Branche, Top-Story: 17.10.2001

Wie steht“s bei Matrox?

Derzeit kursieren zahlreiche Gerüchte über Matrox und die Marktposition des Unternehmens. Nach der Übernahme von Fast Multimedia durch den Matrox-Konkurrenten Pinnacle erhielten diese Gerüchte und Spekulationen neue, zusätzliche Nahrung. www.film-tv-video.de fragte deshalb direkt bei Matrox nach und Nabil Tarazi, der als Vice President Europe bei Matrox Video & Imaging Technology Europe in Großbritannien tätig und innerhalb des Unternehmens für den europäischen Markt zuständig ist, beantwortete die Fragen.

Seit Pinnacle Fast Multimedia gekauft hat, sehen manche Marktbeobachter Matrox in einer schwächer werdenden Marktposition. Was sagen Sie hierzu?

Nabil Tarazi: Matrox hat stets das Konzept einer offenen Architektur vorangetrieben und verfolgt. Die DigiSuite-Produktlinie kann beispielsweise im Zusammenspiel mit fünf unterschiedlichen Schnitt-Softwares genutzt werden. Die Übernahme von Fast wird nichts daran ändern, wie Matrox seine Geschäfte betreibt. Sie wird jedoch eine Auswirkung darauf haben, wie Pinnacle im Markt agiert: Pinnacle wird wohl künftig ähnlich wie Avid Komplettsysteme anbieten und nicht mehr mit 3rd-Party-Software-Entwicklern zusammenarbeiten.
Seit der Vorstellung von DigiSuite hat sich Matrox dagegen ganz klar für die offene Architektur und offene Plattform entschieden, um den Kunden die freie Wahl zu lassen. Das ist auch heute unverändert so.
Die Verkaufszahlen von Matrox DigiSuite sind unverändert hoch. Wir arbeiten mit etlichen 3rd-Party-Software-Entwicklern und OEM-Partner zusammen, um Lösungen für den Broadcast-Markt zu entwickeln, die eine ganze Palette von Applikationen abdecken, vom Schnittsystem über Video-Server bis zu Schriftgeneratoren etc.. Aufgrund dieser engen Zusammenarbeit können unsere Partner im Gegenzug ihre Lösungen auf den Matrox-Plattformen anbieten. Unsere Endkunden wiederum haben dadurch mehr Auswahl und die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Applikationen zu wechseln, wenn ihre Anforderungen sich verändern oder wachsen. Diese Konstellation ist für 3rd-Party-Software-Anbieter, die bisher auf Pinnacle-Produkten aufgesetzt haben, nun wahrscheinlich nicht mehr gegeben, weil Pinnacle jetzt deren Wettbewerber ist.
Die Position von Matrox als Lieferant von Engines für Broadcaster bleibt also stark.

Stimmt es, dass Fast Multimedia und Matrox eine engere Kooperation geplant hatten, die nun hinfällig ist?

Nabil Tarazi: Fast hatte damit begonnen, die Software FastStudio auf die DigiSuite-Plattform zu portieren. Die Übernahme durch Pinnacle macht jede weitere Entwicklung schwierig, weil das bedeutet, dass Pinnacle eine Matrox-Hardware unterstützen und auf dieser Basis entwickeln müsste, anstatt das mit eigener Hardware zu tun.

Jeder der es wissen will, kann derzeit erfahren, dass Discreet plant, seine Schnitt-Software Edit auf eine neue Hardware-Plattform zu portieren: Pinnacles Targa3000-Board anstelle von DigiSuite. Was bedeutet dieser Verlust einer Editing-Applikation für die DigiSuite-Familie vom Matrox?

