadweard Muybridges Serienfotografie, 1890 erste Projektion von Bewegtbild und »Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat« von den Gebrüdern Lumière 1895. Über Riefenstahls Propagandafilme und die Dokumentation einer KZ-Befreiung kommt die Erzählung zum Fernsehen, zu Shows und zum Werbeprogramm, um dann aus einem ethnologischen Film von 1969 zu zeigen, dass es kein Selbstverständnis ist, auf einem Portraitbild sich selbst erkennen zu können.

And the King Said What a Fantastic Machine, © Dokfilmfest München
Still aus »And the King Said What a Fantastic Machine«.

300 Millionen Bilder werden inzwischen jeden Tag veröffentlich, weiß der Film. Ein großer Teil dieses aus viel Archivmaterial kompilierten Films widmet sich der manipulierenden Art von Bildern und Filmen im TV, auf Youtube und den Social-Media-Kanälen. Am Ende fällt eine Action-Kamera aus einem Flugzeug, stürzt in einen Bauernhof zeigt den Himmel und wird dann von einem Schwein gefressen.

Sehwert **

Still, Etilaat Roz, © Dokfest München
Still aus »Etilaat Roz«.
Etilaat Roz

Afghanistan 2022 / 93 Minuten / OmeU

Inhaltliche Einordnung: Afghanistan, Pressefreiheit

Warten auf die Taliban, so kann man den Inhalt des Films umschreiben, und um es kurz zu machen: Sie kommen nicht, dafür gehen die Wartenden.

Eines dieser typischen Häuser in Afghanistan, ein Hof, eine Mauer, ein Eisentor und die Innenräume eines alleinstehenden Zweckbaus für Büro oder Wohnen. Es ist die Redaktion von Etilaat Roz, der meistgelesenen Zeitung in Kabul. Herausgeber Zaki Daryabi und das ungefähr 50-köpfige Redaktionsteam werden von einem Insider vom 15. August bis zum 27. September 2021 beobachtet. Dabei verlässt die Kamera das Redaktionsareal nur in der letzten Einstellung, als der Herausgeber als einer der letzten in ein Auto steigt.

Man erlebt Menschen unter Stress und in der Ungewissheit, aber wie sich die Geschichte damals entwickelt hat, wissen wir im allgemeinen schon, und die individuelle Sicht fügt dem Ganzen leider nichts wesentlich Neues hinzu.

Warum auch immer man diesen Film ausgewählt hat, um das Festival zu eröffnen, danach kann es eigentlich nur noch besser werden.

Sehwert *

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