Nabil Tarazi: Matrox und Discreet unterhalten schon sehr lange eine enge Geschäftsbeziehung. Discreet hat aber immer gesagt, dass den Kunden eine Auswahl verschiedener Hardware-Plattformen offenstehen soll. Bis heute heißen die Optionen Targa2000 und Matrox DigiSuite. Die große Mehrzahl der Kunden in Europa hat sich dabei für die Matrox-DigiSuite-Boards entschieden. Wir wissen schon seit einiger Zeit, dass Discreet seine begrenzten Entwicklerkapazitäten darauf konzentriert, das Targa3000-Board zu unterstützen. Das bedeutet, dass die Kunden nun eine weitere Auswahlmöglichkeit haben werden. Dabei wird DigiSuite jedoch eine Möglichkeit bleiben, von der wir glauben, dass viele Kunden sie nutzen werden, weil Funktionalität, Funktionsvielfalt, Preis und Zuverlässigkeit stimmen. Außerdem glaube ich, dass das Hauptinteresse von Pinnacle nach der Übernahme von Fast auf der eigenen Software liegen wird. Viele Kunden werden beim Kauf einer Lösung zögerlich sein, die auf der Kombination von Pinnacle- und Discreet-Produkten basiert, wenn ihnen nicht garantiert wird, dass diese auch in Zukunft unterstützt wird. Pinnacles Interesse an Discreet wird nur kurzfristig sein. Pinnacle wird ein größeres Interesse daran haben, Silver, Ivory und Blue zu verkaufen, als Targa3000 im Verbund mit Edit.

Es gibt Gerüchte, dass Matrox seine Video-Abteilung verkaufen oder in Form eines eigenen Unternehmens ausgliedern will. Gibt es konkrete Pläne hierfür?

Nabil Tarazi: Es stimmt, dass die verschiedenen Abteilungen/Geschäftsbereiche von Matrox als getrennte Business Units operieren. Die Gerüchte, dass das Video-Business verkauft werden soll, sind aber völlig aus der Luft gegriffen und unwahr. Matrox Video ist nach wie vor eine profitable Division. Unsere Verkaufszahlen und Gewinne sind innerhalb der letzten vier Jahre kontinuierlich von Jahr zu Jahr gewachsen. Unsere Umsätze für das laufende Jahr liegen weiterhin im Plan und das zu einer Zeit, in der die meisten unserer Wettbewerber Verluste bekanntgeben oder Gewinnwarnungen aussprechen.

Mit wachsender Leistungsfähigkeit immer billigerer Boards von Matrox und anderen Herstellern stellt sich die Frage nach der Zukunft für Boards wie die DigiSuite-Familie. Wird sich Matrox künftig stärker auf Boards wie RT2000 und RT2500 konzentrieren, oder baut man stärker auf die gute Reputation in den anspruchsvolleren Märkten mit Boards wie der DigiSuite-Reihe?

Nabil Tarazi: Es wird immer High-End-, Midrange- und Einstiegs-Anforderungen im Editing-Bereich geben. Momentan erleben wir eine Explosion im Midrange- und Low-End-Bereich, weil die Boards von Matrox und anderen Herstellern immer mehr Leistung und Funktionalität bieten. Außerdem ist der Einstiegspreis für diese Technologie in den vergangenen zwei Jahren dramatisch gefallen. Video-Editing ist nun für eine viel breitere Kundenschicht verfügbar als jemals zuvor. Trotzdem werden die Input- und Output-Formate und die Funktionen, die Produkte wie die DigiSuite-Boards bieten, weiterhin von Broadcast- und Postproduction-Kunden aus dem High-End-Markt benötigt.
DigiSuite entwickelt sich ja weiter, um den Kunden all die neuen Features zu bieten, die sie brauchen: MPEG-2, IMX und SDTI. Die kürzlich vorgestellte Max-Karte für die DigiSuite-Plattform ist ein Beispiel dafür.
Zusätzlich zu unserer traditionellen Marktposition als Plattform der Wahl für Post- und Broadcast-Applikationen eröffnet sich nun ein weiteres Feld, für das sich die Broadcaster interessieren: vernetzte Lösungen wie unser Networked Broadcast Studio. Auch hier bietet die offene Architektur der Matrox-Plattform den Kunden die Wahl, welche Server und NLE-Systeme sie nutzen wollen, ohne auf File-Kompatibilität und Interoperabilität verzichten zu müssen.
Zusammengefasst: Matrox wird auch weiterhin flexible, hochwertige und besonders leistungsfähige Lösungen für alle Marktsegmente anbieten. Der High-End-Bereich ist dabei eingeschlossen. Es ist kein Geheimnis, dass Matrox derzeit schon aktiv die nächste Produktgeneration für den High-End-Markt entwickelt.

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Weitere Informationen zu Matrox finden Sie in der Info-Zone von www.film-tv-video.de, etwa eine Zusammenfassung der Matrox-Firmengeschichte, die zum 25jährigen Bestehen des Unternehmens veröffentlicht wurde.

Downloads zum Artikel:

T_1001_Matrox_Tarazi.pdf